Comeback der Automarke:Borgward will wieder die Großen ärgern

Christian Borgward mit der Borgward Isabella

Christian Borgward vor der Isabella, einem Auto, das einst sein Großvater konstruierte.

(Foto: Borgward AG)

Erst bejubelt, dann plötzlich pleite: Die Borgward-Geschichte war kurz und bewegt. Nun die Wiederauferstehung.

Von Thomas Harloff

Isabella und Arabella: Automobile, die so heißen, müssen aus Italien stammen. Aus Mailand, Modena oder Maranello. Die erwähnten Modelle mit den so klangvollen Namen kamen aber aus dem Norden Deutschlands. Die Hansestadt Bremen war die Heimat dieser Symbole des deutschen Wirtschaftswunders, deren Vorname sich dann nicht mehr nach Bella Italia anhört: Borgward.

Die Firmengeschichte des Unternehmens ist die des Aufstiegs und Falls eines kleinen Herausforderers, der die großen Autokonzernen für kurze Zeit ärgern konnte, ihnen teilweise sogar überlegen war - und am Ende doch mit großem Getöse in die Pleite rutschte. Es ist eine bewegte wie bewegende Geschichte, die noch heute viele Autokenner mit Wehmut zurückblicken lässt. Und die offenbar interessant genug ist, um die Marke wieder aufleben zu lassen.

Startschuss in Genf

Ein Stand auf dem diesjährigen Genfer Autosalon läutete das Comeback ein. Dort gab es nicht etwa auf Hochglanz polierte Neuwagen zu sehen wie an den benachbarten Ständen der etablierten Hersteller. Auch keine Prototypen, Erlkönige oder Designskizzen. Stattdessen stand da die Isabella, ein fraglos gut erhaltenes Oldtimer-Coupé, neben knapp beschürzten Hostessen. Im Zentrum: ein überdimensioniertes Markenlogo, der einst so bekannte Borgward-Rhombus.

Daneben drei Männer. Christian Borgward ist gelernter Einzelhandelskaufmann und Enkel von Carl Friedrich Wilhelm Borgward - jenem Mann, der die nach ihm benannte Marke 1949 gründete. Die anderen beiden Herren heißen Karlheinz Knöss und Einar Hareide. Knöss stellte in seiner Funktion als Geschäftsführer der Borgward AG bei einer kurzen Messeansprache ein SUV als erstes Modell in Aussicht, einen Konkurrenten für Audi Q5 und Mercedes ML. Wie das Auto aussehen wird, weiß Hareide am besten. Er ist Chefdesigner der neuen alten Marke.

Borgward

Christian Borgward zwischen Firmenlogo und Isabella am Messestand in Genf.

(Foto: dpa)

Der Zeitplan ist eng gesteckt, die Ziele ambitioniert: Im September soll das Borgward-SUV auf der IAA in Frankfurt vorgestellt werden. Für das Frühjahr 2016 ist dessen Produktionsstart geplant. Schon 2020 will Borgward jährlich 800 000 Autos in der ganzen Welt verkaufen. Fünf Jahre später dürfen es gerne doppelt so viele sein. Damit würde der Rückkehrer in etwa so viele Autos verkaufen wie Mercedes heute - in knapp zehn Jahren also das Absatzvolumen erreichen, für das die Daimler-Marke knapp 90 Jahre brauchte. Pro Jahr soll die Modellpalette um zwei bis drei Autos anwachsen, die jeweils von selbst entwickelten Benzin- und Dieselmotoren und sogar Plug-In-Hybriden angetrieben werden sollen.

Auch Paul Newman fuhr Isabella

Borgward Isabella Coupé

Exportschlager: Sogar Amerikaner kauften Borgwards Autos. Das Isabella Coupé gilt als eines der schönsten deutschen Autos überhaupt.

(Foto: Borgward AG)

Christian Borgward denkt groß. Das tat einst auch sein Großvater. Carl F. W. Borgward baute nach dem Zweiten Weltkrieg in Bremen drei Fabriken auf, in denen Autos für drei verschiedene Marken produziert wurden. Lloyd bot Einsteigerautos an wie den LP 300, dessen Karosserie der Materialknappheit wegen aus mit Leder bezogenem Sperrholz bestand und der "Leukoplastbomber" genannt wurde. Unter dem Markennamen Goliath entstanden Autos mit antiquierten Zweitaktmotoren, die in anderen Details aber fortschrittlich bis skurril waren.

Unter seinem eigenen Namen brachte Borgward Mittel- und Oberklassemodelle auf den Markt. Mit elegantem Design, moderner Technik und leistungsstarken Antrieben etablierte sich die Marke weit vorne in der Zulassungsstatistik. Allein die Isabella verkaufte sich mehr als 200 000 mal. Selbst in Amerika waren die Autos aus Bremen gefragt. Auch Schauspiellegende und Hobbyrennfahrer Paul Newman kaufte eine Isabella. Der norddeutsche Neuling, den man heute als Start-up bezeichnen würde, kam in Rekordzeit im Establishment der erfolgreichen Autoproduzenten an.

Doch hinter der Fassade der guten Absatzzahlen wurden die Probleme größer. Die meisten davon waren hausgemacht. Borgward finanzierte die drei Firmen sehr undurchsichtig und etablierte eine komplizierte Verwaltung. Es gab kaum Techniktransfer zwischen den Marken, neue Modelle mussten deshalb mit viel Aufwand und Geldeinsatz eigenständig entwickelt und produziert werden. In für damalige Verhältnisse sehr kurzen Zyklen brachten Lloyd, Goliath und Borgward neue Modelle auf den Markt oder wandelten vorhandene ab. Schnell zeigte sich, dass sich die drei Firmen damit übernahmen und ihre Kundschaft verwirrten. Außerdem entschied der Firmenchef, der als begnadeter und dem Fortschritt verpflichteter Konstrukteur galt, fast alles mit. Selbst bei Details mussten die Techniker und Designern Rechenschaft beim Patriarchen ablegen.

Carl F. W. Borgward und der Hansa 1500

Der Patriarch und eines seiner Autos: Carl F. W. Borgward präsentiert den Hansa 1500.

(Foto: NDR/Privatarchiv Christian Steiger/Ludwigshafen)

Schlechte Bremsen, defekte Getriebe, Kinderkrankheiten

Doch immer wieder traten Schwierigkeiten auf. Vom Modell Hansa 2400 versprachen sich die Bremer viel, aber mit seiner unorthodoxen Schrägheckkarosserie konnte sich dieser Borgward nicht in der Oberklasse behaupten. Schlechte Bremsen, defekte Getriebe oder kleinere Kinderkrankheiten brachten die anderen Autos aus der Hansestadt zusehends in Verruf. Im Volksmund kursierten geflügelte Worte, etwa "Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd". Einzelne Modelle wurden sogar ins Werk zurückbeordert und für viel Geld nachgebessert. Dennoch wollte Borgward Ende der Fünfzigerjahre mit dem P100 wieder in der Oberklasse mitmischen. Eine ungeahnt komfortable Luftfederung sollte das entscheidende Kaufargument sein, doch wieder gab es Qualitätsprobleme.

Einige kritische Presseberichte verschlimmerten die Situation. Die Bild-Zeitung oder die Tagesschau befassten sich immer wieder argwöhnisch mit der mangelnden Qualität der Autos oder Borgwards wirrem Firmengeflecht. Um Finanzlöcher an anderen Stellen zu stopfen, nahm Borgward immer wieder neue Kredite auf - meist von der Bremer Landesbank. In einer Titelgeschichte widmete sich Der Spiegel Ende 1960 Borgwards Geschäftsgebahren. Der Tenor des Artikels: Ein 70-jähriger beratungsresistenter Alleinherrscher erschüttere mit fragwürdigen Entscheidungen das Vertrauen der Kunden, Banken und der Politik und riskiere so 20 000 Arbeitsplätze.

Unvermeidlicher Konkurs oder Verschwörung?

Borgward Isabella

Die nach außen so heile Welt bröckelte im Hintergrund. 1961 war Borgward pleite - nach nur zwölf Jahren.

(Foto: Borgward AG)

Nun ging alles ganz schnell. Anfang 1961 wollte sich Borgward weiteres Geld leihen, doch auch aufgrund der kritischen Presse wurde daraus nichts. Um eine Pleite zu vermeiden, übereignete er seine Firmen dem Land Bremen. Ohne Erfolg, etwa ein halbes Jahr später gingen die drei Werke in Konkurs. Ob Borgward wirklich zahlungsunfähig war, ist nach wie vor umstritten. Alle Forderungen der Gläubiger sollen rasch befriedigt und sogar mehrere Millionen Mark übriggeblieben sein.

Bis heute gibt es deshalb Menschen, die an eine Verschwörung glauben. Befeuert durch den Fakt, dass mit dem Wirtschaftsprüfer Johannes Semler ein Mann den Vorsitz des Aufsichtsrates übernahm, der diese Funktion gleichzeitig bei BMW innehatte. Der Münchner Autobauer war seinerzeit ebenfalls ein Sanierungsfall und Borgward-Konkurrent, weshalb Semlers Unabhängigkeit angezweifelt wurde.

Finanziert mit chinesischem Geld

Christian Borgward kennt die tragische Unternehmergeschichte seines 1963 verstorbenen Großvaters - und ist gewarnt: "Das große Ziel ist, dass Borgward nie in eine Liquiditätskrise kommen darf", sagte er während des Genfer Autosalons dem Nachrichtensender n-tv. Dank chinesischer Millionen sieht er das Unternehmen solide finanziert. Das Geld kommt vom Nutzfahrzeughersteller Foton, der auch mit Daimler kooperiert. Der Staatskonzern liebäugelt schon länger damit, auch Personenwagen zu bauen, und Borgward greift gern zu. Schließlich ist der chinesische Markt, wenn er sich auch jüngst abgekühlt hat, besonders interessant. Produziert werden soll dort, wo die Autos verkauft werden - also auch in China.

Dennoch will Borgward als "deutsche Premium-Marke" (Knöss) wahrgenommen werden und wird deshalb seinen Firmensitz in Stuttgart einrichten. Der Newcomer zieht also in direkte Nachbarschaft so namhafter Konkurrenz wie Porsche und Daimler. Man darf die Wahl dieses Ortes durchaus als selbstbewusstes Statement verstehen. Die kleine Firma Borgward will wieder die Großen ärgern.

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