Geburtshilfe:Hebammen brauchen Hilfe

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Von 357,90 D-Mark auf 6274 Euro: Der extreme Anstieg der Beiträge zur Haftpflichtversicherung bedroht die selbständigen Hebammen im Landkreis. Die Frauen hoffen auf Hilfe von der Politik - notfalls wollen sie mit weniger Gehalt auskommen.

Von Gudrun Regelein, Freising

Der in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches angestiegene Beitrag zur Haftpflichtversicherung macht den selbständigen Hebammen das Leben schwer. Von 357,90 D-Mark im Jahr 1999 stieg die Prämie im vergangenen Jahr auf bereits 5090,40 Euro an. Ab 1. Juli wird sie noch einmal um gut 23 Prozent auf 6274 Euro erhöht. Das ist für viele Hebammen zu viel. Erneut werden dann viele ihren Beruf aufgeben, befürchtet Astrid Giesen, Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbandes.

Auch im Landkreis werde die Anhebung der Jahresprämie wohl für einige der verbleibenden 30 Hebammen das Aus bedeuten, glaubt Annette Fußeder, Hebamme und Leiterin der Elternschule Freising: "Wir verdienen nicht besonders viel, für viele der häufig in Teilzeit arbeitenden Hebammen ist das finanziell dann einfach nicht mehr rentabel." Aber nicht nur der extrem angestiegene Beitrag zur Haftpflichtversicherung bedrohe die Existenz des Berufsstandes. Auch eine immer größere Zahl an Vorschriften erschwere die Arbeit enorm, beklagt Fußeder.

So wollen die Krankenkassen nun bereits einen Tag nach dem errechneten Geburtstermin keine Hausgeburten mehr gestatten. Das sei großes Thema unter den Hebammen. "Ich habe das Gefühl, die Arbeit der selbständigen Hebammen wird torpediert", sagt Fußeder. Deren Zahl sinke, bereits jetzt sei es im Landkreis für viele werdende Eltern schwierig, eine Geburtshelferin zu finden. Auch die Elternschule suche seit längerem vergeblich nach einer Hebamme.

Der rasante Anstieg der Versicherungsprämie habe zwei Gründe, sagt die Landesvorsitzende Astrid Giesen. Zum einen wurde die medizinische Versorgung der Kinder, die bei der Geburt zu Schaden gekommen sind, besser, so dass auch deren Lebenserwartung steigt. Zum anderen machten die Sozialversicherungsträger alle Kosten bei der Haftpflichtversicherung geltend, wenn ein Verschulden durch die Hebamme erwiesen wurde. Mittlerweile seien immer weniger Versicherungsgesellschaften bereit, Hebammen aufzunehmen. Und die wenigen Versicherer, die es noch gibt, kündigten dem Verband bereits an, zum Juli 2016 keine Haftpflichtversicherung mehr anzubieten. "Ohne Versicherung aber dürfen Hebammen nicht arbeiten", erklärt Giesen.

Zwar sei als Erleichterung für die Hebammen geplant, ebenfalls zum 1. Juli den sogenannte Sicherstellungszuschlag einzurichten. Dieser würde ermöglichen, Zuschüsse zur Haftpflichtversicherung zu beantragen. Noch seien allerdings die Verträge dafür nicht unterschrieben. "Die Hebammen glauben inzwischen schon gar nicht mehr daran", sagt Giesen. Gerade in dieser prekären Situation sei die Unterstützung aus der Bevölkerung "wahnsinnig wichtig". Die Unterstützungsaktion der oberbayerischen Landfrauen, die kürzlich 20 000 Unterschriften für die Hebammen gesammelt hatten, sei eine "Super-Geschichte, solche Signale brauchen wir".

Die Beteiligung im Landkreis Freising sei ausgesprochen gut gewesen, berichtet Kreisbäuerin Rosa Westermair. Die Unterschriften seien bereits an die CSU-Landesvorsitzende Gerda Hasselfeldt übergeben worden. Diese habe zugesichert, dass man an einer einvernehmlichen Lösung arbeite. Tatsächlich passiere nun etwas, auch die Politik habe die Notwendigkeit zum Handeln erkannt, bestätigt Astrid Giesen. Aber auch ein Sicherstellungszuschlag sei nicht ausreichend: "Eigentlich müsste das gesamte Haftungsrecht neu gedacht werden", fordert sie. Denn nach wie vor müsse die Hebamme mit ihrem Privatvermögen haften, wenn die Deckungssumme ihrer Haftpflichtversicherung aufgebraucht ist.

Im Klinikum Freising sind derzeit zwölf selbständige Hebammen im Schichtdienst tätig. Das Klinikum wolle diese unterstützen, "wir wissen um die finanzielle Belastung der Hebammen wegen der gestiegenen Versicherungsprämien", sagt Pressesprecherin Karin Schinnerl. Deshalb gebe es ein Bereitschaftsdienstentgelt. Alle Hebammen im Klinikum werden trotz der erneuten Erhöhung der Prämie weitermachen, berichtet Beate Giesing, die leitende Hebamme im Klinikum Freising.

Zwar beunruhige die Situation die Geburtshelferinnen, aber "wir beißen in den sauren Apfel und werden dann eben mit noch weniger Gehalt auskommen müssen." Mittlerweile aber, sagt Giesing, habe sie manchmal fast das Gefühl, die Krankenkassen wollten die Hebammen abschaffen.

© SZ vom 23.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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