Streit um Reparationen:Linke hält Athens Ansprüche für berechtigt

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  • Die Linken halten eine von Athen ins Spiel gebrachte Rückzahlung eines griechischen Zwangskredits an Nazi-Deutschland von 1942 für berechtigt.
  • Auch für Experten sind die Forderungen Athens nicht völlig unbegründet.
  • Die Bundesregierung lehnt Entschädigungen hingegen kategorisch ab - und verweist dabei auf eine frühere Wiedergutmachung sowie Verträge.
  • Griechenland hatte den Ton in dem Streit zuletzt deutlich verschärft - und Berlin mit Enteignungen gedroht.

Riexinger für Rückzahlung von NS-Zwangskredit

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger sieht eine von Athen erneut ins Spiel gebrachte Rückzahlung eines griechischen Zwangskredits an Nazi-Deutschland von 1942 als berechtigt an. Die von der deutschen Besatzungsmacht eingeforderte Zwangsanleihe müsse "auf alle Fälle" zurückgezahlt werden, sagte Riexinger im "Morgenmagazin" der ARD. "Das verjährt auch nicht. Das ist ein Kredit, der zurückgezahlt werden muss. Da haben die Griechen recht", erklärte er.

"Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung in Griechenland wäre man gut beraten, die ganze Sache nicht so harsch zurückzuweisen", erklärte Riexinger. Er riet der Bundesregierung, "sich auf den Weg des Dialogs, der Verständigung und des Rechts zu begeben".

Athen erhöht Druck in der Reparationsfrage

Im Streit um Reparationen und Entschädigungen hatte Griechenlands Justizminister Nikos Paraskevopoulos Berlin am Mittwoch mit der Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland gedroht. Ähnliche Forderungen waren im Jahr 2000 schon einmal erhoben, aber vom damaligen griechischen Justizminister gestoppt worden ( mehr dazu hier).

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Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis forderte im französischen Fernsehsender France 24 eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Schulden. Er werde in Nordeuropa oft gefragt, wann Griechenland seine Schulden zurückzahle. Dann müsse dies aber für "alle Arten von Schulden, besonders die mit historischer Bedeutung belasteten" gelten, sagte er.

Das griechische Parlament hatte am Dienstagabend einen Ausschuss einberufen, der Reparationsforderungen erneut prüfen soll. Regierungschef Alexis Tsipras kritisierte Deutschlands Verhalten harsch. Seit der Wiedervereinigung hätten deutsche Regierungen mit Schweigen, juristischen Tricks und Verzögerung auf griechische Forderungen reagiert.

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Berlin lehnt Entschädigungen kategorisch ab

Die Bundesregierung sieht die Reparationenfrage als erledigt an. Deutschland verweist dabei zum einen auf ein "Globalentschädigungsabkommen", das es Ende der Fünfzigerjahre mit zwölf westlichen Ländern abschloss. 1960 flossen mehr als 115 Millionen Mark an Opfer der Nazi-Verbrechen in Griechenland - unter der Bedingung, dass damit die Wiedergutmachung abschließend geregelt sei.

Zudem verweist die Bundesregierung auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung von 1990. Darin sei von Reparationen keine Rede gewesen. Der Vertrag sei auch von Athen im Rahmen der Charta von Paris (1990) als rechtlich bindend anerkannt worden. Die Frage neuer Verhandlungen stelle sich nicht.

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Ganz so einfach scheint es jedoch nicht zu sein. Der Bremer Völkerrechtler Andreas Fischer-Lescano hält die Position Berlins jedenfalls für angreifbar. "Die Argumentation der Bundesregierung ist juristisch sehr dürftig und anfechtbar", sagte der Professor der Universität Bremen dem ARD-Magazin "Kontraste".

Der von der Bundesregierung angeführte Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung 1990 binde Griechenland nicht, denn das Land sei nicht Partei dieses Vertrags. "Es ist völkerrechtlich nicht zulässig, einen Vertrag zu Lasten Dritter - in diesem Falle Griechenlands - abzuschließen", sagte Fischer-Lescano.

Historiker sieht Chancen beim Zwangskredit

Der deutsch-griechische Historiker Hagen Fleischer hält generelle Reparationsforderungen Griechenlands nicht für aussichtsreich, wie er der SZ im Februar sagte.

Einen Ansatzpunkt sieht er jedoch in der Forderung nach Rückzahlung des Zwangskredites (auf den sich auch die Linken beziehen), den die deutschen Besatzer von der griechischen Nationalbank erhielten. Dies sei eine griechische Besonderheit gewesen. Der Kredit betrug 476 Millionen Reichsmark. Sein heutiger Wert wird auf acht bis elf Milliarden Euro geschätzt, berichtete die "Tagesschau".

Um welche Summen es geht

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Bislang hat die neue, aus linker Syriza und einer kleineren rechtspopulistischen Partei bestehende griechische Regierung die genaue Höhe ihrer Reparationsforderungen an Deutschland nicht beziffert. Eine Expertenkommission unter dem früheren konservativen Premier Antonis Samaras war vor ein paar Jahren zu dem Ergebnis gekommen, Deutschland müsse elf Milliarden Euro an Griechenland zahlen.

Inzwischen ist jedoch von weit höheren Summen die Rede. Die Athener Zeitung To Vima veröffentlichte am Sonntag eine bislang geheime Studie aus dem Jahr 2013. Darin werden die Gesamtforderungen auf eine Höhe zwischen 269 und 332 Milliarden Euro beziffert.

Wie die Nazis in Griechenland wüteten

Hunderttausende Griechen wurden zwischen 1941 und 1944 entweder direkt von SS- und Wehrmachtssoldaten getötet oder kamen in Folge der Ausbeutung des Landes durch die deutschen Besatzer ums Leben. Juden wurden in Konzentrationslager deportiert und ermordet, Zivilisten bei Vergeltungsaktionen hingemetzelt. Zudem führten Zerstörungen und die systematische Ausplünderung Griechenlands zu verheerenden Hungersnöten. Zwangsexporte und Zwangskredite zerstörten die griechische Wirtschaft.

Die Gräueltaten der Deutschen in Griechenland wurden über Jahre hinweg wenig thematisiert. Der Grund: Viele der Opfer waren kommunistische Kämpfer. Nachdem die Kommunisten den Rechten im von 1946 bis 1949 dauernden Griechischen Bürgerkrieg unterlagen, hatten sie keine Lobby.

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