Zuwanderung von Fachkräften:Gebraucht, willkommen, von Schwierigkeiten empfangen

Ärztemangel in Brandenburg verschärft sich

Ärztemangel in deutschen Krankenhäusern: Einwanderer könnten helfen, doch sie treffen auf hohe Hürden.

(Foto: dpa)
  • Berechnungen zufolge wird es 2025 in Deutschland 6,5 Millionen Bundesbürger weniger im arbeitsfähigen Alter geben.
  • Einen Teil dieses Mangels können Einwanderer aus EU-Ländern ausgleichen. Doch diesen Staaten drohen ähnliche Probleme wie Deutschland.
  • Doch auch gut ausgebildete Einwanderer aus anderen Ländern kommen nicht in Massen. Denn sie treffen auf Ahnungslosigkeit und Bürokratie.

Von Roland Preuß

Haxhi Gashi wollte nicht nach Deutschland. "Ich wusste schon von den Schwierigkeiten", sagt er. Aber es wurde einfach nicht besser in seiner Heimat Kosovo. Also machte er sich auf den Weg zur deutschen Botschaft in der Hauptstadt Priština. Ob es stimme, dass junge Ärzte nach Deutschland kommen könnten? Das aber konnte man ihm dort so genau nicht sagen.

"Einfach ist gar nichts", sagt Gashi, wenn er auf seinen Weg nach Deutschland zurückblickt. Doch er ist ihn gegangen: Seit einem Jahr arbeitet er im Kreiskrankenhaus Prignitz in Westbrandenburg. Das ist nicht die erste Adresse für deutsche Ärzte, ohne die Zuwanderer könnte die Klinik schließen, allein in der Psychiatrie arbeiten neben Gashi zwei Mediziner aus Bulgarien, ein Russe und zwei Albaner. Gashi ist zufrieden.

Chancen bieten - aber wie?

Leute wie er sollen eine Chance in Deutschland bekommen, da sind sich die Politiker parteiübergreifend einig. Menschen mit guter Ausbildung, aber schlechter Perspektive im Ausland sollen einwandern und hier die Lücken füllen: in Krankenhäusern, Pflegeheimen, in Softwarefirmen und Technologiekonzernen. Sie sollen legal kommen können, ohne Tricksereien oder den Umweg eines Asylantrages, so wie es Zehntausende Kosovaren Anfang des Jahres versuchten.

Die große Streitfrage ist das Wie: Reichen die legalen Möglichkeiten zum Einwandern aus, müssen sie nur besser beworben werden? So sieht es Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Oder braucht die Bundesrepublik ein neues Einwanderungsgesetz? So wollen es SPD, Grüne, aber auch Teile der Union um CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Er fährt Anfang April eigens nach Kanada, um zu studieren, wie man dort Immigranten per Punktesystem ins Land holt.

In Deutschland wird der Mangel noch durch Hunderttausende Migranten aus anderen EU-Staaten ausgeglichen, die unkompliziert nach Deutschland einwandern können. Doch das dürfte sich bald ändern. Erholen sich die Länder in Süd- und Osteuropa erst einmal wirtschaftlich, werden weniger Menschen auswandern. Zudem leiden die EU-Partner unter einer ähnlichen Entwicklung wie Deutschland: Immer weniger Kinder werden geboren. Umso drängender wird die Frage, wie man Menschen von außerhalb der EU für ein Leben in Deutschland interessieren kann.

Weniger Bundesbürger im arbeitsfähigen Alter

Schon heute gibt es viele legale Wege nach Deutschland: Die Menschen kommen als Ehepartner oder Kinder nachgezogen, sie beantragen Asyl, wandern als Studenten zu - oder eben, um zu arbeiten. Gerade um die letzten beiden Gruppen dreht sich die Debatte; ihnen hat man in den vergangenen Jahren neue Türen geöffnet. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen etwa dürfen bis zu 18 Monate nach ihrem Abschluss im Land nach Arbeit suchen. Akademikern, die ein Jobangebot in Deutschland vorweisen, können seit 2012 die EU-weit geregelte "Blaue Karte" erhalten, wenn ihr Abschluss als gleichwertig anerkannt ist und sie genug Geld verdienen. Derzeit liegt die Grenze bei etwa 48 000 Euro im Jahr.

Ernüchternder Blick auf die Zahlen

Integrationskurs für Zuwanderer in Laupheim

"Einfach ist gar nichts": Ausländische Fachkräfte haben es in Deutschland nicht gerade leicht. Teilnehmer eines Integrationskurses in Laupheim.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Seit knapp drei Jahren ist nicht einmal mehr ein Arbeitsvertrag nötig: Anerkannte Hochschulabsolventen können ein halbes Jahr lang in Deutschland auf Jobsuche gehen, wenn sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Hinzu kommen Erleichterungen für Dutzende sogenannte Mangelberufe, vom Altenpfleger bis zum Kühlhauswärter, zu dem sich offenbar immer weniger Einheimische berufen fühlen. Reicht das nicht?

Ein Blick auf die Zahlen ist ernüchternd: Im Jahr 2013 kamen per Blauer Karte gerade einmal 4651 Fachkräfte. Zählt man alle Fachkräfte zusammen, kommt man für 2013 auf knapp 24 000. Man kann dies getrost einen Fliegenschiss nennen im Vergleich zu den gut 1,2 Millionen Menschen, die in dem Jahr nach Deutschland zogen. Man kann es unzureichend nennen, auch nach den Maßstäben der Bundesregierung: Die rechnet damit, dass es bis 2025 etwa 6,5 Millionen weniger Bundesbürger im arbeitsfähigen Alter gibt als heute. Und man kann die Zahl als Indiz dafür nehmen, dass die Einwanderung nicht so läuft, wie man sich das vorstellt.

Eine Agentur regelte alles

Haxhi Gashi zum Beispiel wandte sich an eine private Agentur, um sich möglichst wenig selbst mit Botschaftsmitarbeitern und Ausländerbehörden herumschlagen zu müssen. Die Agentur organisierte ihm einen Deutschkurs in Oberfranken, beschaffte ihm eine Einladung für den Visumantrag bei der Botschaft. Sogar die Stelle in Brandenburg vermittelte die Agentur.

Das Happy End kam so schnell allerdings noch nicht. Erst musste er seine Berufserlaubnis erhalten. Statt der üblichen vier Wochen habe ihn die zuständige Landesbehörde aber vier Monate auf die Erlaubnis warten lassen, sagt er, eine Zeit, in der einige andere interessierte Krankenhäuser abgesagt hätten. "Das war das Schwierigste", sagt er.

Die Menschen kommen nicht von selbst in Massen

Die Menschen, das kann man von Gashi, aus der Statistik, aber auch von Experten lernen, sie kommen nicht von selbst in Massen. Modelle, die Zuwanderung besser zu organisieren, gibt es bereits, bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) etwa oder bei der Arbeitsagentur. Bisher läuft das nur im kleinen Rahmen, die GIZ hat mit einem Programm Triple-Win ganze 260 Pflegekräfte vermittelt. Sie organisiert Deutschkurse schon im Herkunftsland, hilft bei der Anerkennung von Abschlüssen.

Ohne Hilfe ist es dagegen schwierig. "In den kleineren Botschaften und Konsulaten kennt sich kaum einer mit Zuwanderung aus, da kann keiner weiterhelfen", sagt der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt. Sie müssten besser ausgestattet werden und aktiv um Einwanderer werben. So sieht das auch Haxhi Gashi. Er bringt es auf eine simple Formel: "Die könnten mehr tun."

In der ursprünglichen Fassung hieß es, die Landesärztekammer Brandenburg sei für die Berufserlaubnis zuständig gewesen. Dies ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass nicht die Landesärztekammer, sondern eine Landesbehörde zuständig ist.

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