Deutsche Bank und der Kirch-Prozess:Auf der Anklagebank

Es ist ein spektakulärer Wirtschaftsprozess: Von April an müssen sich bekannte ehemalige und aktuelle Deutsche-Bank-Manager wie Rolf Breuer, Josef Ackermann oder Jürgen Fitschen vor Gericht verantworten. Was sind die Vorwürfe? Wie reagieren sie?

Überblick von Klaus Ott

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Der Auslöser

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Rolf Breuer, 77, war einst Chef der Deutschen Bank und hat den ganzen Streit und mit dem inzwischen verstorbenen Leo Kirch und die schon mehr als ein Jahrzehnt währende Prozess-Arie ausgelöst. Am 4. Februar 2002 bezweifelte Breuer in einem TV-Interview die Kreditwürdigkeit des finanziell schwer angeschlagenen Medienmagnaten, der Großkunde des Geldinstituts war. Kirch ging später pleite und verklagte die Deutsche Bank auf Schadensersatz; nach seinem Tod setzte seine Familie den Streit fort und gewann schließlich beim Oberlandesgericht (OLG) München. Die Bank zahlte in einem Vergleich 925 Millionen Euro und will nun Breuer in Regress nehmen. Der aber wehrt sich weiterhin gegen den Vorwurf, er habe Kirch mit dem TV-Interview in sittenwidriger Weise unter Druck setzen wollen, damit das Geldinstitut dessen Film-und Fernsehkonzern hätte zerschlagen und daran verdienen können.

Breuers zentrale These: Das OLG habe falsch entschieden, Kirch habe keinen Anspruch auf Schadensersatz gehabt. Deshalb sei auch der Vorwurf der Münchner Staatsanwaltschaft falsch, er, Breuer, und seine damaligen Vorstandskollegen hätten das OLG im Fall Kirch täuschen wollen und somit versuchten Prozessbetrug begangen. Breuers Verteidiger fordern, der OLG-Prozess müsse im Strafverfahren vor dem Landgericht teilweise neu aufgerollt werden. Die Staatsanwaltschaft erwidert, das gehe an der Sache vorbei. Die Verteidigung wolle offenbar eine jahrelange Beweisaufnahme, um eine Verurteilung Breuers möglichst lange hinauszuzögern. Breuers Anwälte Sven Thomas und Norbert Scharf wollen aber vielmehr eine Verurteilung verhindern. Sie haben schon Formel-1-Chef Bernie Ecclestone aus der Patsche geholfen, als der in München wegen Bestechung angeklagt war.

Klaus Ott

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Der Vermittler

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Josef Ackermann, 67, Breuers Nachfolger als Bankchef, hat im Streit mit Kirch und dessen Erben wiederholt vermittelt, aber immer vergeblich. Den ersten Anlauf startete der aus der Schweiz stammende Manager schon wenige Wochen nach Breuers TV-Interview. Kirch hätte 100 Millionen Euro bekommen sollen, plus eine Entschuldigung. Doch die Rechtsabteilung der Bank wandte ein, man könne nicht so viel Geld für "nichts" bezahlen, wie Ackermann später selbst der Staatsanwaltschaft mitteilte. Auch mit weiteren Verstößen für einen Vergleich scheiterte Ackermann, meist in der Bank, in der es zwei Lager gab.

Hätte das Geldinstitut rechtzeitig eingelenkt, wäre es teilweise billiger weggekommen. Und es wäre erst gar nicht zu den Anklagen gekommen, und zu dem Strafprozess, der am 28. April beginnt. Der Anklagebank hatte Ackermann im Januar 2014 mit einer langen Aussage bei den Ermittlern in München entkommen wollen, die bis nach Mitternacht dauerte. Und mit einem Brief aus Zürich, in dem er den Ermittlern schrieb, er habe sich in den vergangenen Monaten erstmals wirklich mit der Sache auseinandergesetzt. Er habe früher nicht so viel Ruhe gehabt, um das Geschehen Anfang 2002 gedanklich aufzufrischen. Und er habe die Justiz in Kirchs Schadensersatzprozess mitnichten täuschen wollen. Die Aussage und der Brief ersparten Ackermann nicht die Anklage.

Die Ermittler werfen ihm vor, er habe als Vorstandschef falsche Angaben der Bank im Kirch-Prozess veranlasst und vor Gericht dann sogar selbst falsch ausgesagt. Auf die vielen Einwände von Ackermanns Anwälten gegen die Anklage erwiderte die Staatsanwaltschaft unter anderem, ob denn die Verteidigung meine, es bestehe ein "Recht zur Lüge" bei Gericht? Verhärtete Fronten auch hier.

Klaus Ott

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Der Chef

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Jürgen Fitschen, 66, Co-Vorstandschef der Deutschen Bank, hat den einstigen Kreditkunden Kirch nie kennengelernt. Er war, wie er den Ermittlern erzählt, für Kirch auch nicht zuständig gewesen, als der Anfang 2002 kurz vor der Pleite stand. Fitschen saß aber im Vorstand, als der damals über den Umgang mit dem Großkunden beriet. Zudem wurde Fitschen, als er im Juni 2102 zum Co-Vorstandschef der Bank aufrückte, auch für den Fall Kirch verantwortlich.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zweierlei vor. Er habe sich bei seiner Aussage im Kirch-Prozess vor dem OLG München gewissermaßen durchzuwurschteln versucht. Er habe "nachweislich falsche Angaben" vermeiden und gleichzeitig die Verteidigungsstrategie der Bank nicht durch eine "klare Schilderung torpedieren" wollen. Außerdem habe Fitschen nicht eingegriffen und falsche Angaben der Bank bei Gericht korrigiert, als bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft belastende Unterlagen gefunden worden seien. Der Co-Chef der Bank hält diesen Vorwurf für ziemlich weltfremd.

Der Manager fragte die Ermittler, ob er in diesem komplizierten Rechtsstreit seiner Rechtsabteilung und den Bank-Anwälten hätte sagen sollen, deren Erkenntnisse seien falsch; er wisse es besser. Niemand in der Bank habe ihn gewarnt, dass die Angaben des Instituts beim OLG München möglicherweise korrigiert werden müssten und dass der Kirch-Prozess verloren gehen könne. Und vor seiner Aussage beim OLG habe er intern klargemacht, er wolle nicht "gebrieft", also nicht eingestimmt werden auf den Gerichtstermin. Er wolle "keinen Sprechzettel" haben, habe er den Juristen beschieden, die zu ihm ins Büro gekommen seien. Fitschens Credo seit Beginn der Ermittlungen gegen ihn: "Ich habe weder gelogen noch betrogen."

Klaus Ott

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Der Getäuschte

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Clemens Börsig, 66, ehedem Vorstand und später Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, sieht sich im Fall Kirch schwer getäuscht - von seinem früheren Kollegen Breuer. Das Einzige, was die beiden noch gemeinsam haben, ist das Interesse an Kunst und Kultur - und der bevorstehende Prozess in München. Börsig erzählte Anfang 2014 der Staatsanwaltschaft, er sei "aus allen Wolken" gefallen, als er durch die Ermittlungen erstmals erfahren habe, welche Pläne es für eine Zerschlagung des Kirch-Konzerns Anfang 2002 in der Bank gegeben habe. Ihm und seinen Vorstandskollegen sei ein "Theater vorgespielt" worden. Breuer sei im Fahrersitz gesessen und habe kein Interesse gehabt, intern seine tatsächlichen Pläne zu erklären. Ackermann sei Beifahrer gewesen und habe auch keinen Anlass gehabt, den Kollegen seine Absichten zu schildern.

Börsig sagte den Ermittlern, mit seinem heutigen Wissen würde er den Sachverhalt anders schildern, als er es im Kirch-Prozess vor dem OLG München gemacht habe. Börsigs Verteidiger ergänzten später, ihrem Mandanten sei eine falsche Erinnerung an die Vorgänge Anfang 2002 "untergeschoben" worden. Aus Verbundenheit und Vertrautheit zu Breuer seien dessen Angaben unbewusst als wahr übernommen worden. Die Staatsanwaltschaft betrachtet es als fernliegend, dass Börsig "versehentlich" falsch ausgesagt habe. Die Ermittler halten der Verteidigung vor, diese könne nicht erklären, wie es dazu gekommen sein solle, dass Börsig sich vor dem OLG angeblich falsch erinnert habe. Und wieso das "zufällig" in die Verteidigungsstrategie der Bank gepasst habe. Die steht, anders als im Fall Breuer, fest zu Börsig. Der ist Vorstandschef der Deutsche-Bank-Stiftung, die Projekte in den Bereichen Bildung, Kunst, Musik und Soziales fördert.

Klaus Ott

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Der Fassungslose

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Tessen von Heydebreck, 70, gehörte ebenfalls dem Vorstand der Deutschen Bank an und weilte Anfang 2002 in Moskau, als der damalige Bankchef Breuer sein verhängnisvolles TV-Interview gab. Heydebreck nahm sich einen Whiskey aus der Minibar im Hotel, sah Breuer auf dem Bildschirm, hörte dessen Sätze über Kirch, und sagte: "Scheiße". So dürfe man über einen Kunden nicht reden. Das erzählte der im Bankvorstand unter anderem für Personal und Osteuropa zuständige Manager bei einer Beschuldigtenvernehmung Anfang 2014 der Staatsanwaltschaft.

Heydebreck sagte den Ermittlern, er habe erst nach einem Gespräch mit seinen Verteidigern begriffen, um was es im Kirch-Prozess gegangen sei. Auf seine aus Sicht der Staatsanwaltschaft falsche Aussage beim OLG war der Pensionist von Juristen und Anwälten der Bank per Videokonferenz vorbereitet worden. Sein Verhalten sei ein Fehler gewesen, für den er sich heute noch "steinigen" könne, sagte Heydebreck den Ermittlern. Viel besser wäre es gewesen, beim OLG einfach zu erklären, er erinnere sich nicht, was Anfang 2002 im Vorstand in Bezug auf Kirch beschlossen worden sei. Bei einer langen Vorstandssitzung sei es aber mitunter so, dass man oft auch abschalte und nicht mehr so aufmerksam sei.

Über seinen Anwalt ließ er später der Staatsanwaltschaft noch mitteilen, er habe sich ein sittenwidriges Handeln von Breuer im Umgang mit Kirch nicht vorstellen können. Aus Sicht der Ermittler spielt das keine Rolle bei der Frage, ob der frühere Personal-Vorstand beim OLG falsch ausgesagt hat. Heydebreck soll, so die Strafverfolger, aufgrund der Vorbereitung auf seinen OLG-Auftritt genau gewusst haben, worauf es dort aus Sicht der Bank ankomme.

Klaus Ott

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