Schuldenstreit mit Griechenland:Warum Merkel mit Tsipras sprechen will

Alexis Tsipras

Mehr Politik, weniger Polemik, fordern deutsche Politiker von der griechischen Führung. Bislang sind Lösungsvorschläge rar.

(Foto: SZ Photo)

Sie hält den Zeitpunkt für gekommen: Kanzlerin Merkel hat zum Telefon gegriffen und den griechischen Premierminister Tsipras nach Berlin eingeladen. Ist bei dem Treffen Schluss mit Ausweichthemen?

Von Cerstin Gammelin, Stefan Braun und Christiane Schlötzer, Berlin/Brüssel

Am Donnerstag Brüssel, am Montag darauf Berlin. Das sind die nächsten Etappen im Kampf gegen Griechenlands dramatische Finanzlage. Nachdem Premierminister Alexis Tsipras am Montag eine Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin angenommen hatte, bemühte sich die griechische Regierung am Dienstag darum, das Thema schon vor der Berlinreise, nämlich am Rande des EU-Gipfeltreffens am Donnerstag in Brüssel behandeln zu lassen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk sei dabei, ein Sondertreffen mit einigen Staats- und Regierungschefs zu organisieren, bestätigte sein Sprecher am Dienstag. Dem Vernehmen nach geht es vor allem darum, die drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes abzuwenden. Außer Tsipras sollen Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Tusk selbst an dem Treffen teilnehmen.

Informationen aus Athen, wonach die internationalen Kreditgeber Griechenlands eine teilweise Auszahlung der noch im laufenden Rettungspaket verbliebenen Finanzhilfen planten, wurden in Brüssel nicht bestätigt. "Wir sind nicht im Gebermodus, solange wir nichts aus Athen bekommen haben", hieß es. Konkret hofft Tsipras darauf, die Gewinne in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro, die die Europäische Zentralbank 2014 durch den Handel mit griechischen Staatsanleihen erzielt hat, teilweise vorab ausgezahlt zu bekommen.

Jeroen Dijsselbloem, Chef der Euro-Gruppe, hatte dies in Aussicht gestellt, allerdings an konkrete Bedingungen geknüpft. Zunächst müsse die Regierung in Athen mindestens einen Teil der Reformauflagen beschließen und im Parlament verabschieden, dann könne das Geld ausgezahlt werden. In Brüssel hieß es am Dienstag, die Gespräche mit den griechischen Behörden verliefen "sehr zäh". Konkrete Reformen konnten noch nicht beschrieben oder beziffert werden.

Die griechische Führung belüge die eigene Bevölkerung

Damit drehen sich alle Bemühungen um eine Entspannung der Lage weiter im Kreis, weil Athen zwar Forderungen und Wünsche formuliert, aber bislang keine ausreichend konkreten Ideen vorlegt, wie es sich eine Lösung der Krise vorstellt. Das jedenfalls ist der Eindruck, der sich seit Wochen in Berlin breit macht. "Wir wissen tatsächlich nicht, wie sich die neue griechische Regierung den Weg zu einer Lösung vorstellt", heißt es in der Hauptstadt. Dieses Gefühl ist nach Einschätzung vieler Christ- wie Sozialdemokraten im Kabinett der Hauptgrund dafür, warum zuletzt auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sehr deutliche Worte wählte.

Nach einem Treffen mit dem stellvertretenden griechischen Außenminister Nikos Chountis hatte Steinmeier in Brüssel erklärt, Griechenland solle endlich beginnen, sich mehr auf die Lösung des Schuldenstreits zu konzentrieren und weniger auf Kritik an der deutschen Regierung. Wichtiger seien jetzt konkrete Vorschläge aus Athen, wie die Regierung die europäischen Verpflichtungen erfüllen wolle. Deutlich schärfer war Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Montag geworden. Er hatte der griechischen Führung vorgeworfen, sie habe das Vertrauen der Partner zerstört und belüge die eigene Bevölkerung bei der Frage, was noch nötig werde, um das Problem zu lösen.

Der immer rauere Ton, insbesondere zwischen Schäuble und seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis, und dazu der Ärger über mangelnde griechische Vorschläge, haben denn auch dazu geführt, dass Kanzlerin Merkel am Montag zum Telefonhörer griff, um Premierminister Tsipras nach Berlin einzuladen. Offenkundig halte sie den Zeitpunkt für gekommen, um "mit dem Hauptverantwortlichen in der griechischen Regierung über den Kern des Problems zu sprechen", verlautete aus Regierungskreisen. Bislang sei zu viel über Rand- und Ausweichthemen gesprochen worden, hieß es weiter. Mit einem aber solle man trotzdem nicht rechnen: dass am Montag alle Probleme gelöst würden.

Neben Brüssel und Berlin hat Tsipras aber noch andere Reisepläne: Wie die Regierung in Athen am Dienstag mitteilte, reist der Premier am 8. April nach Moskau. Der Regierungschef folge einer Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, so ein Regierungsvertreter. Der Besuch in Moskau war eigentlich für Anfang Mai geplant, anlässlich des 70. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutschland. Nach Angaben der Zeitung Ta Nea steht der Besuch in Verbindung mit der Geldknappheit Griechenlands. Angesichts der Differenzen mit den internationalen Geldgebern habe Athen darauf gedrungen, die Reise vorzuziehen.

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