Krise beim VfB Stuttgart:Es zieht im Häusle

1899 Hoffenheim v VfB Stuttgart - Bundesliga

Wie lange sitzen sie noch gemeinsam auf der Bank?Huub Stevens und Robin Dutt stehen vor einem schweren Spiel gegen Hertha.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der VfB Stuttgart steht im Spiel gegen Hertha enorm unter Druck - Sportdirektor Dutt muss Löcher fliecken.
  • Trainer Huub Stevens könnte bald seinen Job verlieren - kommt bald Alexander Zorniger?

Von Christof Kneer

Robin Dutt weiß nicht genau, was er geantwortet hätte, falls ihn in dieser Woche jemand gefragt hätte, ob Otto Rehhagel neuer Trainer beim VfB Stuttgart wird. Obwohl: Er weiß es eigentlich schon. Robin Dutt hätte auf diese Frage dieselbe Antwort gegeben wie auf die Frage, ob vielleicht doch eher Barack Obama Trainer wird oder der Papst oder Gerhard Mayer-Vorfelder.

Dutt hätte erst geschmunzelt und dann gesagt, dass das alles Spekulationen seien und dass man Spekulationen nicht kommentiere. Je nach Laune hätte er vielleicht noch angefügt, dass manche Spekulationen bloß Spekulationen seien, andere hingegen durchaus Fakten enthielten. Dann hätte er am nächsten Tag die Zeitungen aufgeschlagen oder ins Internet geschaut, und da hätte es dann geheißen: Papst ante portas! Dutt schließt nichts aus! Und natürlich, der Lieblingssatz aller Reporter: Ein Dementi sieht anders aus!

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Das nächste Endspiel? Huub Stevens (r.) braucht am Freitag einen Sieg gegen Hertha BSC - sonst könnte bald schon ein Nachfolger den VfB trainieren.

(Foto: imago)

Robin Dutt, 50, hat eine schwierige Woche hinter sich. Die Öffentlichkeit findet, dass es zu seinem Job gehört, sich viele Fragen anzuhören, und er findet, dass es zu seinem Job gehört, keine dieser Fragen zu beantworten. Wird Trainer Huub Stevens entlassen, wenn der VfB an diesem Freitag das sogenannte Abstiegs-Endspiel gegen Hertha nicht gewinnt? Falls ja: Kommt dann Alexander Zorniger? Falls nein: Wird Zorniger dann wenigstens im Sommer Stevens' Nachfolger, in welcher Liga auch immer?

Am 6. Januar 2015 hat Dutt seinen Job als Sportvorstand beim VfB Stuttgart angetreten, aber er hat schnell gemerkt, wo er da hingeraten ist. Er ist bei einem Verein, der ihn das, was er am liebsten machen würde, nicht machen lässt. Dutt geht es da wie dem Kollegen Peter Knäbel beim Hamburger SV, beide glauben an Papier und an die Konzepte, die darauf verfasst werden, aber beide sind bei Klubs gelandet, die für Konzepte gerade gar keine Zeit haben.

Beide fühlen sich wie Architekten, die schaffe, schaffe und das Häusle nach den neuesten Trends umbauen wollen, aber erst mal feststellen müssen, dass es überall zieht und reinregnet. Dutt hätte am liebsten erst im Sommer angefangen in Stuttgart, aber das stand nie zur Debatte, weil der VfB schon im Winter einen Nachfolger für Fredi Bobic gebraucht hat. Zunächst hatte diesen Jochen Schneider ersetzt, ein langjähriges Führungsmitglied, das laut Medienberichten vom Donnerstagabend den Klub zum Saisonende verlassen will. Dutt muss also wie der HSV-Kollege Knäbel überall Löcher flicken, und er begreift gerade, dass manche Löcher kaum zu flicken sind.

"Bis auf die Doping-Geschichte war die Woche ganz normal für einen Tabellenletzten", sagt Dutt mit jener Art Tapferkeit, die man als Angestellter des VfB braucht. Zu den Doping-Gerüchten der Siebziger- und Achtzigerjahre ist er natürlich auch gefragt worden, er hat eine seltsame Antwort gegeben (Tenor: Doping im Fußball bringt nix), überhaupt kam er in dieser Woche nicht so gut weg. In der Trainerfrage hat er so beredt nichts gesagt, dass die Fragesteller das unfreiwillig komisch fanden, aber mit diesem Urteil kann Dutt leben.

Die Krux mit der Tradition

Er wolle "den Teufelskreis eines Traditionsvereins durchbrechen", sagt Dutt und meint damit etwas, was auch der Kollege Knäbel in Hamburg erlebt: dass sog. Traditionsklubs sog. Umfelder besitzen, die viele schöne Dinge sagen, wovon die schönsten bei den Medien landen. Auch der Plan, sich im Winter womöglich vom Manager Bobic zu trennen, ist ja im Herbst so zielsicher nach außen durchgestochen worden, dass Bobic schon am Tag der Veröffentlichung nicht mehr zu halten war.

Er war mit dem Team zum Spiel nach Dortmund gereist und musste von dort unter erheblicher Anteilnahme der Medien wieder nach Hause fahren. Um solche Peinlichkeiten künftig zu vermeiden, nimmt Dutt auch in Kauf, dass die Leute über seine Aussagen den Kopf schütteln: "Es gibt Dinge, die gehen die Öffentlichkeit nichts an", sagt er, "ich will mir nicht in den Kopf schauen lassen. Ich weiß zwar, dass dann trotzdem spekuliert wird, aber es soll wenigstens niemand was reininterpretieren können."

Deshalb hat Dutt nach dem 1:1 in Hannover in Rätseln geredet, obwohl er da schon wusste, dass Stevens auch gegen Hertha auf der Bank sitzen würde. Dutt weiß, dass seine Sätze Raum für Notizen lassen, er muss damit leben, dass die Öffentlichkeit daraus auch mangelndes Vertrauen in den Trainer ableiten kann. "Aber meine Beobachtung ist, dass die Manager am besten fahren, die sich bei solchen Fragen zurückhalten", sagt er, "sonst werden nur jedes Wochenende die Aussagen verglichen."

Zorniger als Stevens-Nachfolger beim VfB Stuttgart

Er war beim VfB schon mal Co-Trainer, im Jahr 2009, unter Markus Babbel: Alexander Zorniger, 47. Jetzt gilt er als Kandidat für den Chefposten.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Man kann von Dutt erst recht keine Antwort erwarten, wenn man nach möglichen Stevens-Nachfolgern fragt, aber so wie es aussieht, ist eine Antwort auch gar nicht mehr nötig: Es gehört inzwischen zum Allgemeinwissen der Branche, dass sich die VfB-Verantwortlichen den Schwaben Alexander Zorniger gut als Trainer für die neue Saison vorstellen können, aber falls Stevens' Elf gegen Hertha kein Sieg gelingt, nun, dann würde die neue Saison womöglich schon früher beginnen: Zorniger könnte sofort übernehmen. Zwar soll der VfB für den Sommer auch die Option Ralph Hasenhüttl geprüft haben, aber vom Zweitliga-Tabellenführer aus Ingolstadt kam offenbar schnell das Signal: keine Chance.

"Vielleicht sogar spätestens ab der neuen Saison" werde dieser Zorniger Trainer beim VfB, das hat Leipzigs Sportchef Ralf Rangnick vor ein paar Tagen gesagt, und das gab natürlich eine schöne Schlagzeile, weil Zorniger ja bis vor kurzem noch Trainer in Leipzig war. Robin Dutt hat daraufhin ausnahmsweise etwas gesagt, "respektlos" fand er Rangnicks Einmischung in die Hauspolitik des VfB, was Rangnick am Donnerstag erneut konterte. "Wenn sich Robin Dutt darüber aufregt", meinte Rangnick, dann zeige das nur, "dass momentan das Nervenkostüm relativ blank liegt".

Robin Dutt würde das nicht so stehen lassen. Sein Plan ist es, defensiv zu sein, wenn einer von außen nach den Geschäftsgeheimnissen forscht, aber offensiv zu sein, wenn der VfB öffentlich angegriffen wird. Es ist ein ambitionierter Plan, den Teufelskreis eines Traditionsvereins zu durchbrechen, aber es könnte sein, dass Dutt dem Plan schon am Wochenende untreu werden muss. Denn zum Teufelskreis eines Traditionsklubs gehört es ja auch, dass dauernd Trainer entlassen werden.

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