Hochschulen im Freistaat:Was Bayern für Doktoranden tun will

Doktoranden an der TUM werfen ihre Doktorhüte

Viele Doktoranden wären gern schon so weit, dass sie bei der Verabschiedung ihre Doktorenhüte in die Luft werfen können - doch sie leiden unter schlechten Verträgen.

(Foto: Lukas Barth)
  • Die Politik reagiert auf die Zustände an vielen Hochschulen: Dort bekommen Doktoranden oft nur kurze Zeitverträge und kommen kaum zur Arbeit an ihrer Promotion.
  • Die bayerischen Hochschulen und Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) haben nun eine Selbstverpflichtung unterzeichnet.
  • Demnach sollen eine Mindestlaufzeit der Erst-Verträge von einem Jahr und anschließend konkrete Perspektiven bis zum Abschluss der Doktorarbeit zugesagt werden.

Von Martina Scherf

Ein junger Mathematiker hat sein Studium mit Bestnote abgeschlossen, er wird gefeiert, seine Fakultät gibt ihm die besten Wünsche für eine viel versprechende Karriere als Wissenschaftler auf den Weg. Doch dieser Weg endet nicht selten in der Sackgasse. Doktoranden arbeiten bis zu 50 Wochenstunden, die Hälfte unbezahlt, sie nehmen ihren Professoren Seminare ab und haben selbst kaum Zeit zum Promovieren. Fast 90 Prozent haben Zeitverträge, oft auf wenige Monate befristet. "Ins Prekariat mit Doktorgrad" lauten die Schlagzeilen. Das System destabilisiert Forschung und Lehre. Jetzt reagiert die Politik.

Am Donnerstag unterzeichneten die bayerischen Universitäten und Fachhochschulen mit Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) eine Selbstverpflichtung, wonach sie eine Mindestlaufzeit der Erst-Verträge von einem Jahr und anschließend konkrete Perspektiven bis zum Abschluss der Doktorarbeit oder bei Postdocs bis zur Habilitation zusagen. "Wir hätten uns etwas mehr gewünscht, aber es ist ein wichtiger erster Schritt", sagt Bernhard Emmer, Sprecher des Landesverbandes Wissenschaftler in Bayern.

Selbstverpflichtung der Hochschulen

Vorausgegangen waren bundesweite Proteste. Eine Online-Petition junger Politikwissenschaftler fand fast 5000 Unterzeichner. "Wir wollten zeigen, dass wir uns nicht alles gefallen lassen", sagt Andreas Kruck, Assistent am Politikinstitut der LMU München, einer der Initiatoren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft legte Vorschläge für ein Zeitvertragsgesetz vor. Doktoranden sollten mindestens drei Jahre beschäftigt werden, mindestens 50 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Dissertation aufwenden können und bei entsprechender Leistung nach der Promotion klare Karriereperspektiven erhalten, wie es im amerikanischen Tenure-Track üblich ist. Dort gilt: Wer herausragende Leistung als Postdoc bringt, erhält einen unbefristeten Vertrag. In Bayern hat lediglich die TU München solche Angebote, die LMU München arbeitet an einem eigenen Modell.

Auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte der Süddeutschen Zeitung gesagt, sie halte es für "indiskutabel", dass mehr als die Hälfte der Wissenschaftler beim ersten Vertrag kürzer als ein Jahr beschäftigt würden. Das Thema steht im Koalitionsvertrag. Im Hochschulausschuss des Landtags stand das Thema mehrfach auf der Tagesordnung. Eine Lebensplanung sei mit den Kurzzeit-Kettenverträgen unmöglich, sagt Isabell Zacharias (SPD): "Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen darf nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden." Frauen könnten unter diesen Bedingungen kaum an Kinder denken. Im akademischen Mittelbau sind in Bayern etwa 30 000 Personen tätig.

Zu wenig Professoren-Stellen

Selbst wenn sich jemand durch die maximal zwölf Jahre Postdoc hangelt und habilitiert, wird er längst noch nicht Professor. Es gibt zu wenige Stellen. Spätestens dann stecken viele in der Sackgasse: mit Anfang 40 ohne feste Stelle an der Uni und zu alt für die Wirtschaft. Dann können sie sich nur noch mit Lehraufträgen durchhangeln, ohne Sozialversicherung. Die Universitäten habilitieren zu viele Leute, sagt Emmer deshalb auch. Er wünscht sich frühe Unterstützung bei der Karriereplanung, damit sich Betroffene nicht in falschen Hoffnungen auf eine Professur wiegen.

Die jetzt unterzeichnete Vereinbarung sei der "Weg zu einer praktikablen Lösung, wenngleich damit nicht alle Probleme ausgeräumt sind", sagt Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg und des bayerischen Universitäten-Verbands. Alfred Forchel, Präsident der Universität Würzburg, der die Vereinbarung maßgeblich ausgehandelt hat, meint, durch die Betreuungsvereinbarung hätten Mitarbeiter künftig "deutlich mehr Planungssicherheit". Ziel sei es, Doktoranden eine Perspektive für mindestens drei Jahre zu geben, Habilitanden für vier bis sechs Jahre, und Zusatzaufgaben zu beschränken. Weil Promotionen heutzutage zu einem Großteil an zeitlich befristete Drittmittel geknüpft sind, könnten Hochschulen nicht zu viele feste Stellen vergeben. "Wir brauchen Spielraum", sagt Forchel, "und einen gewissen Austausch, damit wir weiter Nachwuchs gewinnen."

Das gilt im Besonderen für die Fachhochschulen, die keine Doktoranden, dafür aber überwiegend Drittmittel-finanzierte Forschung haben. Michael Piazolo, Hochschulexperte der Freien Wähler kritisiert, dass die Vereinbarung nur für Neuverträge gelte und zu unverbindlich sei: " So kann man den Wettbewerb um die besten Köpfe nicht gewinnen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: