Hochpustertal in den Dolomiten:Skifahren vor den Drei Zinnen

Erst seit diesem Winter sind die Sextner Gebiete Helm und Rotwand mit Liften und Pisten verbunden. Zuvor war erbittert über die Skischaukel gestritten worden. Zeit für eine Erstbefahrung - mit Aussicht.

Von Stefan Herbke

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Hochpustertal Dolomiten Sexten

Quelle: Stefan Herbke

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Ob an der Rotwand, am Helm oder am Stiergarten: Wer in Sexten nach der Bergfahrt ins Freie tritt, bleibt unweigerlich stehen - und staunt. Statt sofort Richtung Piste abzuschieben, halten die Skifahrer inne und betrachten ehrfürchtig die Kulisse der Dolomiten. Allein der Blick auf Neuner, Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser, deren kecke Felszacken die größte Sonnenuhr der Welt bilden, ist außergewöhnlich. Dazu kommen noch all die anderen bekannten und markanten Gipfel wie der Haunold oder der breite Bergstock der Dreischusterspitze - ein Panorama, für das sich auch die Sportlichsten gerne länger Zeit nehmen.

Im Bild: Blick vom Stiergarten auf die Dreischusterspitze.

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Auch während der Abfahrt lohnen sich zahlreiche Zwischenstopps, für den Blick auf eine Bergwelt, die jede Fototapete zieren würde. Die Aussicht bereichert die Safari durch sieben Skigebiete zwischen Prags und Comelico. Diese gehören zwar zum Verbund von Dolomiti Superski, sind im Vergleich mit dem Skikarussell der Sella Ronda jedoch eher klein. Dafür gibt es für jeden Geschmack und jede Könnensstufe das passende Gebiet: einfache Übungslifte in Ortsnähe von Prags und Innichen, familienfreundliche und überschaubare Areale wie am Haunold und abwechslungsreiche Genussskigebiete am Helm und den Rotwandwiesen. Diese stellen mit einigen tiefschwarzen Pisten - wie der im Bild zu sehenden legendären "Holzriese II" - selbst sportlich ambitionierte Fahrer zufrieden. Hier geht es rasant bergab, wobei einigen Skifahreren nicht erst hinterher, sondern schon beim Blick in den Steilhang die Knie zittern.

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Angesichts der großartigen Kulisse wird vormals nur ganz aufmerksamen Skifahrern aufgefallen sein, dass im Reigen der namhaften Dolomitengipfel die bekanntesten bisher fehlten: die Drei Zinnen. Bis zu diesem Winter. Die im Dezember 2014 eröffnete Verbindung der Skigebiete Helm und Rotwand führt über den Rücken des Stiergartens - und der bietet einen perfekten Blick auf das Wahrzeichen der Sextner Dolomiten.

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Doch der Weg dorthin war länger und steiniger als gedacht. Jahrelang warteten die Sextner Bergbahnen auf die Erlaubnis, die Lücke zwischen den bestehenden Skigebieten am Helm und an der Rotwand schließen zu dürfen. Nach etlichen Änderungen der Baupläne hatten die Betreiber am 7. August 2013 die Baukonzession von der Gemeinde bekommen. Am darauffolgenden Wochenende - an dem Ämter und Gerichte geschlossen hatten - begannen sogleich die Rodungsarbeiten für die neuen Pisten und Bahnen. Nach 36 Stunden waren alle Bäume gefällt. "Die Zeit hat gedrängt, wir wollten die Verbindung bis zum Beginn der Wintersaison fertigstellen", begründet Alfred Prenn von den Sextner Bergbahnen die Eile. "Man wollte vollendete Tatsachen schaffen", widerspricht der Sextner Umweltschützer Hans Peter Stauder.

Im Bild: die Gondelbahn "Drei Zinnen" samt neuer Piste oberhalb der Station Signaue.

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Die Verbindung der beiden Sextner Skigebiete schien eine unendliche Geschichte zu sein. Bereits mit der Erschließung des Helm in den 1970er Jahren keimte der Gedanke an eine Lift- und Pistenverbindung zum gegenüberliegenden Skigebiet Rotwand. Vor sieben Jahren wurden die Planungen konkreter und dann, als der Lückenschluss für den Winter 2013/2014 anvisiert war und zehn Hektar Wald gerodet, verbuchten die Umweltschützer einen letzten Erfolg: Die Bauarbeiten wurden gerichtlich eingestellt. Für die Bergbahnen völlig überraschend, denn nach ihrem Verständnis hatten sie alle Genehmigungen und grünes Licht seitens der Landesregierung. Für die Gegner war dagegen das "ganze Genehmigungsverfahren eine Farce", schimpft Hans Peter Stauder, "die Landesregierung hat immer wieder nachbessern müssen". Um ein Zeichen zu setzen, organisierten daraufhin die Befürworter der neuen Bahnen Ende August 2013 eine Kundgebung "Pro Skiverbindung Helm - Rotwand", zu der 1500 Teilnehmer kamen. "Sextner waren wenig da", korrigiert Hans Peter Stauder von der Bürgerliste Sexten, "die Leute wurden mit Bussen hergezerrt, viele davon aus Österreich, und kamen nur wegen des Freibiers". Außerdem stellt Stauder die Frage in den Raum "warum man denn keine Volksbefragung gemacht hat, wenn so viele für die Bahnen sind, wie behauptet wird?"

Im Bild: Zwei Gondelbahnen auf den Stiergarten schließen die Lücke zwischen Helm und Rotwand.

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Letztlich hat das Verwaltungsgericht Bozen jedoch nach vier weiteren Monaten entschieden, dass die Rodung rechtens war. Ein Urteil ganz im Sinne der Sextner Bergbahnen, die zwar ein weiteres Jahr verloren hatten, aber nun ihr Projekt verwirklichen konnten. 30 Millionen Euro kostete der Bau der beiden Achtergondelbahnen "Drei Zinnen" und "Stiergarten" samt Pisten und Beschneiung - und einem großzügigen Servicecenter in Vierschach mit Skischule, Verleih, Skidepot und Restaurant (im Bild). Zusammen mit dem neu gebauten Bahnhof gleich vis-à-vis der Talstation der Gondelbahn - der Ski Pustertal Express ermöglicht eine autofreie Anreise und bringt Skifahrer im 30-Minuten-Takt ins Skigebiet Kronplatz - soll Vierschach das moderne Einstiegsportal in den Skigroßraum Sexten werden, der über Helm, Rotwand und Kreuzbergpass bis nach Padola reicht.

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Das Skigebiet Val Comelico in Padola wurde vor vier Jahren von den Sextner Bergbahnen gekauft und liegt auf den ersten Blick abseits. Skifahrerisch und landschaftlich ist das Gebiet mit seinen drei abwechslungsreichen Talabfahrten zwar überaus empfehlenswert, doch in Zeiten immer größer werdender Skiarenen allein nicht überlebensfähig. Für die Sextner Bergbahnen hat das Gebiet dagegen durchaus Potenzial. Wie das große Vorbild Sella Ronda kann damit auch Sexten eine kurzweilige Skisafari anbieten: Der "Giro delle Cime" führt mit Start bei der Talstation der Kabinenbahn in Vierschach durch die Gebiete Helm, Rotwand und Kreuzbergpass bis zum Val Comelico und anschließend wieder zurück. Noch müssen kurze Abschnitte mit dem regelmäßig fahrenden Skibus zurückgelegt werden, doch das wird sich bald ändern. Spätestens in zwei Jahren sollen zwei weitere Gondelbahnen samt Piste und Beschneiung gebaut werden, die die Lifte am Kreuzbergpass mit Val Comelico verbinden und damit eine lückenlose Skirunde von Vierschach im Pustertal bis Padola in der Provinz Belluno ermöglichen. Kostenpunkt: 20 Millionen Euro. Bei diesem Projekt ist kein Widerstand zu erwarten, da diese Region in Belluno als strukturschwach gilt und Projekte im Tourismus hochwillkommen sind. Die Kosten der beiden neuen Bahnen könnten sogar zu 70 Prozent von einen Fördertopf erstattet werden, der wirtschaftlich schwächere Regionen unterstützt.

Im Bild: Auf dem "Giro delle Cime" liftelt man bis nach Padola.

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"Das Gefährliche dabei ist, dass die Verbindung Helm - Rotwand nur der Start einer noch viel größeren Sache ist", warnt Kritiker Hans Peter Stauder vor weiteren Expansions- und Bauplänen, die letztlich sogar eine Verbindung ins Osttiroler Sillian umfassen können. Er sagt: "Das ist für Sexten nicht gut." Dabei schwingt die Befürchtung mit, dass bisher unberührtes Gelände erschlossen wird - und dass die Gäste ins preislich attraktivere Osttirol abwandern könnten. Tatsache ist jedenfalls, dass sich das Pistenangebot langsam der magischen 100-Kilometer-Grenze nähert, die für viele bei der Wahl eines Urlaubsortes so enorm wichtig ist. Dabei ist Größe nicht alles. Das wahre Kapital der Sextner Dolomiten ist die Landschaft - und die Vielseitigkeit.

Denn die Region zwischen Prags, Niederdorf, Toblach, Innichen und Sexten ist nicht nur für Alpinskifahrer interessant. Auch die Langlaufmöglichkeiten sind eine Reise wert, etwa von Sexten ins Fischleintal, mit der einmaligen Kulisse des Zwölfers, oder die Loipe von Toblach nach Cortina d'Ampezzo. Schneeschuhläufer und Skitourengeher finden überall lohnende Ziele und Rodelfreunde können auf abgesicherten Bahnen wie an der Rotwand (im Bild) talwärts schlitteln.

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Nicht nur, aber auch deshalb ist hier in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der Alpinskifahrer zurückgegangen. Ein Trend, der sich mit den neuen Bahnen umkehren soll. Trotz des späten Saisonstartes scheint die Rechnung aufzugehen. Nicht ganz so deutlich ist der Aufschwung bei den Übernachtungen. Bis jetzt kann etwa ein Plus von gut fünf Prozent verbucht werden, wobei vor allem Sexten von den neuen Bahnen profitiert. Nicht alle sind jedoch Gewinner: Die entstandene Skiverbindung zieht natürlich Gäste aus den kleineren abseits gelegenen Gebieten ab. Die am Ortsrand von Innichen startenden Lifte ins Skigebiet Haunold (im Bild) etwa werden seit diesem Winter deutlich weniger frequentiert, was aber zumindest für die Urlauber kein Nachteil sein muss. Wer familienfreundliche Abfahrten ohne Gedränge oder Hektik sucht, ist hier nun noch besser aufgehoben.

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Überhaupt ist Skifahren im Hochpustertal entspannt. Hier gibt es weder lange Anstehzeiten - auch wenn mancher (Teller-)Lift am Helm etwas nostalgisch anmutet - noch überfüllte Pisten. Die überwiegend mittelschweren Abfahrten sind perfekt gewalzt, wobei die beiden neuen Pisten am Stiergarten das Skigebiet deutlich aufwerten - auch wenn sie das Angebot nur um lediglich knapp vier Kilometer erweitern. Die beiden eher sportlichen Strecken variieren zwischen sanften Gleitstrecken und kurzen Steilstücken und werden daher sicherlich nicht nur wegen des Wechsels zwischen Helm und Rotwand befahren. Überaus lohnend, wenn auch eher aus landschaftlichen denn aus sportlichen Gründen, ist die Skisafari "Giro delle Cime" zwischen Rotwand und Padola; ein gut gewachster Ski ist allerdings auf den Flachstücken von Vorteil. Auch ohne sportliche Herausforderung ist es ein Genuss, auf kilometerlangen Skiwegen durch die Berglandschaft zu gleiten.

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Spätestens in Val Comelico trifft man wieder auf großzügige Abfahrten, auf denen man seine Bretter laufen lassen kann. Wobei die Pisten hier wie auch an der Rotwand und am Helm fast etwas zu perfekt ausgebaut sind. Die autobahnähnlichen Abfahrten machen zwar Spaß, aber sie sind sich einfach zu ähnlich. Da freut sich der Könner regelrecht auf das abwechslungsreich kupierte Gelände am Gipfelrücken des Helm mit seinen Kanten und Mulden - hier ist nichts planiert.

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Und auf noch etwas freut man sich im Hochpustertal. Die gastlichen Almen und Hütten sind überall empfehlenswert: wegen der Sonnenterrassen, der guten Südtiroler Küche und dem netten Personal, das stets freundlich bedient. Am schönsten ist die Klammbachalm, die etwas abseits der neuen Piste "Drei Zinnen" steht und nach den Bergbahnen vielleicht am meisten von der neuen Skiverbindung profitiert. Seit zehn Jahren wird die Alm in den Wintermonaten bewirtschaftet, wobei bislang nur wenige Wanderer und Rodler den Weg zu der traumhaft gelegenen Alm fanden. Nur die Hoffnung auf den Bau der neuen Bahnen, von denen aus die Alm mit Skiern gut zu erreichen ist, ließ die Pächter durchhalten. Die Geduld hat sich ausgezahlt, die Besucherzahlen haben sich zur Freude der Wirte vervielfacht.

Hans Peter Stauder dagegen ist enttäuscht: Er sei wegen seines Engagements für die Umwelt zu oft und zu persönlich angefeindet worden - nach 20 Jahren im Sextner Gemeinderat und 25 Jahren Gemeindepolitik tritt er bei den kommenden Wahlen im Mai 2015 nicht mehr an.

Weitere Informationen: Tourismusverband Hochpustertal, www.hochpustertal.info; Ski-Tagespass 45,50 Euro

Ein Teil der Reisekosten des Autors wurde vom Anbieter finanziert.

© SZ.de/kaeb/jobr
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