Verleumdung im Internet:Mann nach erfundenem Facebook-Eintrag fast totgetreten

  • Von einem erfundenen Facebook-Eintrag lässt sich ein Mann dazu anstacheln, einen Anderen zu überfallen und ihn halb tot zu treten.
  • Ein 18-Jähriger hatte geschrieben, das spätere Opfer habe sich an einem kleinen Mädchen vergangen.
  • Der Gewalttäter wird zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Autor des Facebook-Eintrags kommt vermutlich straffrei davon.

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Wer das da auf Facebook geschrieben hat, wusste der 29-Jährige nicht. Ein Facebook-Freund halt, muss man ja nicht persönlich kennen. Aber was dieser Freund geschrieben hatte, das klang für ihn offenbar so, als könne man das schon glauben: dass nämlich ein 23 Jahre alter Mann aus Rothenburg ob der Tauber angeblich pädophile Neigungen an den Tag lege. Und sich mit vierjährigen Mädchen sehen lasse, öffentlich und schamlos und in eindeutiger Pose. Und weil dem 29-Jährigen das alles plausibel erschien oder erscheinen wollte, machte er sich von Erlangen aus auf den Weg nach Rothenburg. Und trat dort den 23-Jährigen fast tot.

Warum der 18-Jährige den Facebook-Eintrag veröffentlichte

Das Urteil gegen den 29-Jährigen ist inzwischen rechtskräftig. Am Amtsgericht Ansbach wurde er unter anderem wegen Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt. Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass er seine Tat - unter anderem hatte er auf den Kopf seines Opfers eingetreten wie gegen einen Fußball - in großen Teilen eingeräumt hatte. Es hatte da ein paar alte Rechnungen gegeben mit dem 23-Jährigen. Und der Facebook-Vorwurf gegen seinen alten Bekannten passte ihm da wohl ganz gut in den Kram.

Vier Jahre Haft also für einen Mann, der aufgrund eines im Internet verbreiten Gerüchts einen anderen so zurichtet, dass ein Gutachter von einer "konkreten Lebensgefahr" ausgeht. Was aber wird aus seinem 18-jährigen Facebook-Freund, der diese Behauptungen aufgestellt hat? Er war als Zeuge vor Gericht geladen und räumte dort ein, dass er das Zeug, das er da auf Facebook verzapfte, frei erfunden hat. Es war mitten in der Nacht, er sei angetrunken gewesen. Nichts davon, was er geschrieben hatte, stimmte: Es gab kein vierjähriges Mädchen, mit dem er den 23-Jährigen gesehen hat. Und es gab also auch keine verfänglichen Situationen, die er hätte beobachten können. Alles Lüge.

Warum der Schreiber vermutlich ohne Strafe davonkommt

Zweifellos habe sich der 18-Jährige damit strafbar gemacht, sagt Oberstaatsanwalt Alfred Huber. Mit großer Wahrscheinlichkeit aber wird er ohne jede Strafe davonkommen. Denn der Facebook-Schreiber hat seine Lügen zwar mit dem Wunsch flankiert, es möge sich doch einer finden, der dem Mann aus Rothenburg mal eine ordentliche Abreibung verpasst. Konkret genug für eine Anklage wegen einer Anstiftung zur Straftat sei der Wunsch aber nicht gewesen, sagt Huber. Das Internet ist voll von derartigem Geschwätz und Kraftmeierei, für den Tatbestand der Anstiftung reiche das in den seltensten Fällen aus.

Eine Verleumdung dagegen war die Tat des 18-Jährigen zweifelsohne. Die könnte die Staatsanwaltschaft dann verfolgen, wenn er sie der Polizei gegenüber geäußert hätte. Aber der 18-Jährige hat seine Lügen im Internet verbreitet und da brauchen Ermittler einen Strafantrag des Opfers, in dem Fall des fast zu Tode gekommenen 23-Jährigen. Der aber hat keinen solchen gestellt.

Drei Monate Zeit hätte er dafür, von dem Moment an, von dem an er über den Täter Bescheid weiß. Weil es den Anschein hatte, der 23-Jährige habe überhaupt erst im Gerichtssaal realisiert, dass sein Peiniger wegen Facebook-Lügen nach Rothenburg aufgebrochen war, ist diese Frist wohl noch nicht abgelaufen. "Theoretisch", sagt Staatsanwalt Huber. Konkret habe sich der Geschädigte bereits festgelegt, keinen Strafantrag stellen zu wollen. Kein Interesse. Also keine Strafe.

Welchen sozialen Hintergrund die Beteiligten haben

Der 23-Jährige hat auch zu erkennen gegeben, er kenne den Mann, der ihn da angeschwärzt hat, gar nicht. Nie gesehen. Der 18-jährige Schreiber dagegen behauptet, er kenne den Geschädigten schon. Ein bisschen zumindest: Dieser halte sich stark alkoholisiert häufig am Rothenburger Bahnhof auf, offenkundig ohne Arbeit.

Der 29-jährige Täter ist ebenfalls ohne Arbeit, mit dem 23-Jährigen war er schon etliche Male aneinandergeraten. Der schlimmste Exzess aber folgte, als er im Mai 2014 die Einträge auf Facebook las. Da stieg er am nächsten Tag in den Zug und nahm, stark alkoholisiert, ein Klappmesser mit nach Rothenburg. Das stieß er dem 23-Jährigen nach einer Rangelei in die Brust. Danach trat er ihm noch dreimal gegen den Kopf, ließ dann ab und rief ihm hinterher, er werde zurückkommen und ihn umbringen. Weil er noch mehr verdient habe. So hat es ein Zeuge geschildert.

Seine Lügen hatte der 18-Jährige erstmals am 14. Mai 2014 kurz vor vier Uhr in der Früh verbreitet. Er schrieb: "Vorgestern ist der Spast den ganzen Tag vollbesoffen mit irgend so einem Mädel durch die Stadt geloffen. Die war allerhöchstens vier oder fünf, eher noch jünger." Das Mädchen habe gerade erst richtig sprechen und gehen gelernt. "Die ist immer an seiner Hand gegangen oder auf seinem Schoß gehockt." Eine Minute später schrieb er: "Ich hab das ehrlich gesagt nie geglaubt, dass er auf kleine Kinder steht und schon mindestens fünf ins Obdachlosenheim verschleppt und missbraucht hat." 20 Minuten später: "Ich bitte dich, dass du dafür sorgst, dass diesen pädophilen Pisser endlich irgendjemand nen gescheiten Denkzettel verpasst oder ihn endgültig kaltmacht." Weitere sieben Minuten später: "Ist echt unfassbar, dass so jemand frei rumläuft."

Es gab und gibt keinerlei Hinweise darauf, dass der 23-Jährige pädophile Neigungen habe, sagt die Direktorin des Ansbacher Amtsgerichts, Gudrun Lehnberger. Zu befürchten aber bleibe, dass dem 23-Jährigen die gegen ihn in die Welt gesetzten Lügen weiter zu schaffen machen, sagt sie. Denn wegen einer anderen Sache befindet er sich derzeit in Untersuchungshaft. Und da, sagt Lehnberger, rangierten Häftlinge, die sich Pädophilie-Vorwürfen ausgesetzt sehen, "auf unterster Ebene".

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