NSA-Ausschuss:Mysteriöse Reise eines Mobiltelefons

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Patrick Sensburg ist Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
  • Das Verschlüsselungshandy des NSA-Ausschuss-Vorsitzenden Patrick Sensburg wurde auf dem Weg zur Reparatur abgefangen und möglicherweise ausgespäht.
  • Es ist nicht der einzige Fall, in dem der Verdacht aufkommt, die Ausschussmitglieder könnten das Ziel von Spionageattacken sein. Ob Geheimdienste damit etwas zu tun haben, ist unklar.
  • Hinter den Aktionen könnte womöglich das Kalkül der Geheimdienste stehen, den Ausschuss zu diskreditieren und eine weitere Aufarbeitung zu verhindern.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Irgendwo zwischen Bonn und Berlin muss das DHL-Paket abgefangen worden sein. Empfänger-Adresse: das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), 53113 Bonn. Es ist eine heikle Fracht, die sich in dem verplombten Behälter befindet. Ein Blackberry Z30. Ausgestattet mit einem Krypto-Chip der Düsseldorfer Firma Secusmart, das verschlüsselte Kommunikation ermöglicht. Gesamtkosten etwa 2000 Euro pro Telefon. Es ist das Gerät, mit dem von der Kanzlerin über die Bundesminister bis zu den Abgeordnete alle Bundespolitiker telefonieren sollen, die mit geheimen Dingen zu tun haben.

Irgendjemand hat das Paket wohl abgefangen, aufgebrochen und wieder auf seine Reise nach Bonn geschickt, wie zuerst die Welt berichtete. Interesse dürfte die Person vor allem an den verschlüsselten Handy-Daten gehabt haben. Noch ist nicht sicher, ob sie ausgelesen werden konnten. Das BSI in Bonn wird das Telefon jetzt untersuchen. Das kann Wochen dauern. Die Bundestagsverwaltung hat Anzeige gegen unbekannt erstattet.

Das Handy hatte Macken und sollte repariert werden

Der Besitzer des Telefons ist Patrick Sensburg. Er hatte im Februar bemerkt, dass sein Handy Macken hat, und es deshalb zum BSI schicken lassen. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, der die von Edward Snowden ausgelöste weltweite Geheimdienstaffäre aufklären soll. Im Ausschuss geht es nicht allein um den US-amerikanischen Militär-Geheimdienst, die National Security Agency (NSA), sondern um alle mit der NSA befreundeten Geheimdienste, auch den Bundesnachrichtendienst (BND).

Dass Sensburg ein mögliches Zielobjekt darstellt, steht außer Frage. Über seinen Schreibtisch wandern diverse geheime Akten der Dienste. Einige Inhalte könnten auch in seinem Blackberry zu finden sein. Das gilt auch für die anderen Ausschussmitglieder. Der Ausschussvorsitzende und die Obleute sind mit Krypto-Handys ausgestattet worden. Im Kontakt mit Journalisten achten die Abgeordneten und deren Mitarbeiter penibel auf verschlüsselte Kommunikation.

Soll der NSA-Ausschuss diskreditiert werden?

Sensburg selbst hält es für unwahrscheinlich, dass ein Geheimdienst hinter der dem geöffneten Sicherheitsbehälter stecken könnte. Dafür sei das dann doch zu "plump" gewesen, sagt er der Süddeutschen Zeitung. Sensible Daten seien nicht auf dem Handy gewesen. Für Konstantin von Notz, Obmann der Grünen, ist das Ganze eine "merkwürdige Geschichte", die vom "Skandal der deutschen Beteiligung an der weltweiten Massendatenerfassung eher ablenkt".

Den Geheimdiensten schmeckt überhaupt nicht, mit welcher Vehemenz die Deutschen die Aufklärung betreiben. Gerade die Briten würden am liebsten alles unter dem Tisch lassen. Erst kürzlich sollen sie in einem Brief gewarnt haben, die Zusammenarbeit mit dem BND einzustellen, sollten Operationen ihres Geheimdienstes GCHQ im Ausschuss thematisiert werden.

Pikant ist, dass über ein Geheimtreffen der Obleute mit BND und Bundesregierung zu dem Brief umgehend Journalisten informiert wurden. Die Obleute sind sich sicher, dass das nicht aus ihren Reihen kam. Manche vermuten, der BND selbst habe die Infos weitergegeben, um den Druck auf den Ausschuss zu erhöhen. So gesehen würde auch die Handy-Paket-Geschichte ins Bild passen: Wenn geheime Informationen von Ausschuss-Mitgliedern nicht geschützt werden können - dann darf der Ausschuss keine Informationen mehr bekommen. Das wäre im Sinne aller beteiligten Geheimdienste - vom NSA über den BND bis hin zum britischen GCHQ.

Britischer Abhördienst
:Die Geheimnisse des GCHQ

Ein Brief aus London löst in Berlin eine Krisensitzung nach der anderen aus: Der NSA-Ausschuss dürfe nichts über die Zusammenarbeit von Bundesnachrichtendienst und dem britischen GCHQ erfahren - sonst werde die Kooperation drastisch reduziert.

Von Georg Mascolo

Die Geheimdienste kämpfen mit allen Mitteln, um möglichst wenig preiszugeben

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Ausschuss-Mitglied den Verdacht hat, dass sein Handy ausgespäht werden könnte. Roderich Kiesewetter, bis zum ersten März Obmann der Union im NSA-Ausschuss, hatte im Sommer 2014 bemerkt, dass sein Kryptohandy Zicken macht. Auch er hat es dem BSI zur Prüfung überlassen. Die Bonner Spezialisten konnten allerdings nichts finden.

Kiesewetter hat sein Amt zurückgegeben. Wohl auch deshalb, weil BND-Mitarbeiter in seinem Umfeld platziert waren. Das mögen alles Zufälle sein. Aber sicher ist: Die Geheimdienste kämpfen mit allen Mitteln, um möglichst wenig von dem, was sie tun, im Ausschuss preisgeben zu müssen.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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