Nico Rosberg:Permanent im Aufholmodus

Malaysia Formula One Grand Prix

Steigert sich permanent - körperlich, strategisch, fahrerisch: Nico Rosberg in Malaysia.

(Foto: dpa)

In Malaysia startet Formel-1-Pilot Nico Rosberg zum ersten Mal seit zehn Rennen nicht aus der ersten Reihe. Im Mercedes-Duell mit Lewis Hamilton steht er schon im zweiten Saisonrennen unter Druck.

Von Elmar Brümmer, Sepang

Das Treppenhaus wollte kein Ende nehmen. 2170 Stufen, dann war Nico Rosberg endlich ganz oben, auf der Aussichtsplattform der Petronas Towers in Kuala Lumpur. Der beschwerliche Aufstieg und der grandiose Ausblick - die ganze Welt zu Füßen - haben einen gewissen Symbolcharakter für den deutschen Rennfahrer, denn sein Vorhaben auf den Formel-1-Strecken gestaltet sich ganz ähnlich.

Allerdings geht es zuweilen auch mal wieder eine Stufe runter: Am Sonntagmorgen startete Rosberg, nachdem er beim Saisonauftakt in Melbourne sowohl im Qualifying als auch im Rennen auf Platz zwei gelegen hatte, vom dritten Platz aus in den Großen Preis von Malaysia. Und diesen Platz belegte er dann auch bei der Zieleinfahrt nach einem Rennen, bei dem er zu keiner Zeit ernsthaft etwas mit dem Sieg zu tun gehabt hatte. Auf dem Podium stand er etwas verloren, dieser dritte Platz kommt für Rosberg tatsächlich einer Niederlage gleich. "Ich freue mich auf das nächste Rennen", sagte er noch während der Siegerehrung, "und dann werde ich versuchen zu gewinnen." Er ließ noch eine trotzige Ankündigung folgen: "Wir werden zurückschlagen!"

Nico Rosberg befindet sich im Aufholmodus, er steigert sich permanent - körperlich, strategisch, fahrerisch. Das Verhältnis zwischen dem britischen Weltmeister Lewis Hamilton und dem deutschen WM-Zweiten ist wie Hund und Katz, nicht erst nach dem fatalen Rammstoß Rosbergs gegen Hamilton im letzten Herbst. Der rüde Akt des Teamkollegen hatte Hamilton damals nur scheinbar in die sportliche Aussichtslosigkeit befördert - aus der er im Finale dann doch noch als Weltmeister hervorging.

Das wirkt auch noch nach in diese Saison, in die Hamilton nicht mit der standesgemäßen Zahl für den Champion geht, sondern mit der "44", mit der er schon als Kart-Knirps seinen ersten Titel gewonnen hatte. Dahinter verbirgt sich aber auch die Botschaft, dass er sich sowieso für die Nummer eins hält. So tritt er auf, immer. Selbst, wenn er mal nicht gewinnt.

Bloß nicht zerbrechen - auch nicht am Trotz

Dass ärgert Nico Rosberg, Startnummer sechs, natürlich immens. Und Hamiltons Auftaktsieg samt wiederholtem Qualifikationserfolg setzt ihn schon beim zweiten Rennen der Saison mächtig unter Druck. Denn es soll seine Saison werden, und er hat durchblicken lassen, dass er sie mit Köpfchen für sich entscheiden will. Vergleiche gegen den Teamkollegen zu verlieren, das ist das härteste Brot im Motorsport.

Das Selbstbewusstsein des 29-Jährigen scheint immer noch intakt. Mit Enttäuschungen umzugehen, hat er gelernt. Zumindest sieht das so aus. Und noch ist da auch ein großes Maß an Trotz. Bloß nicht zerbrechen. Nico Rosberg war tatsächlich schon ganz nah dran, den zweiten Weltmeistertitel nach Papa Keke 1982 in die Familie zu holen, und er war sich vor dieser Saison sowas von sicher (das passende Wort aus seinem Sprachgebrauch wäre vermutlich "mega"), das von ihm definierte fehlende letzte Quäntchen wettzumachen.

Zwölf Minuten unter schwierigen Bedingungen

So ein "Bambi" ist ja kein Trost, wenn der andere den Weltpokal bekommt. Am Ehrgeiz und am fahrerischen Talent hat es ihm ohnehin nicht gemangelt, die drei Jahre an Michael Schumachers Seite in der Anlaufphase des Mercedes-Teams waren dazu der ideale Anschauungsunterricht für die Arbeitsweise mit den Ingenieuren.

In seiner zehnten Formel-1-Saison geht Nico Rosberg Strategie über alles: Tüfteln über die richtige Benzinmenge, ausbalancieren der Abstimmung, das Leben neben der Rennstrecke, die öffentlichen Auftritte ebenfalls bis ins Detail durchdacht. Fast scheint es, als ob er Improvisation fürchtet. Und genau auf dieser Ebene spielt sich die Auseinandersetzung mit dem Gegenspieler ab. Vernunft gegen Verwegenheit. Hamilton hat nach einem perfekten 2014 privat nicht mehr alles im Griff, er arbeitet noch daran, auf die höchste Stufe seiner Fitness zu kommen, aber die Intuition funktioniert schon wieder bestens, wie am Samstag zu besichtigen war.

"Was fährt denn der für eine Linie?!"

Die entscheidenden letzten zwölf Minuten der Qualifikation beim Großen Preis von Malaysia liefen unter schwierigen Bedingungen, nach der halbstündigen Unterbrechung durch einen Monsunguss war die Ideallinie noch nicht ganz trocken gefahren. Nico Rosberg hatte bislang Runden hingelegt, von denen er später sagen sollte, dass sie "definitiv nicht ideal" waren. Plötzlich schoss von hinten Hamilton heran, geht im Kurveninneren vorbei und hatte am Ende der Runde seine Tagesbestzeit noch einmal verbessert. "Was fährt denn der für eine Linie?!", fragte Rosberg über Funk seinen Ingenieur. Antwort: "Sorry, das kann ich dir nicht sagen." Später gab es dazu nochmal Gesprächsbedarf. Hatte Rosberg zuvor Hamilton absichtlich blockiert? "Nico hat sicher eine Meinung dazu", sagte Hamilton grinsend. Rosberg winkte nur ab: "Keine Diskussion wert." Hamiltons Zeit aus der Runde davor hätte eh zur Bestzeit gereicht.

Nico Rosberg wurde am Ende der zweite Startplatz noch von Sebastian Vettel entrissen, erstmals seit zehn Rennen stand er nicht in der ersten Startreihe. "Ich bin so gut wie noch nie im Nassen gefahren, aber am Ende war es eben nicht gut genug." Doch seine Hoffnung, dass es im zweiten Grand Prix des Jahres besser läuft, hat sich erfüllt.

Für ein möglichst gedeihliches Miteinander der beiden Rivalen, die schon lange keine Freunde mehr sein können, gibt es bei Mercedes einen Verhaltenskodex, der gerade erst wieder aktualisiert worden ist. Zur Konzern-Kollegialität gehört auch, dass die Kontrahenten ihre jeweilige Fahrzeugabstimmung offenlegen.

Der Benzinverbrauch spielt im Hybrid-Zeitalter eine große Rolle, es kommt auf ein Haushalten wie beim Kuchenbacken an - ein paar hundert Gramm Sprit entscheiden über Sieg oder Niederlage. Im Qualifying von Melbourne hatte Hamilton das Setup von Rosberg übernommen und damit den Verfolger in Schach gehalten. Spätestens da wusste der Deutsche, dass der Weg ganz nach oben beschwerlich bleibt.

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