Linkspartei:Kipping will nicht Fraktionschefin werden

Linken-Chefin Katja Kipping

Katja Kipping sieht im Wechsel zur Fraktionschefin keinen Karrieresprung.

(Foto: AFP)
  • Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, möchte nicht für den Fraktionsvorsitz im Bundestag kandidieren. Das sagte sie der SZ.
  • Nach Sarah Wagenknecht ist sie die zweite hochkarätige Politikerin aus der Linkspartei, die den Posten ablehnt.
  • Geplant war eine Doppelspitze aus einer Frau und einem Mann, die das politische Spektrum der Partei repräsentieren sollten und jeweils aus Ost- und Westdeutschland stammen.
  • Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Gregor Gysi den Job noch eine Weile alleine macht.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Katja Kipping gehört zu den Figuren in der Linkspartei, die es über Nacht bis ganz nach oben geschafft haben. 2012 wurde sie, damals 34 Jahre alt, beim Kampfparteitag in Göttingen Parteichefin. Auf dem Posten werde sie sich nicht lange halten, ätzten manche. Kipping hielt sich, und zusammen mit Parteichef Bernd Riexinger gelang es ihr, ihren Laden zumindest zu befrieden.

Jetzt könnte der nächste Karriereschritt anstehen, theoretisch. Sahra Wagenknecht hat überraschend angekündigt, dass sie im Herbst nicht Fraktionsvorsitzende im Bundestag werden will. Wenn nicht Wagenknecht, wer dann?, heißt es jetzt bei der Linken, wo eine Mann-Frau-Doppelspitze geplant war. Die Blicke richteten sich auf Parteichefin Kipping, die ein Bundestagsmandat besitzt und das Format für den Posten. Allein: Katja Kipping will nicht.

Warum lehnt ausgerechnet die Feministn Kipping einen Spitzenposten ab?

"Ich stehe als Fraktionsvorsitzende nicht zur Verfügung", sagte Kipping der Süddeutschen Zeitung am Freitag. "Mir macht die Arbeit als Parteivorsitzende mit Bernd Riexinger sehr viel Freude. Wir sind als Team erfolgreich, wir haben die Partei stabilisiert und vorangebracht. Ich sehe keinen Grund, da einen Wechsel vorzunehmen." Nun kann man sich fragen, warum ausgerechnet Katja Kipping, die in der Linken eine feministische Offensive anführt und für Gleichberechtigung und mehr Spitzenposten für Frauen kämpft, ablehnt, wenn für sie selbst ein solcher Posten in Aussicht stehen könnte.

Die Parteivorsitzende fürchtet um ihre Work-Life-Balance

Kipping sieht das selbstredend anders. "Gerade als überzeugte Feministin bin ich der Meinung, dass im Leben von Frauen wie Männern gleichermaßen neben Erwerbsarbeit und Politik auch Zeit sein muss für Familie und Muße", sagt sie. Es gebe da "noch so viele gute Bücher", die sie lesen müsse. "Weitere Funktionsverpflichtungen würden meine Work-Life-Balance zu sehr durcheinanderbringen."

Im Übrigen betrachte sie den Fraktionsvorsitz im Bundestag nicht als höherwertige Aufgabe als den Parteivorsitz, ein Wechsel sei in ihren Augen kein Karrieresprung. Gerade mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 sei eine funktionstüchtige Partei wichtig, die fest verankert bleibe in Kunst und Wissenschaft, auch sozialen Bewegungen. "Es wäre verheerend, wenn alle Energie nur auf die Fraktion gerichtet ist."

Gysis Abschied könnte sich verzögern

In der Linksfraktion geraten die Dinge nun weiter ins Rutschen, und zwar in Richtung von Gregor Gysi. Eigentlich hatte der langjährige Fraktionschef angekündigt, im Herbst aufzuhören im Bundestag. Der Abschied aber könnte sich verzögern. Gysi sagt dazu nichts, nur dass er bedaure, dass Sahra Wagenknecht nicht Fraktionschefin werden wolle. Er selbst habe vorgeschlagen, dass sie, die Obfrau des linken Parteiflügels, mit dem Reformer Dietmar Bartsch eine Doppelspitze bilden solle. Die beiden Vize-Fraktionschefs waren sich früher zwar spinnefeind und vertreten oft entgegengesetzte Positionen. Gerade diese Konstellation, auch "Gleichgewicht des Schreckens" genannt, werde aber für Disziplinierung im Flügelstreit sorgen, so hoffte man.

Mit Wagenknechts Rückzug ist das vom Tisch - und auch die Zukunft von Dietmar Bartsch ungewiss. Der Fraktionsvize gibt sich zwar gelassen, Personalfragen seien nachrangig. "Entscheidend ist für mich, wie wir in die Wahlentscheidung 2017 gehen", sagte er der SZ. Im Übrigen stehe auch noch gar keine Entscheidung an, die Fraktionsspitze werde erst im Oktober gewählt.

Gesucht wird eine Frau vom linken Flügel, die aus dem Westen stammt

Dass Bartsch noch wie geplant Fraktionschef wird, gilt aber als unwahrscheinlich. Er bräuchte als weibliches Pendant für eine Doppelspitze eine Abgeordnete vom ganz linken Flügel, die aus dem Westen kommt, weil Bartsch aus dem Osten ist. Eine Frau, die in der Liga Bartsch-Wagenknecht spielt, gibt es dort aber nicht. Die Hoffnungsträgerin des linken Lagers heißt Janine Wissler. Sie scheidet aber aus, weil sie im hessischen Landtag statt im Bundestag sitzt.

Dann eben Katja Kipping mit Gregor Gysi, lautete die nächste Idee. Das hätte zwar den Schönheitsfehler, dass beide aus dem Osten sind und politisch eigentlich zu nahe beieinander, nämlich aus der pragmatischen Mitte. Mit Kippings Absage aber hat sich die Sache ohnehin erledigt. Nun soll also eine Frau vom linken Flügel her, die möglichst aus dem Westen stammt und neben Gysi nicht ins Hintertreffen gerät, was Redekunst und Selbstbewusstsein angeht. Da solche Abgeordneten - ob Mann oder Frau - in der Linken unbekannt sind, gilt als wahrscheinlichstes Szenario: dass Gysi allein weitermacht, wie immer.

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