Außenminister Steinmeier in Washington:Im Strudel der US-Politik

Außenminister Steinmeier in den USA

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und US-Außenminister John Kerry in Washington

(Foto: dpa)

Waffenlieferungen an die Ukraine, Atomverhandlungen mit Iran: Bei seinem Besuch in Washington gerät Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den erbitterten Streit, der zwischen Republikanern und Demokraten tobt.

Von Stefan Braun, Washington

Als die Türen aufgehen und alles auf den Auftritt von John Kerry und Frank-Walter Steinmeier wartet, kommt plötzlich sie ins Bild. Nicht so laut und nicht so dominant, wie Victoria Nuland das sonst gerne macht. Aber jeder kann sie lächeln sehen. Und damit kann auch jeder erkennen, dass die scharfzüngige Kritikerin der deutschen Ukraine-Politik sich nicht verstecken wird.

Die Spitzenbeamtin im amerikanischen Außenministerium, zuständig für Europa, hat zuletzt erheblichen Ärger provoziert, weil sie immer wieder den zurückhaltenden Kurs der Obama-Regierung durch laute Rufe nach Waffen für die Ukraine konterkarierte. An diesem Abend aber, so wird es später berichtet, lächelt die ebenso harte wie charmante Nuland alle Missstimmigkeiten einfach aus dem Zimmer. Der Konflikt soll nicht noch einmal zum Thema werden.

In normalen Zeiten dürfte so etwas kaum ausreichen, um den Ärger Berlins über Nulands Verhalten einfach weg zu ignorieren. Doch die Zeiten sind nicht normal, schon gar nicht in Amerikas Hauptstadt. Deshalb steht der weggeschluckte Konflikt symptomatisch dafür, wie sehr sich beide Regierungen derzeit problematischeren Widersachern zuwenden. Und die sitzen im Augenblick nicht nur im Nahen Osten oder in Moskau. Die Attacken jung-konservativer Republikaner im US-Kongress gegen Obamas Politik wachsen sich zu einer Belastung aus für den US-Präsidenten. Die jüngsten Querschüsse, mit denen hartleibige Republikaner der Obama-Administration den Einfluss auf die amerikanische Außenpolitik streitig machen, zerren an den Nerven. Und sie wecken Befürchtungen bei Verbündeten.

Das kann man auf dieser Reise fast mit Händen greifen - und gut beobachten, als John Kerry auftritt. Immer freundlich, immer bestens gekleidet, hat sich der US-Außenminister doch deutlich verändert. Es mag der Abend sein nach einem langen Tag, aber im Vergleich zum Auftritt vor einem Jahr, als er Steinmeier an gleicher Stelle optimistisch und enthusiastisch begrüßte, ist alles leiser, zurückhaltender, vorsichtiger geworden.

Steinmeier springt der US-Regierung zur Seite

Die Hoffnung, dass er im Nahost-Konflikt einen Durchbruch erzielen könnte, ist zerstoben. Und die Bemühungen, mit Iran nach mehr als zehn Jahren eine Einigung im Atomstreit zu erzielen, wird aggressiv bekämpft durch Gegner im eigenen Lande. "Wir werden die Verhandlungen weiter führen", sagt Kerry, "und wir stehen vor fundamentalen Entscheidungen". Doch selbst wenn es so klingen soll, wirkt das nicht sonderlich kraftvoll.

Der Brief von 47 republikanischen Senatoren an das Regime in Teheran, in dem sie ankündigen, dass sie ein Abkommen, egal wie es aussehen könnte, wieder rückgängig machen würden, hat deutliche Spuren hinterlassen. Und so wird aus dem Besuch des deutschen Außenministers, der in der Regel anreist, um sich für seinen Kurs Unterstützung zu holen, eine Visite, bei der Frank-Walter Steinmeier der US-Regierung zur Seite springt. Ob im Gespräch mit Senatoren, ob bei einem Auftritt vor dem renommierten Center for Strategic and International Studies (CSIS) - jeden Auftritt nutzt Steinmeier, um die Zurückhaltung beim Thema Waffenlieferungen an die Ukraine zu begründen und die Gespräche mit Teheran gegen alle Kritik, auch die des israelischen Ministerpräsidenten, in Schutz zu nehmen.

Den Scharfmachern für Waffenlieferungen hält er im CSIS entgegen, der Konflikt in der Ukraine, wenn man sich ihn genau betrachte, sei "nie ein Konflikt auf Augenhöhe gewesen". Vielmehr kämpften von Russland gut trainierte und immer wieder ausgestattete Separatisten gegen eine ukrainische Armee, deren Ausbildung oft schlecht sei, ja oft habe es nur ein paar Wochen Training gegeben, dann seien die Männer schon in den Krieg geschickt geworden. Deshalb könne es gut sein, dass man mit "durchaus gut gemeinten Waffenlieferungen den Unterschied nicht aufheben, aber das Eskalationsniveau anheben" werde, weil Russland die Separatisten auch weiter ausstatten werde. Steinmeiers Botschaft: Schaut genau hin, bevor ihr Waffenlieferungen als Rettung verkündet.

Außenminister Steinmeier im Strudel der US-Politik

Noch deutlicher wird der Gast aus Berlin beim Brief der 47. Für Steinmeier hat dieses Schreiben ausgerechnet beim Thema Glaubwürdigkeit etwas verändert. Bisher sei der Westen anders als Iran in seinem Verhalten immer klar und glaubwürdig gewesen. Jetzt könne ausgerechnet Teheran die Verlässlichkeit des Westens in Frage stellen. Aus diesem Grund müsse diese "Irritation" dringend ausgeräumt werden. Ungewöhnlich ist, wie deutlich Steinmeier darauf eingeht - im Wissen freilich, dass sich Kerry und die Obama-Administration genau an der Stelle eine klare Stellungnahme gewünscht haben.

Leider gar nicht mehr so ungewöhnlich ist dagegen, wie schnell Steinmeier damit in den Strudel des aggressiven US-Streits gerät. Nur wenige Stunden nach seiner Replik auf den Brief der 47 melden sich die Hardliner im US-Kongress zu Wort und sparen dabei nicht mit Provokationen. John McCain, altbekannter Senator, Waffenbefürworter und Iran-Gegner, wirft Steinmeier vor, er selbst sei überhaupt nicht glaubwürdig. Er nämlich sei derjenige, der nichts unternehme, während von Russland geführte Separatisten in der Ukraine "Menschen abschlachteten".

Und Senator Lindsey Graham, wie McCain schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar als Scharfmacher aufgetreten, erklärt zu den Sätzen des deutschen Außenministers, er habe noch nie "dümmeres Zeug" gehört. Die Tonlage ist rau in Washington. Das bekommen dieser Tage alle zu spüren. Diplomatische Freundlichkeiten haben erkennbar an Gewicht verloren.

Die Reise endet in Atlanta, der Geburtsstadt von Martin Luther King

So gesehen wird es Steinmeier ganz gut gefallen, dass seine Reise in Atlanta endet, zwei Flugstunden südlich der US-Hauptstadt. Die frühere Olympiastadt boomt, mehr als 350 deutsche Unternehmen machen hier gute Geschäfte. Kriege und Krise, ob in Osteuropa oder im Nahen Osten, sind hier fern, gesprochen wird über die Bemühungen, das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bald abschließen zu können. Außerdem, und das soll einen würdigen Schlusspunkt bilden, liegt in Atlanta auch das Geburtshaus von Martin Luther King - und entsprechend jene Gedenkstätte, die an den Bürgerrechtler erinnert. Steinmeiers Besuch dort soll eine besondere Geste sein und die so oft beschworenen, gemeinsamen Werte hochhalten.

Eines freilich kann man in diesen Wochen nicht ausschließen: Dass die konservativen Scharfmacher in Washington das schon wieder als Provokation empfinden.

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