Mietrecht:Fluch der guten Tat

Mietpreisbremse

Neue Rechte für Mieter: Szene aus der Kölner Südstadt

(Foto: dpa)

Bestimmte Renovierungsklauseln hält der Bundesgerichtshof neuerdings für unzulässig. Das ist gut so. Eins zeigt sich aber auch - die Urteile zum Mietrecht sind zu kompliziert geworden.

Kommentar von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Für die Rechte der Mieter gibt es in Deutschland eine feste Adresse: Herrenstraße 45 a, Karlsruhe. Dort, im Saal N004, unter dem leicht untersetzten und so gar nicht gravitätischen Bundesadler von Markus Lüpertz, verhandelt der achte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs. Häufig, wenn auch beileibe nicht immer, schlägt sich der BGH auf die Seite der Mieter, gerade konnte man das wieder beobachten.

Vertragsklauseln, welche dem Mieter die Renovierung auch dann aufdrücken, wenn er in eine abgewohnte Bude eingezogen ist, sind unzulässig. Das ist neu, bisher hat der BGH solche Klauseln akzeptiert. Der Schwenk in der Rechtsprechung ist richtig, im Prinzip jedenfalls: Wer ein unrenoviertes Etablissement vermietet, darf sich nicht durch ein paar Sätze im Kleingedruckten ausbedingen, dass er hinterher eine sanierte Wohnung zurückbekommt - mit gestrichenen Wänden, lackierten Fensterrahmen und geschliffenen Böden. Dies, so der BGH, wäre eine unangemessene Benachteiligung des Mieters, weil er letztlich für die Schäden mitbezahlen müsste, die sein Vorgänger hinterlassen hat.

Dass Urteile häufig zugunsten der Mieter ausfallen, liegt nicht an einer parteiischen Einseitigkeit des Gerichts, sondern daran, dass die Machtverhältnisse zwischen Vermieter und Mieter nun mal ungleich verteilt sind. Der Markt allein sorgt, zumindest in Ballungsräumen, nicht für einen einigermaßen gerechten Ausgleich. Wer eine Wohnung in Hamburg oder München benötigt, wird so ziemlich jeden Mietvertrag akzeptieren, den ihm der Vermieter auf den Tisch legt. Der Vermieter diktiert, der Mieter unterschreibt - diesen Automatismus hat der BGH mit seiner Rechtsprechung durchbrochen.

Die Urteile zum Mietrecht sind allzu fein ziseliert

Also alles wie bisher? Korrektur der Marktkräfte, um Gerechtigkeit im Kleinen zu schaffen? Nicht ganz, denn die Karlsruher Richtungsänderung im Mietrecht ist zugleich eine Problemanzeige. In zahllosen Urteilen hat der BGH eine hoch komplizierte Rechtsprechung geschaffen, die sich nun selbst zu erdrücken droht. Der Fluch der guten Tat hat das Gericht eingeholt, oder der bösen, wenn man es aus der Perspektive des Vermieters sieht. Man kann dies an den sogenannten Quotenklauseln ablesen; auch hier hat der BGH nun seine bisherige Linie aufgegeben. Damit wurde bisher festgelegt, wie viel der Mieter zahlen muss, wenn er auszieht, bevor eine Renovierung fällig ist.

Ende der Achtzigerjahre richteten sich diese Quoten nach den seinerzeit noch festgelegten Renovierungsfristen - üblicherweise drei Jahre für Küche und Bad, fünf Jahre für Wohn- und Schlafzimmer, sieben Jahre für die übrigen Räume. Damit gab es eine feste Rechengrundlage. 2004 jedoch erklärte der BGH solche "starren" Fristen wegen Benachteiligung des Mieters für unwirksam - weil sonst auch der hätte streichen müssen, dessen Wohnung trotz Ablauf der Frist noch tadellos war. Die Konsequenz für die Quotenklauseln war deren Unübersichtlichkeit. Entsprechende Bestimmungen im Mietvertrag waren ohne Taschenrechner und Jurastudium kaum noch nachvollziehbar. Der Versuch, den gerechten Ausgleich im Detail zu optimieren, führte zu einem ziemlich ungerechten Ergebnis, nämlich zu maximaler Intransparenz.

Deshalb ist es sicherlich folgerichtig, dass der BGH diesen Klauselmonstern, die aus seiner eigenen Rechtsprechung geboren wurden, nun den Garaus gemacht hat. Nur sollte das Gericht daraus die Lehre ziehen, dass sich eine allzu fein ziselierte Rechtsprechung ins Gegenteil verkehren kann. Rechtsklarheit ist eine Schwester der Gerechtigkeit. Der Lüpertz-Adler im Gerichtssaal schaut zwar prinzipiell wohlwollend drein. Dass er wirklich begreift, was unter seinen Augen entschieden wird - danach sieht er eher nicht aus.

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