Gewinnwarnungen von Unternehmen:Sorry, wir schaffen's nicht

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  • Immer mehr börsennotierte, deutsche Unternehmen sind zu optimistisch: Sie stecken ihre Gewinnprognose zu hoch und können sie später nicht einhalten, zeigt eine Untersuchung.
  • Grund dafür ist einerseits, dass die Konzerne nicht mehr so gut planen. Andererseits gibt es Einflüsse, auf die Manager keinen Einfluss haben.

Von Jan Willmroth, München

Bis zur dritten großen Enttäuschung dauerte es nicht einmal drei Monate. Im Juni war Hessens ehemaliger Ministerpräsident Roland Koch noch Chef des Baudienstleisters Bilfinger, als dieser die Investoren zum ersten Mal mit der Warnung verschreckte, das Unternehmen werde seine Gewinnziele für das Geschäftsjahr 2014 nicht einhalten. Es folgte Kochs Ablösung, der ehemalige Chef Herbert Bodner übernahm dessen Stuhl bis auf Weiteres - und musste innerhalb eines Monats gleich zweimal mit neuen schlechten Nachrichten nachlegen. Anfang September verschickte der Konzern die dritte Gewinnwarnung.

Danach war Bilfinger ein gutes Drittel weniger wert als im Frühjahr.

Können die Unternehmen nicht mehr so gut planen?

Nun ist es nicht der Normalfall, wenn ein börsennotiertes Unternehmen in so kurzer Zeit gleich mehrfach seine Gewinnprognosen kassieren muss. Doch Bilfinger steht damit nicht allein. Einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) zufolge verfehlen immer mehr börsennotierte deutsche Unternehmen ihre Prognosen. Die im Prime Standard gelisteten Firmen - dem Börsensegment mit den strengsten Transparenzpflichten - gaben im vergangenen Jahr 92 Gewinn- oder Umsatzwarnungen heraus, im Schnitt kürzten sie ihre Prognose um 89 Prozent. Im Vergleich zu 2011 stieg die Zahl der nicht eingehaltenen Vorhersagen um mehr als vier Fünftel.

Können die Unternehmen nicht mehr so gut planen, oder sind es externe Krisen, auf die kein Manager wirklich Einfluss hat, die den Konzernen das Geschäft vermiesen?

(Foto: SZ-Grafik)

Beides ist richtig, meinen die Kapitalmarktexperten von EY - wobei die externen Schocks überwiegen. Gerade 2014 war ein Jahr der Unsicherheit: Die Ukraine-Krise entwickelte sich zum Krieg, die USA und die EU verschärften mehrfach ihre Sanktionen gegen Russland, der Ölpreis halbierte sich, massive Währungsschwankungen warfen so manche Planung durcheinander. "Nicht alle Unternehmen waren darauf angemessen vorbereitet", sagt Bernd Richter, Partner bei EY. "Unordnung, Instabilität und Volatilität sind heute nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Boom-Phasen und Konjunktureinbrüche wechseln sich immer häufiger ab."

Offenbar haben einige Unternehmen aber auch ihre hausgemachten Probleme nicht richtig bemessen. Sparmaßnahmen und sogenannte Restrukturierungen zum Beispiel kosten zunächst einmal Geld - ein Effekt, den manche Firmen unterschätzten: Auf Platz zwei der Gründe für die verfehlten Gewinnziele stehen Schwierigkeiten bei internen Abläufen und "außerplanmäßige Kostensteigerungen".

Solche Begründungen schreiben Unternehmen in ihre Ad-hoc-Mitteilungen. So heißen im Börsenjargon Nachrichten, die ein Unternehmen unverzüglich (ad-hoc) veröffentlichen muss, sobald sie bekannt werden. Dazu gehören auch Gewinnwarnungen: Sobald das Management abschätzen kann, dass der angestrebte Gewinn nicht erreicht werden kann, müssen es auch die Investoren erfahren. Das soll Insidergeschäften vorbeugen.

"Viele Unternehmen zu optimistisch"

Das Gegenstück zur Gewinnwarnung ist die Gewinnerwartung, eine Anhebung der Prognose. Deren Zahl lag zuletzt 2011 höher als die der gekürzten Vorhersagen. In den Folgejahren gaben die deutschen Börsenunternehmen immer mehr Warnungen heraus, während die Zahl der Gewinnerwartungen stagnierte. "Das zeigt, dass viele Unternehmen bei ihren Planungen zu optimistisch sind", sagt Martin Steinbach, der bei EY die Abteilung für Börsengänge leitet. Dieser Optimismus räche sich, wenn die Unternehmen zugeben müssten, ihre Ziele zu verfehlen. Die Investoren bestrafen das Unternehmen in der Regel mit Anteilsverkäufen: Im Schnitt lag der Aktienkurs eine Woche nach der Gewinnwarnung um neun Prozent niedriger.

Während der vergangenen vier Jahre gaben 43 Prozent der Unternehmen mindestens eine Gewinnwarnung heraus. Besonders häufig waren Firmen aus dem TecDax dabei, deren Geschäft stärker von Trends, Innovationen und der Konjunktur abhängt. Aber auch Dax-Konzerne mussten ihre Prognosen immer häufiger korrigieren. Zwar können sich große Firmen auch größere Abteilungen leisten, die Prognosen erarbeiten - doch je internationaler und komplexer das Geschäft, desto schwieriger lassen sich Gewinne auch abschätzen. Und kommt dann noch ein großer Umbau wie bei Bilfinger hinzu, wird es noch wahrscheinlicher, auch einmal gründlich daneben zu liegen.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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