Germanwings:"Nie mehr so wie früher"

Germanwings: Bernard Bartolini, 63, ist ehrenamtlicher Bürgermeister der 195 Einwohner zählenden Gemeinde Prads-Haute-Bléone im Département Alpes-de-Haute-Provence.

Bernard Bartolini, 63, ist ehrenamtlicher Bürgermeister der 195 Einwohner zählenden Gemeinde Prads-Haute-Bléone im Département Alpes-de-Haute-Provence.

(Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Wie so ein Flugzeug-Unglück ein kleines Alpendorf verändern kann, weiß keiner besser als Bernard Batolini. Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Prads-Haute-Bléone hilft, wo er kann und bleibt doch ratlos.

Von Christian Wernicke, Prads-Haute-Bléone

Bernard Bartolini ist ein Mensch, der immer da ist, wenn man ihn braucht. So wie jetzt, seit Dienstag. Da tauchte gegen Viertel vor elf kurz dieses riesige Flugzeug am Himmel über Prads-Haute-Bléone auf, seinem kleinen Dorf in den Seealpen. Den nächsten Gipfel überwand die Maschine noch, aber kaum 20 Sekunden später zerschellte sie an einer schwarzen Felswand. Bartolini kennt die Steilhänge, der 63-jährige Bürgermeister von Prads hat dort Wild gejagt. "Und oft war ich da einfach wandern." Und nun? "Nie wieder."

Bartolini kümmert sich. Er hilft den Helfern, also den Hundertschaften von Gendarmerie und Polizei, die in seinem Heimattal nun die Ermittlungen vorantreiben. Und er steht bereit, wenn die Angehörigen der Opfer kommen. So wie am Donnerstag, als er sich mit wildfremden Menschen aus Spanien und Deutschland am Rande einer Bergwiese einfand. Da spielte es keine Rolle, dass Bernard Bartolini keine Fremdsprache beherrscht: "Es gibt Momente für Worte", sagt er, "und Momente, wo Worte nichts nützen."

Vorsichtshalber hatte die Präfektur am Donnerstag die Angehörigen der Passagiere von den Verwandten des Flugpersonals getrennt: "Aber in deren Trauer gab es keinerlei Unterschied", sagt der Bürgermeister. Ja, auch die Eltern des Copiloten habe er gesehen: "Die waren genauso verzweifelt wie alle anderen - über das Unfassbare."

Die hohen Beamten aus Paris, die Trauernden aus der Fremde, die Journalisten aus aller Welt, die seit Dienstag die Region belagern - sie alle schwärmen von der stillen Hilfsbereitschaft der Einheimischen. "Unter Bergmenschen ist man aufeinander angewiesen, vielleicht erklärt das unsere Solidarität", mutmaßt Bartolini, "wir finden das selbstverständlich." Seit 1983, mehr als sein halbes Leben, ist er schon Bürgermeister. Ehrenamtlich. Früher betrieb er ein Restaurant, heute ist er Rentner. Prads-Haute-Bléone zählt exakt 195 Einwohner: "Also ungefähr ein Flugzeug voll."

Bartolini will der Nachwelt einen würdigen Ort des Erinnerns schaffen. Die improvisierte Steintafel, vor der jetzt Blumen liegen, dürfe nicht alles sein. Einen Kilometer tiefer im Tal, an der Grenze zum Nachbarort Le Vernet, soll eine Gedenkstätte entstehen. "Damit wären wir den Toten näher", glaubt er, "und dort würdigen wir auch alle Namen." Auch die Einheimischen bräuchten diesen Ort. "Für uns wird es nie wieder so sein wie früher."

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