Zum Tod von Karl Moik:Verstellen musste er sich nie

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Karl Moik war ein authentisch Empfindender. (Foto: dpa/dpaweb)

Karl Moik galt als Schutzpatron der volkstümlichen Schlagerseligkeit, mit seinem "Musikantenstadl" erreichte er Millionen Zuschauer. Nun ist der Moderator im Alter von 76 Jahren gestorben.

Von Bernd Graff

Von Karl Moik reden Fans des Musikantenstadl heute noch. Auch wenn er die Volksmusiksendung, die er mit erfunden hatte, seit mehr als zehn Jahren nicht mehr moderierte und auch sein Nachfolger nun schon wieder abgesetzt ist, Karl Moik und der Musikantenstadl waren bis zuletzt verbunden.

Als Karl Moik die Sendung 1981 eröffnete, sah er noch aus wie eine Pfadfinderausgabe jenes souverän abgeklärten Karl Moik, der 2013 bei Markus Lanz erklärte: "Ich sehe zwar aus wie 74, bin aber 75." Dazu kamen Wilhelm-Busch-artige Verse, die etwa so gingen: "Wir wollen beweisen mit Schwung und mit Scherz, dass jugendlich bleibt nur ein fröhliches Herz. Drum macht's euch bequem! Vergesst Sorg und Tadel! Karl Moik sagt: Willkommen beim ersten Musikantenstadl!"

Karl Moik wurde am 19. Juni 1938 im oberösterreichischen Linz geboren. Seinen Vater, den er in seiner 1997 erschienenen Autobiographie "Ich habe nichts geschenkt bekommen" seiner damals schon ehrfürchtigen Anhängerschaft als "Musiker, Hallodri und Windhund" vorstellte, hat er erst mit fünf Jahren kennengelernt. Die Mutter brachte die Familie als Sekretärin in einer Papierfabrik alleine durch.

Moik war gelernter Werkzeugmacher, arbeitete auch als Vertreter von Kopiergeräten und Fernsehantennen, hatte aber stets ein Faible für Musik, er beherrschte das Klavier und das Akkordeon. Moik galt nach eigenem Bekunden zu Schülerzeiten als Klassenclown, das Unterhalten war sein Lebenselixier. Als Mitglied des Jazz-Trios "Jolly Austrians" tingelte er durch ganz Europa. 1970 absolvierte er am Salzburger Mozarteum eine Sprechausbildung und moderierte ab 1973 beim ORF in Linz die Rundfunksendung Volkstümliche Hitparade. Da entstand auch die Konzeption des verharmlosend "Volksmusik-Fernsehsendung" genannten Musikantenstadls, den er 1981 zuerst für den ORF, von 1983 an auch für die ARD moderierte, und der ihm eine ungewöhnliche, bis nach China, Russland, Kanada, Australien und Südafrika reichende Popularität bescherte.

Auch bei abgeschalteter Fernsehkamera tourte Moik mit seinem Stadl durch mitteldeutsche Kleinstadthallen. Er tourte aber auch international: Der Süddeutschen Zeitung erklärte Moik im Jahr 2005, dass zu den Höhepunkten seiner Karriere als Stadl-Moderator die Sendung in der DDR kurz nach der Maueröffnung 1989 zählte, dann ein Treffen mit Nelson Mandela anlässlich der Live-Sendung aus Kapstadt 1998 und eine Sendung aus Peking mit Auftritt vor dem Tor der "Verbotenen Stadt", die auch im chinesischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.

Moik erreichte damit 600 Millionen Zuschauer. Mehr als eine halbe Milliarde Menschen, meine Damen und Herren! Da war er längst kein Pfadfinder mehr, sondern ein TV-Schwergewicht. Den DDR-Stadl eröffnete er mit den Worten: "Ich kann's nicht glauben, hier bei Ihnen in der DDR zu sein."

Und das nahm man dem Mann in seinen entweder gewerkschafterkarierten Sakkos oder gleich in ehrlichen Trachtenjankern mit farblich immer danebenliegenden Krawatten und Halsbanderln zur sturmfest gescheitelten Frisur immer gerne ab. Denn Moik war, anders als der vor ihm verstorbene Heinz Schenk, in seinen Knochen nicht komödiantisch veranlagt, Moik war bis zur Tränenseligkeit ein authentisch Empfindender. Seine von ihm gerne geduzte Klientel konnte sich darauf verlassen, dass der Mann sich nicht verstellte.

Dieses Volkstum-Business, das ja durchaus verrenkte, aber verschlagene und berechnende Gestalten kennt, die mit Hi-Ha-Ho-Heimatklängen eine schnellere Mark machen wollen als in ihren erlernten Berufen, hatte in Moik den verlässlichen, in sich ruhenden Herbergsvater des Stadls gefunden. Er verbrach nichts unter oder über seinem Niveau. Hauptsache heiter. Tatsächlich war er auch mit einer gehörigen Portion Humor und Selbstironie gesegnet. Die brauchte er auch, denn so oft wie Moik ist kaum einer parodiert worden, Heino vielleicht ausgenommen.

Dem Hamburger Abendblatt zufolge galt Moik zwar als "Bewahrer deutschen Liedgutes", lehrte seine Gegner aber als "Inbegriff schunkelnder Spießigkeit" das Fürchten. Der Erfolg gab dem "Schutzpatron aller volkstümlichen Schlagerseligkeit" (SZ) aber einfach nur recht: Rund sieben Millionen Zuschauer schalteten den Musikantenstadl im Schnitt ein. Und es schien die Fans auch kaum zu stören, dass außer Moiks Moderation im Stadl nichts echt war, sämtliche Musik als reines Vollplayback gesendet wurde und sogar das Orchester, obwohl es aus ausgebildeten Musikern bestand, während der Sendung keinen einzigen Ton von sich gab (SZ, 16.9.2002). Die ganze Show ein Fake wie die Kulisse, darin nur einer, der wirklich echt ist und wirklich spricht: Karl Moik.

Moik war durchaus kämpferisch. Im Jahr 2001 wollte er den Träller-Krempel hinschmeißen, jedenfalls drohte er damit, weil eine im Oktober in Dubai aufgezeichnete Sendung nach den Anschlägen vom 11. September von der ARD aus dem Programm genommen worden war. Sie wurde später nachgeholt.

Dass es um Moiks Gesundheit nicht zum Besten stand, machte sich 2004 bemerkbar, als er bei einer Karnevalsfeier in Köln einen Herzinfarkt erlitt, er pausierte danach nur kurz. Die ARD-Abschiedssendung, der fünfstündige "Silvesterstadl" aus Klagenfurt, erreichte Ende 2005 eine Einschaltquote von 20,3 Prozent. Noch in dieser Sendung erlitt der sichtlich bewegte Moderator einen Schlaganfall, moderierte aber weiter und musste anschließend zehn Tage stationär behandelt werden.

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Moik ärgerte sich, dass er den Titel der von ihm erfundenen Sendung, die er nicht nur etabliert, sondern auch gegen die Konkurrenz von 30 ähnlichen Shows verteidigt hatte, nicht hatte schützen lassen. Seinen Musikantenstadl übernahm von Herbst 2006 an Schlagersänger Andy Borg. Auch wenn dieser im Sommer nun den Jugendlichkeitsplänen der ARD weichen muss: Spätestens seit Borg weiß die Welt, was sie an Moik hatte.

2013, da war er schon seit acht Jahren nicht mehr Stadlwirt, bekannte Moik, dass er sich erst jetzt nicht mehr über seine Absetzung ärgere: Er habe den Stadl ja ein Vierteljahrhundert lang gemacht, war bis zur Auswahl der Sänger für alles zuständig, was ja auch anstrengend war. Er sei jetzt "locker darüber hinweg" und blicke nicht mehr zurück.

Karl Moik, dieses unvergleichliche Fernsehgewächs des späten deutschen Wirtschaftswunders und der fetten Kohl-Jahre, war seit 1964 mit seiner Frau Edith verheiratet, sie hat ihn bei seiner Stadlbewirtung auch gemanagt. Sein Sohn Wolfgang führte oft beim Musikantenstadl jene Regie, die bei einer Vollplaybacksendung eben doch noch geführt werden musste. Schlager als Family-Business.

Anlässlich seines 75. Geburtstags hat Moik noch gesagt: "Man weiß ja in meinem Alter, dass die Wegstrecke nicht mehr so lange ist, aber ich will sie noch genießen, so weit es geht." Moik war danach noch ein gutes Jahr vergönnt. Am Donnerstag ist er mit 76 Jahren gestorben.

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