Christian Lindner:Im Gespräch mit der Ein-Mann-Kapelle der FDP

Christian Lindner

Christian Lindner bei einer Sitzung des nordrhein-westfälischen Landtags: Der FDP-Chef spitzt seine Formulierungen beim Autorisieren eines Interviews gern zu.

(Foto: dpa)

Er hat den wohl schlimmsten und besten Job des Landes: FDP-Chef Christian Lindner. Der SZ erklärt er, wie er die Flügelkämpfe beenden - und warum er bei der Bildung ansetzen will. Und nicht beim Steuerrecht.

Von Detlef Esslinger

Es gibt möglicherweise keinen schlimmeren und keinen besseren Job im Land, als Vorsitzender der FDP zu sein. Keinen schlimmeren, weil die Partei nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl 2013 weiterhin um ihr Überleben kämpft; daran ändert auch der Achtungserfolg neulich bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg wenig. Und keinen besseren, weil man in dem Job nichts zu verlieren hat: Entweder man führt die Partei zurück in den Bundestag, dann ist man der Held; oder es klappt nicht, dann lag es sehr wahrscheinlich nicht an Christian Lindner.

Vor ein paar Tagen war Lindner, 36, zu Gast im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung. Er mutet sich eine Art Deutschland-Tournee zu, die wohl noch bis zum Herbst 2017, bis zur nächsten Wahl, dauern wird. Selten wurde eine Partei so sehr durch ihren Vorsitzenden verkörpert wie die FDP derzeit von Lindner. Er ist die Ein-Mann-Kapelle, die die Partei mit einem neuen Sound ausstattet. Lindner will nicht, dass in der Partei entweder der Wirtschafts- oder der Bürgerrechtsflügel den Ton angeben. "Portionsliberale" nennt er diejenigen, die glauben, nur ihr Flügel sei derjenige, auf den es in der Partei ankomme.

"Ich will Vollprogramm", sagt Lindner im Interview mit der SZ. Und er will Schluss machen damit, dass sich die Partei in Details eines Programms verliert - und dabei vergisst, warum sie denn eigentlich und grundsätzlich angetreten ist. "Man kann sagen, wir haben unseren archimedischen Punkt wiedergefunden: den Einzelnen und sein Recht, glücklich zu werden. Dafür muss man ihn stark machen. Deshalb unser Einsatz für die weltbeste Bildung. Bei diesem Thema beginnen wir heute unsere liberale Erzählung. Und nicht beim Steuerrecht."

Bloß nicht wieder beliebig klingen!

Hamburg war das erste Erfolgserlebnis nach einer jahrelangen Serie von Desastern; Bremen im Mai wäre ein schönes zweites, aber keins, das unbedingt sein muss - in Bremen fehlt der FDP das Milieu. Seit 1991 hat sie dort nur zweimal den Einzug in die Bürgerschaft geschafft, derzeit ist sie mal wieder nicht drin. Baden-Württemberg in einem Jahr aber muss klappen, und Nordrhein-Westfalen im Frühsommer 2017 sowieso.

Um die Partei wieder einzunorden und um Wähler zu überzeugen, stellt Lindner nicht einfach praktische Forderungen für dieses oder jenes. Für jede praktische Forderung sucht er zunächst eine theoretische Begründung; nach der Devise: Bloß nicht wieder beliebig klingen!

Das geht dann so - Phase eins einer Antwort, der theoretische Teil: "Wir wollen dafür sorgen, dass das Individuum groß gemacht wird, und nicht der Staat. Wir erleben gerade eine gigantische Umverteilung: von den Privaten zum Staat, von der Zukunft in die Gegenwart." Phase zwei, nun wird's konkret: "Der Zins wird künstlich niedrig gehalten, die Finanzminister sparen sich viele Milliarden Euro Kapitaldienst, aber die Altersvorsorge verdunstet in der Sonne." Es folgt Phase drei, die praktische Forderung: "Das will ich beenden, mindestens dadurch, dass der Staat seinen Zinsvorteil an die Bürger zurückgibt. Und zum Beispiel den Soli abschafft."

Das ganze Interview mit Christian Lindner

Lesen Sie hier das vollständige Interview mit dem FDP-Chef - und erfahren Sie, welchem Parteikollegen Lindner besonders nahesteht und warum er das Freihandelsabkommen TTIP befürwortet.

Eine Frage und eine Antwort, die nicht mehr in die Print-SZ gepasst haben

Wer online einen Text für Süddeutsche Zeitung schreibt, hat es in einem Punkt leichter, als wenn er für die Print-Ausgabe schreibt, egal, ob es eine Nachricht, ein Kommentar oder eben ein Interview ist: Online muss man nicht eine exakte Zeilenvorgabe einhalten, wohingegen bei der gedruckten Zeitung ein Text eben da zu Ende sein muss, wo auch das das Layout zu Ende ist.

So kommt es vor, dass für die Printausgabe ein Interview nach der Autorisierung durch den Interviewten nochmals leicht gekürzt, dass in der gedruckten Fassung auf eine Frage und eine Antwort zur Not verzichtet werden muss. (Lindner ist übrigens ein angenehmer Autorisierer, er präzisiert und spitzt eine Formulierung gerne zu - er gehört aber nicht zu den Politikern, die im Gespräch etwas sagen, was sie hinterher nicht mehr gesagt haben wollen.)

Hier also eine Frage und eine Antwort, die in die Print-SZ nicht mehr hineinpassten. Man mag sie nicht für besonders sensationell halten, aber bitte:

SZ: Wenn wir uns in vier Jahren wieder zum Interview treffen, welche Frage möchten Sie dann gerne hören?

Christian Lindner: Eine Frage, die mit "die FDP-Bundestagsfraktion hat" beginnt.

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