Tennistrainer Christopher Kas:"Sieist auf einem guten Weg"

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Der Trainer verteidigt seine neue Spielerin Sabine Lisicki und lobt ihren Ehrgeiz und ihre Akribie.

interview Von Gerald Kleffmann

Die Tennisspielerin Sabine Lisicki aus Troisdorf wird seit Anfang des Jahres von dem früheren Doppelspezialisten Christopher Kas, 34, aus Trostberg trainiert. Die Wimbledon-Finalistin von 2013 hatte allerdings keinen guten Saisonstart und verlor bei fünf Turnieren jeweils gleich ihr erstes Match. In Indian Wells vor einer Woche gelang ihr mit der Halbfinalteilnahme ein Comeback. An diesem Freitag tritt die Weltranglisten-21. in Miami an, sie trifft zunächst auf ihre Fed-Cup-Teamkollegin Julia Görges. Ein Gespräch mit ihrem Coach, mit dem sie bei Olympia 2012 eine Medaille im Mixed nur knapp verpasst hat, über Trainingseinheiten, Spielstrategien und Kritik aus Deutschland.

SZ: Herr Kas, wie wichtig war der Erfolg in Kalifornien, als Sabine Lisicki erstmals bei einem Turnier der Masters-Serie, die von der Bedeutung nach den vier Grand Slams kommt, fast bis ins Finale stürmte und viele Kritiker überraschte?

Kas: Dieser Erfolg war sehr wichtig, wobei wir auch differenzieren. Erfolg fängt schon zwischen den Turnieren bei der täglichen Arbeit an. Zum einen geht es darum, dass Sabine im Training die richtigen Sachen macht und auch daran glaubt. Zum anderen dann natürlich darum, dass man diese Fortschritte im Match sieht. Siege sind der Idealfall und helfen, an diesen Weg zu glauben. Das ist ein Kreislauf. Misserfolge unterbrechen diesen Kreislauf, daher war es in dieser Phase wichtig, den Erfolg im Match zu sehen, dass sie ihn wieder spürt.

In Indian Wells hat Lisicki zu verstehen gegeben, dass sie sich oft überhart kritisiert fühlt in Deutschland, von Personen, die sie gar nicht gut kennen.

Ich kann gut verstehen, dass sie sich nicht immer richtig wiedergegeben sieht. Sie trainiert sehr, sehr akribisch und konzentriert. Ich bin absolut happy mit der Leistung, die sie im Training abliefert. Ich habe überhaupt großen Respekt vor ihrem Ehrgeiz, ihrem Willen. Was sie meint, ist, dass einige nicht immer mitbekommen, wie viel sie schuftet und wie oft sie noch eine Trainingseinheit dranhängt. Sie wird gerne stereotyp auf Auftritte auf dem roten Teppich reduziert, als lägen Niederlagen daran, dass sie zweimal im Jahr öffentlich zu gesellschaftlichen Anlässen geht. Ich glaube, wenn sich einige Dinge im Spiel noch verbessern, wird das auch in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen. Manchmal sind solche überspitzten Darstellungen auch der Preis des Ruhms. Extremes Lob verkehrt sich schnell ins Gegenteil. Sie ist aber auf einem guten Weg. Ich mache mir da keine Sorgen.

Viel Spaß beim Baden: Tennisprofi Sabine Lisicki nutzt ein wenig freie Zeit vor dem Turnier in Miami, um mit Delfinen zu schwimmen. (Foto: Mike Ehrmann/AFP)

Sie sind seit den Australian Open als Team zusammen, wie hat sich die Zusammenarbeit hinter den Kulissen entwickelt? Ist sie schwierig?

Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Sie hört sehr gut zu, sie versucht, jede Übung bestens umzusetzen, sie ist professionell. Ich arbeite mit einer Spielerin, mit der die Arbeit sehr viel Spaß macht. Wir sind definitiv einige Schritte weiter, aber noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich ihr Spiel zu hundert Prozent verstanden habe. Dann hat es auch gedauert, bis sie verstanden hat, was ich genau will. Boris Becker hat ja auch erzählt, dass sich er und Novak Djokovic erst richtig kennenlernen mussten, um herauszufinden, wie ihre Arbeit am besten zu Erfolgen führt. Findungsphasen sind wichtig, und deshalb ist es notwendig, geduldig zu bleiben. Irgendwann zahlt sich konsequente Arbeit immer aus.

Nur dürfte es bei Niederlagen schwierig sein, cool zu bleiben.

Die Ergebnisse lasen sich nicht gut, klar, aber einige Niederlagen waren doch viel knapper als dann geschildert. Drei Mal verlor sie im dritten Satz. Andere Male hatte sie auch einfach unglückliche Spiele. Im Tennis hängt viel mit dem Selbstvertrauen zusammen, das ist in diesem Sport völlig normal. Wenn es eine Ergebniskrise gibt, hadert man schneller mit sich. Sie hatte aber keine tiefe Form- oder Leistungskrise. Was sie spielen kann, hat sie in Indian Wells gezeigt. Deshalb gab es von meiner Seite aus auch keinen Grund zur Hektik. Wir sind überzeugt davon, an den richtigen Sachen zu arbeiten, man darf sich nicht von Nebengeräuschen dabei beirren lassen. So ist das Geschäft, ich kenne das ja aus eigener Erfahrung, auch wenn ich bei Weitem nicht den Bekanntheitsgrad hatte wie Sabine.

Woran arbeiten Sie mit ihr?

Natürlich viel am Spiel, an Strategien. Wir versuchen, dass ihr Spiel noch klarer wird, dass sie genau weiß, wie sie in welcher Phase eines Matches agieren kann und soll. Sie ist eine unglaublich talentierte, druckvolle Spielerin. Wir wollen auch die Fitness verbessern . . .

. . . ein Thema, das bei jeder pauschalen Kritik an Lisicki nie fehlen darf. Wie fit ist sie denn?

Es ist natürlich immer einfach, von außen in eine Kerbe reinzuhauen, die sich in den vergangenen Jahren mal ein bisschen aufgetan hat. Sie ist da auf einem sehr guten Weg, es gibt viele Bereiche, in denen sie sich noch verbessern kann. Da gehört die Fitness auch dazu, das wissen wir. Aber sie ist keine unfitte Spielerin, sie lebt von ihrer Schnellkraft und ihrer Durchschlagskraft. Wir wollen ja auch nicht, dass sie drei Stunden rechts, links läuft. Sie hat einfach eine andere Spielart.

Wie sehr geht es Lisicki nahe, dass so oft an ihr herumgemäkelt wird?

Sie ist schon tough. Aber manche Zeilen liest ja doch keiner gerne über sich. Das sind ja fast schon Stammtischparolen, die von sogenannten Experten in die Runde geworfen werden. Das hilft keinem, aber so sehr lässt sie das nicht an sich rankommen. Das Gute an ihrem Job ist, dass sie jede Woche sportliche Antworten geben kann und darauf wollen wir uns fokussieren: dass wir eine gute Leistung wie in Indian Wells bestätigen. So ein Tennisjahr ist eine lange Reise.

Ein Klassiker im deutschen Tennis sind immer wieder Expertenmeinungen von ehemaligen Profis. Zu hören war auch, dass manche am Trainer Kas zweifelten, er sei nicht der Richtige für diese Aufgabe, zu unerfahren, die Frauentour Neuland für ihn und überhaupt zu nett.

Für mich ist wichtig, wie ich in dem Team gesehen und aufgenommen werde, das ist hervorragend. Auch in der Szene habe ich nur positive Resonanz erhalten. Von Anfang an wurde mir viel Vertrauen entgegengebracht. Einige meinten, es sei sogar ein kluger Schachzug von Sabine gewesen, mich zu überzeugen, sie zu trainieren. Dass ein, zwei Personen das etwas anders sehen wollen, das steht jedem zu.

Wie gehen Sie beide nun bei der Zielsetzung in Ihrem gegenseitigen Findungsprozess weiter vor? Vom Potenzial her, das ist unbestritten, hat Lisicki alle Möglichkeiten.

Ganz ehrlich, unser nächstes Ziel ist, bestens vorbereitet in das Turnier von Miami zu starten. Wir setzen uns sehr kurzfristige Ziele, das haben wir in den letzten Wochen auch so gehandhabt. Die langfristigen Ziele werden dann sicher auch kommen. Aber das hilft uns beiden nicht, offensiv irgendetwas zu kommunizieren. Wir machen unsere Hausaufgaben Tag für Tag und verbessern uns stetig. Indian Wells war wirklich eine verrückte Reise, das hat total viel Spaß gemacht. Und die Erfolge haben uns noch mal bestärkt in unserem Weg.

Was ist eigentlich aus Ihrem Hobby geworden, dem Drehen lustiger Videofilme über Tenniskollegen? Dass das nicht mehr geht, ist jetzt Ihr Preis des Ruhms?

( lacht) Ich nehme eine Auszeit, weil ich mich zu hundert Prozent auf die Arbeit mit Sabine fokussiere. Aber ich werde mit Sicherheit irgendwann zurückkommen. Dafür machen die Videos zu viel Spaß!

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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