Tennisspieler Alexander Zverev:Wunderkind im Wartestand

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Hat viel vor im Tennis: der 17-jährige Alexander Zverev

(Foto: dpa)

Heilsbringer, Alexander der Große - was hat Alexander Zverev nicht alles schon über sich lesen dürfen. Der 17-jährige Tennisprofi aus Hamburg ist hochbegabt, doch wird er jemals in der Weltspitze ankommen?

Von Matthias Schmid

Hamburg. Immer wieder Hamburg. Es ist die Heimatstadt von Alexander Zverev, die ihm überall auf dem Planeten begegnet. Auch auf der Insel Key Biscayne vor Miami, im Crandon Park, wo in diesen Tagen eines der wichtigsten Turniere im Tenniskalender ansteht, wurde er nach Hamburg gefragt. Wie es war, als er im vergangenen Sommer dort als erster 17-Jähriger überhaupt das Halbfinale eines Turniers der 500er-Kategorie erreichte, wollten die Reporter wissen. "Nun, das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, aber es war auch schwierig für mich das anschließend mental alles zu verarbeiten", entgegnete Zverev.

Dass sich die Leute auch im fernen Florida für ihn interessieren, liegt daran, dass er am Donnerstagabend den Australier Sam Groth schlug, es war sein erster Sieg bei einem Masters-Turnier in seiner Karriere.

In seinen Interviews antwortete Zverev in einem flüssigen Englisch mit amerikanischem Akzent. Er hat sich mittlerweile daran gewöhnt, im Blickpunkt zu stehen, die Menschen schauen zu dem 1,98 Meter großen Sportler hinauf, seit er auf wundersame Weise und mit einem Schlag auf die große Bühne drängte und sich innerhalb von nur ein paar Tagen in der Weltrangliste um mehr als 500 Ränge nach oben katapultierte.

Sehnsucht nach neuen Helden

Die Sehnsucht vor allem in Deutschland ist groß nach neuen Helden im Tennis, eine gefühlte Ewigkeit liegen die formidablen Erfolge von Boris Becker, Steffi Graf oder Michael Stich zurück, aber auch im Ausland finden sie Gefallen an jungen Spielern, die zu Größerem taugen und die fabelhaften Vier, Novak Djokovic, Roger Federer, Rafael Nadal und Andy Murray herausfordern könnten. "Wunderkind" tauften die ausländischen Medien den Deutschen schnell.

Mit diesen überzogenen Erwartungen kann Zverev, den alle nur "Sascha" rufen, nichts anfangen. Er tut diese Vergleiche sogar als "Schwachsinn" ab, wie er sagt. "Das waren Spieler, mit denen ich mich nie vergleichen würde." Doch die Parallelen vor allem zu Stich sind frappierend. Wie der gebürtige Elmshorner ist Zverev ein Schlaks, sogar noch fünf Zentimeter länger, ein Stilist, der sich trotz seiner Größe elegant über den Platz bewegen kann, der Jüngere schlägt noch härter auf, Stich hingegen war vielleicht noch mit einem brillanteren Ballgefühl gesegnet. "Ich sehe sehr viel von mir in ihm", sagt Michael Stich, der Hamburger Turnierdirektor und Förderer von Zverev, über den aufstrebenden Jüngling.

Dass der Weg in die Weltspitze nicht so geradlinig ist, wie sich das viele vorstellen können und wollen, ist Zverev durchaus bewusst, er plant die Brüche deshalb gleich bewusst mit ein. "Ich weiß, dass ich noch nichts erreicht habe", sagt er dann. Nach dem größten Erfolg seiner Karriere hat er schnell erfahren müssen, dass sich solche Siege auf der großen Profi-Tour rasch verflüchtigen, sie beeindrucken die Gegner nicht, sie stacheln sie eher an. Zverev hat anschließend kein großes Match mehr gewinnen können. Lediglich bei drei Turnieren der zweitklassigen Challenger-Tour erreichte er noch jeweils das Viertelfinale.

"Niemand sollte vergessen, dass ich erst 17 bin"

"Es ist nicht einfach, wenn man nach einer Halbfinalteilnahme bei einem 500er-Turnier plötzlich bei einem 250er wieder in der Qualifikation spielen muss und dort in der ersten Runde verliert", hat Zverev in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt mal erzählt. Er musste sich erst einmal an die Tatsache gewöhnen, dass er Spieler sah, die im Hauptfeld spielen durften, obwohl er sie in Hamburg noch locker geschlagen hatte.

Hamburg, immer wieder Hamburg. Das Turnier in seiner Heimatstadt bildet eine Zäsur in seiner Karriere, er arbeitet nun daran, sich davon zu emanzipieren, nur eine gewöhnliche Episode daraus werden zu lassen.

Alexander Zverev kann dennoch nicht verhindern, dass er dabei unter ständiger Beobachtung stehen wird, nur er scheint die Gier nach einem neuen Tennishelden in Deutschland stillen zu können, der die Tenniswelt erobert und endlich mal wieder ein großes Grand-Slam-Turnier gewinnen kann. Weit und breit ist niemand in seinem Alter zu sehen, der auch nur annähernd seine Begabung hätte. Ihn zum nächsten Majorsieger hochzujazzen, ist aber viel zu verfrüht. "Niemand sollte vergessen, dass ich erst 17 bin", sagt Zverev selbst.

Herausragende Grundschläge - mentale Stärke

Ihn können noch die ganzen Unwägbarkeiten der Branche treffen. Verletzungen, sportliche und persönliche Krisen. Aufstrebende Tennisspieler waren in Deutschland immer wieder aufgetaucht. Doch wer kann sich beispielsweise noch an Daniel Elsner erinnern, den Jungen aus Memmingen, der innerhalb eines Kalenderjahres drei von vier Grand-Slam-Turnieren bei den Junioren gewann und beim vierten erst im Endspiel scheiterte. Auch den Hochbegabten Nicolas Kiefer und Tommy Haas ist es nicht gelungen, zumindest das Endspiel eines Majorwettbewerbs zu erreichen. "Sascha hat definitiv großes Potential", sagt Stich, "aber ihn als Heilbringer des deutschen Herrentennis zu sehen, wäre unfair."

Dass er alles mitbringt, um später mal im Tennis reüssieren zu können, ist unbestritten. Mit seinem Bruder Mischa, einem früheren Top-50-Spieler, arbeitet er besonders an seiner Fitness. Die Grundschläge sind schon herausragend, auch seine mentale Stärke. Gegen Groth machte er im dritten Satz die wichtigen Punkte und ließ sich auch nicht von den starken Winden beeindrucken. In der nächsten Runde trifft der Weltranglisten-129. nun auf den Tschechen Lukas Rosol. "Irgendwann", sagt Alexander Zverev in Miami, "hoffe ich, dass ich auch so große Turniere gewinnen kann wie Federer oder Djokovic." Bisher begegnet er ihnen nur auf dem Trainingsplatz. Oder in der Kabine.

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