Redaktionsschließung der "Münchener Post":Die Welt hörte sie nicht

SA-Männer vor dem Redaktionsgebäude der Münchener Post während der Machtergreifung 1933

"Das Blut tropft von den Händen der Nazipartei": Die Münchener Post brachte Hitler gegen sich auf. Die Gestapo stürmte 1933 die Redaktion.

(Foto: SZ Photo)
  • Die Redakteure der Münchener Post gehörten zu den ersten, die vorhersahen, welcher Abgrund sich mit Adolf Hitlers Aufstieg auftun würde.
  • Die Attacken trafen Hitler stark. Er ließ die Zeitung im März 1933 verbieten und die Redakteure verhaften.
  • Produzent Oliver Berben verfilmt nun die Geschichte des demokratischen Blatts. Damit will er den Nazi-Gegnern der ersten Stunde ein Denkmal setzen.

Von Joachim Käppner

In der Rückschau ist es gespenstisch, wie präzise manche Deutsche all das Übel vorhersahen, das der Nationalsozialismus über das eigene Land und dessen Nachbarn bringen würde. In der traurigen Abenddämmerung der Weimarer Republik mochten Millionen den Nazis hinterherlaufen, die konservativen sogenannten Eliten sich vorgaukeln, die Hitlerbewegung für die eigenen Zwecke nutzen zu können, und selbst einige Demokraten die Gefahr unterschätzen.

Aber es gab auch die anderen in dieser Republik, die dann doch nicht ganz ohne Republikaner war, wie man nachher sagte; viele von ihnen zahlten später einen hohen Preis für ihren Kampf gegen die heraufziehende Bedrohung, gegen "die braune Pest", wie der katholische Münchner Publizist Fritz Gerlich, der "Feuerkopf" und Herausgeber der Zeitung Der gerade Weg, die NSDAP nannte.

Hitler biss zurück gegen die "Münchner Pest"

Der 1934 im Konzentrationslager Dachau ermordete Publizist stand mit seinem Furor wider die Nazis nicht allein. Zu deren schärfsten Gegnern gehörte die Münchener Post, eine sozialdemokratisch orientierte, entschieden demokratische Zeitung. Heute fast vergessen, verfolgten und kritisierten ihre Autoren den Aufstieg Adolf Hitlers aus dem dumpf-völkischen Milieu der örtlichen Bierschwemmen in höhere Kreise der bayerischen und dann der reichsweiten Politik. Hitler, der die Feinde der frühen Tage nie vergaß, biss zurück gegen die "Münchener Pest" und die "Giftküche", die Lügen und Unterstellungen gegen ihn verbreite. München, Brutstätte der Nazibewegung, war ein Mikrokosmos, man kannte sich.

Eines gab Hitlers Hass eine besondere Schärfe: Als ihm noch nicht die Massen zujubelten und er unter heftigen Komplexen litt, trafen ihn die Attacken der Münchener Post besonders hart - weil sie meistens stimmten. Hitlers schwache Seite hatten die Journalisten nämlich bald erkannt: seine frühe Karriere als im Leben Gescheiterter, ein kleiner Mann, der sich zu Großem berufen fühlt und seine Minderwertigkeitsgefühle bekämpft, indem er die Juden, die Demokraten, das System oder wen auch immer dafür verantwortlich macht.

Die Gestapo verwüstete die Redaktion

Die Post hielt ihm die eigene Gemeinheit fast täglich vor Augen. Für die Nazis gehörte das Blatt zu den Speerspitzen der "Systempresse" - ein Begriff, an den nicht zufällig die heutigen Schmähungen rechter und linker Wirrköpfe oder anderer Obskuranten gegen "die Medien", "das System" oder "die Lügenpresse" erinnern.

Als der Münchner Filmproduzent Oliver Berben vor einer Weile Ron Rosenbaums Buch" Explaining Hitler" (Hitler erklären) las, faszinierte ihn die Geschichte der "Giftküche" ganz besonders. Eine kleine Redaktion am Altheimer Eck 19 in der Münchner Altstadt bekämpft die Nazis - und denen, sagt Berben, "hat das mehr zugesetzt als alle Kritik in den bürgerlichen Feuilletons": Die 1888 gegründete Münchener Post richtete sich auch an die Arbeiter, war volkstümlich, boulevardesk und beliebt. Sie verkaufte in den frühen Zwanzigerjahren beachtliche 60 000 Exemplare.

Berben, den die deutsche Zeitgeschichte von jeher als Thema reizt (er verfilmte das Leben der Familie Krupp), ist "erstaunt, wie wenig diese Zeitung bis heute bekannt ist". Er will den Antinazis der ersten Stunde jetzt ein Denkmal setzen. Bei seiner Constantin-Film heißt das Projekt "Giftküche", angelegt ist es als Serie für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Noch steht Berben am Anfang und wünscht sich den bekannten Münchner Autor Friedrich Ani als Autor des Drehbuchs.

"Hitler, was hast Du getan?"

In der frühen Bundesrepublik bezeichneten konservative Hagestolze eine Zeitung, die sich liberale Ansichten erlaubte, gern als "linkes Kampfblatt". Die Münchener Post war wirklich eines. Es kämpfte mit harten Bandagen, manchmal brutal. In der Nazipartei, die nach außen ein Idealbild der blonden deutschen Familie propagierte, gab es zahlreiche Homosexuelle, zum Beispiel den Chef der Schlägertruppe SA, Ernst Röhm. Die Münchener Post legte das Band der "warmen Bruderschaft" offen, wie sie wenig tolerant schrieb, homosexuelle Beziehungen waren in der Weimarer Republik noch verboten.

Adolf Hitler hing emotional stark an seiner Nichte Geli Raubal, die möglicherweise seine Geliebte war; 1931 erschoss sie sich mit seiner Pistole. Die Enthüllungsstorys in der Münchener Post, die den Tod der jungen Frau direkt Hitler anlastete, sollen ihn zeitweise an Selbstmord haben denken lassen.

Die Reporter widmeten sich besonders den rechten Fememorden in Bayern. "Hitler, was hast Du getan?" titelten sie in ihrer Zeitung, als SA-Schläger einen Mann aus den eigenen Reihen umbrachten, der angeblich von der Parteilinie abwich; ein andermal hieß es: "Das Blut tropft von den Händen der Nazipartei".

Die Nazis nahmen Rache

Dies ist die Geschichte einer Tragödie, so hat es Ron Rosenbaum schon beschrieben: Die Redakteure der Münchener Post wie Martin Gruber gehörten zu den ersten, die vorhersahen, welcher Abgrund sich mit Hitlers Aufstieg auftun würde - aber zu wenige wollten etwas davon wissen. "Die Welt hat sie nicht gehört", schrieb Rosenbaum in seinem Buch.

Schon während des gescheiterten Hitlerputsches im November 1923 nahmen die Nazis Rache. Während die Landespolizei den braunen Aufmarsch vor der Feldherrnhalle zusammenschoss, verwüsteten rechte Schläger die Redaktionsräume der Münchener Post; Bayerns Rechtsregierung unter Gustav von Kahr verbot die Zeitung wochenlang, so als habe sie die Übel, von denen sie täglich berichtete, selbst in die Welt gebracht.

In Wahrheit ging es darum, die Verbindung zwischen Hitler, Regierungskreisen und Prominenz der bayerischen Industrie nicht zu öffentlich werden zu lassen, denn genau diese Netzwerke der "Geldgeber des Herrn Hitler" wurden fast täglich in der Münchener Post angeprangert.

München in den Zwanzigern, das war ja nicht nur die frühere Stadt der schönen Künste, in der nun SA-Kolonnen im Hofbräuhaus antisemitische Lieder grölten und über die der Schriftsteller Oskar Maria Graf schrieb: "Unsere Stadt ist in jeder Weise finster. München ist seit langer Zeit sozusagen auf den Hund gekommen." Auch hier gab es die "Roaring Twenties", und mittendrin waren die radikalen Demokraten der Münchener Post. "An dieses andere München möchte ich erinnern", sagt Produzent Oliver Berben, "an die Künstler, die kreativen Schwärmer, die radikalen Demokraten, die Weltverbesserer. Da hat hier das pure Leben gepocht - für viel zu kurze Zeit."

Die Redakteure wurden verhaftet

Im Mittelpunkt des Films werden die vier wichtigsten Journalisten der Münchener Post stehen. Es war ein Kampf, den sie nicht gewinnen konnten und den sie dennoch fortsetzten, bis am 9. März 1933, bald nach der letzten Reichstagswahl, ein Prügelkommando der Nazis am Altheimer Eck auftauchte, die Redaktion verwüstete und Schreibmaschinen aus dem Fenster warf. Die Zeitung wurde verboten, die Redakteure wurden verhaftet. Wenige Tage zuvor hatte sie noch getitelt: "Wir lassen uns nicht einschüchtern!"

Redakteur Erhard Auer verbrachte Monate im Gefängnis und erhielt Berufsverbot. Schwer krank starb er Anfang 1945. Einer seiner Kollegen tauchte unter: Edmund Goldschagg. Während der Nazizeit erhielt er Berufsverbot, seine Familie versteckte eine verfolgte Jüdin. 1945 erhielt er die Lizenz für die Süddeutsche Zeitung und wurde ihr erster Chefredakteur. Zu deren Gründervätern gehörten, wie sich in jüngster Zeit durch Forschungen von Knud von Harbou und anderen erwies, auch einige mit übler Nazivergangenheit, von der sie selbstredend nichts mehr wissen wollten.

Goldschagg brachte ein anderes Erbe mit. Im Fragebogen für den Lizenzantrag schrieb er: "Aufgabe der deutschen Presse ist vor allem die Erziehung des deutschen Volkes zu einer demokratischen Weltanschauung . . . , zur Bekämpfung des militaristischen Geistes, wie er im deutschen Volke tief verwurzelt ist und von dem Nationalsozialismus noch besonders groß erzogen wurde."

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