Eishockey-Geschäftsführer:"Ich rede mich wieder um Kopf und Kragen"

Lothar Siegl

Als Lothar Sigl den Augsburger EV übernahm, stand der Klub an der Schwelle zur vierten Liga. Am Donnerstag jährte sich das Datum zum 28. Mal.

(Foto: imago)

Lothar Sigl, Chef der Augsburger Panther, über die schwierige DEL-Saison.

Interview von Johannes Schnitzler

Ein Frühlingsmorgen, kurz nach neun. Lothar Sigl kontrolliert den Wareneingang. Der 57-Jährige führt ein Gasthaus in Friedberg-Rederzhausen. Außerdem führt er die Augsburger Panther - seit 28 Jahren. Die DEL-Saison 2014/15 allerdings war eine, die er gerne möglichst schnell vergessen würde: Platz zwölf, Playoffs verpasst, im Dezember musste Trainer Larry Mitchell nach sieben Jahren gehen. Den Brief an die Dauerkarten-Kunden ziert ein großer, roter "Reset"-Knopf. Und so kümmert sich Sigl neben Reservierungen und Lieferanten-Gesprächen auch um den Neustart der Panther. Während des Gesprächs wird sein Telefon elf Mal läuten. Zur Begrüßung fragt er: "Was kann ich Ihnen antun?"

SZ: Herr Sigl, Augsburg ist als Nachfolger Münchens Austragungsort für den Deutschland Cup. War das nach dieser Saison für Sie Trost oder Genugtuung?

Lothar Sigl: Das muss man trennen. Wir sehen den Deutschland Cup als Anerkennung des Standorts Augsburg, als Belohnung für viele, viele Jahre AEV und Panther. Es wäre natürlich verlogen, wenn ich sagen würde, dass wir uns keinen Imagegewinn und keine Kontakte davon erwarten.

Schlau von Ihnen, schon im Oktober beim DEB vorzufühlen.

Mit dem neuen DEB-Präsidium und der Eishockey-Nationalmannschaft-Vermarktungs-GmbH - tolles Wort! - gibt es eine enge Zusammenarbeit. Es war ja bekannt, dass der Vertrag mit dem Olympiapark ausläuft. Und da haben wir uns ganz einfach berufen gefühlt, den Traditionsstandort Augsburg ins Gespräch zu bringen.

Sie haben vom Stolz gesprochen, dass "uns kleinen Augsburgerlein" so ein Coup gelungen ist. Gibt es Minderwertigkeitskomplexe gegenüber München? Oder spielen Sie nur gerne den Underdog?

Vielleicht beides. Wir machen uns schon ganz gern ein bisschen kleiner. Ich glaube, dass die Panther nach 20 Jahren in der DEL ihren Stellenwert haben. Andererseits kann man strukturelle Nachteile nicht wegdiskutieren. Ich bin bemüht, Realismus einzufordern, auch wenn ich dafür von den Fans geprügelt werde. Für uns sind Playoffs wie ein Europacup-Platz im Fußball für Mainz oder Freiburg. Aber ich kann verstehen, dass das für Fans ermüdend ist.

Nach Weihnachten haben die organisierten Fans die Spiele boykottiert.

Die Fans haben nicht die Spiele boykottiert, sie haben sich für einen Anfeuerungsboykott entschieden. Ein Grund dafür war Misskommunikation, Dinge, die inzwischen ausgeräumt sind. Die Fans stehen hinter dem AEV. Stille im Stadion hilft niemandem weiter.

War diese Saison Ihre schwierigste?

Wenn ich ehrlich bin: Ich glaube nicht. Ich habe es auch schon geschafft, dass ich im Stadion persönlich ausgebuht worden bin. Was diese Saison so frustrierend war: Auf dem Papier hatten wir eine starke Mannschaft, am Anfang standen wir weit oben - und dann dieser Sturzflug. Es wäre mehr drin gewesen, das war auch der Grund, warum die Fans so negativ reagiert haben.

Was ist schlimmer: der Einnahmeverlust oder der Verlust an Reputation?

Einnahmen aus Playoff-Spielen kalkulieren wir nie, so verrückt sind wir nicht. Es schadet uns mehr, dass wir an Attraktivität für Fans und Sponsoren verlieren.

Haben Sie mittlerweile eine Erklärung?

Nein. Wir können es nicht greifen. Ich habe mich mit fast allen Spielern intensiv ausgetauscht, die Ausreden, die ich gehört habe, sind abendfüllend. Aber ich bin nach wie vor nicht so weit zu sagen: Das war der eine entscheidende Punkt. Entscheidend war die Gesamtheit aller Probleme. Der Trainer alleine war es sicher nicht. Wir hatten auch mit Larry Mitchell schon längere Durststrecken und schlimmere Krisen.

Dennoch musste Mitchell nach sieben Jahren gehen. Warum diesmal?

Die sportliche Krise ist zusammengefallen mit seinen gesundheitlichen Problemen, die ihm vielleicht ein wenig die Fokussierung auf uns geraubt haben. Wenn man sich nach so vielen Jahren trennt, ist das schmerzhaft. Vielleicht waren wir genau dieses eine halbe Jahr zu lang beieinander. Das Ganze ist ein großes Puzzle, und am Ende waren viele kleine Probleme so groß, dass wir die Saison versandelt haben.

Von den Fans hagelte es Kritik: am Trainer, am Charakter der Spieler, an Ihnen. Zuletzt, weil Sie nicht beim Saisonabschlussfest waren.

Da war ich in 28 Jahren noch nie. Aber die meisten Fans und Sponsoren sehen das wie ich: Man braucht nicht nachzutarocken, die Saison ist schief gegangen.

Sie pflegen eine auffällige Distanz zur Aufgeregtheit im Profizirkus. Wie geht das?

Das ist ein ziemlicher Spagat. Für uns ist Stabilität das Wichtigste. Risiko geht man in der Saisonplanung immer. Aber man sollte es so hinbasteln, dass der Klub auch nach einem sportlich schlechten Jahr eine Zukunft hat. Der Transport dieser Philosophie an die Fans ist schwierig, weil wir mittlerweile in einer Gesellschaft leben, die unterhalten sein will, die das Event sieht, aber nicht mehr den Hintergrund.

Wie gehen Sie damit um?

Ich bin da sehr entspannt. Es gibt einen kleinen Kreis von Hardcore-Fans, die sich in irgendwelchen Online-Foren tummeln. Aber soll ich auf Meinungen von Leuten etwas geben, die gar nicht ins Stadion gehen und sich auch noch anonym äußern? Damit mag ich mich nicht belasten, sonst kann man nicht weitermachen. Viel schlimmer wäre es aber, wenn die Panther niemanden interessieren würden. Dann lieber Emotionen und Herzblut. Das Gute ist ja: Auch die, die Feuer legen, leben Eishockey. Auch wenn sie teilweise gefährliches Halbwissen publizieren.

Zum Beispiel, dass Sie viel zu spät auf dem Transfermarkt unterwegs ist?

Der Spielermarkt ist so riesengroß, dass es darum geht, die richtigen zum richtigen Zeitpunkt zu holen. Und ein Verein wie wir bekommt die eben nicht im März. Wir müssen versuchen, mit dem kleinstmöglichen Etat den größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Ab und zu gelingt es Klubs wie Krefeld, einen Daniel Pietta längerfristig zu halten. Aber in Augsburg, Schwenningen oder Straubing wird so einer nie auftauchen.

Warum bietet Augsburg keine Zehnjahres-Verträge an, wie Krefeld ihn Pietta bot?

Weil das lebensgefährlich ist. Nehmen Sie mein Lieblingsbeispiel Straubing: Ich bin mir sicher, dass die Sportliche Leitung dort den einen oder anderen Vertrag in der Vergangenheit lieber nicht gemacht hätte.

Dort entscheidet jetzt Larry Mitchell - und Sie haben seine Aufgaben am Hals.

Es wäre ja schlimm, wenn Larry Mitchell hier kein Loch hinterlassen hätte. Dann hätten wir ja Geld beim Fenster rausgeschmissen. Der Unterschied ist, dass wir etwas mehr Zeit brauchen, um den Markt zu sondieren. Aber es muss sich niemand Sorgen machen, dass wir im August keine Mannschaft haben.

Sie haben diese Woche in Brady Lamb, Arvids Rekis und James Bettauer drei Spieler gehalten. Andererseits hat Straubing drei Profis aus Augsburg geholt. Früher hat Larry Mitchell Talente in Nordamerika entdeckt, sucht er sie jetzt beim AEV?

Der Markt hat sich verändert. Die unterklassigen Verpflichtungen, die diamonds in the rough, wie wir sie genannt haben, sind kaum mehr zu finden, weil bis in die College-Ligen hinein alle ihre Agenten haben. Wir werden so hart arbeiten wie in der Vergangenheit, nur wird der Verantwortliche nun eben nicht mehr Mitchell heißen, sondern einen anderen Namen tragen.

Einen Namen gibt es ja schon . . .

. . . den wir Ihnen noch nicht sagen.

Ein ziemlich starkes Indiz dafür, dass der neue Trainer noch im Playoff-Betrieb ist.

Ein Indiz! Aber dabei wollen wir es belassen, sonst verplappern wir uns bloß.

Sie haben gesagt, es handele sich - für Augsburger Verhältnisse - um einen "Hochkaräter".

Hab' ich das gesagt?

Man sagt, Sie hätten es gesagt.

Oh Gott. Ich rede mich immer wieder um Kopf und Kragen.

Bitte.

Wir haben uns zum Glück sieben Jahre lang um diese Frage keine Gedanken machen müssen. Bei Spielern ist man immer überzeugt, dass man absolute Hochkaräter hat, richtige Juwelen. Und dann ist es manchmal nur ein Kieselstein. Aber beim Trainer bin ich schon sehr optimistisch.

Bekommt er einen langfristigen Vertrag?

Nein. Auch bei Mitchell haben wir immer nur ein Jahr gemacht, ohne Optionen und sonstige Scherze. Wenn ein großer Klub kommt, haben wir eh keine Chance und wünschen ihm alles Gute für den weiteren Weg. Entweder will einer hier sein, mit Herz und Seele. Oder es ist besser, er geht.

Das spricht für einen jüngeren Trainer, einen wie Mike Stewart zum Beispiel, 42, Meister der DEL2 mit Bremerhaven . . .

Wir kommentieren keine Namen.

Oder Rob Daum? Der ist zwar schon 57, österreichischen Meister mit Linz . . .

Die Antwort ist dieselbe: kein Kommentar.

Für Stewart spricht, dass er frisch ist, Daum kennt den internationalen Markt.

Sie wollen mich dazu bringen, dass ich vielleicht doch einen Halbsatz loslasse, in den man etwas hineininterpretieren kann.

Ertappt.

Aber ich kommentiere es trotzdem nicht.

Vielleicht können Sie etwas zum Jobprofil des Trainers sagen. Wird er die Aufgaben eines Managers mit übernehmen?

Die Aufgabe eines Managers ist eigentlich erledigt, wenn die Mannschaft im August aufs Eis geht. Ich sehe einen Trainer, der sich zu hundert Prozent um das Sportliche kümmern kann. Und ein Großteil der klassischen Managertätigkeiten wird bei uns sowieso seit Jahren von Duanne Moeser erledigt, der die Rahmenbedingungen kennt.

Dazu gehört, dass es keinen großen Hauptsponsor gibt.

Natürlich wäre ein Sponsor gut, der sich für zwei, drei Jahre verpflichtet, um etwas aufzubauen. Aber der Markt ist überschaubar. Außerdem haben wir hier einen Fußball-Hype um den FCA. Da tun sich Konkurrenten wie Iserlohn oder Straubing leichter, wo es nichts gibt außer Eishockey.

Könnten die Panther nicht von der Popularität des FCA profitieren?

Schön wär's. Momentan ist der FCA in einer Situation, da will jeder draufspringen. Augsburg wird anders wahrgenommen, frischer, lebendiger, seit der FCA diesen Erfolg hat. Wir standen viele Jahre allein für den Augsburger Sport, aber eben nur in einer, in Anführungszeichen, Randsportart.

Und jetzt räumt der Fußball alles ab.

Es ist nicht so, dass der FCA uns schadet. Wir freuen uns über deren Erfolg, er ist hart erarbeitet und verdient.

Aber eigene Erfolge wären Ihnen lieber.

Ein Großsponsor würde uns sicher weiterhelfen. Unsere Türen stehen immer offen.

Sie sind ja so bescheiden.

Der Augsburger neigt eben dazu, dass er sich kleiner macht.

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