Ein Lebenswerk:Die befreite Maschine

Ein Lebenswerk: Konrad Klapheck hat seiner 1998 gedruckten dreifarbigen Lithografie den Titel "Der potente Großvater" verliehen.

Konrad Klapheck hat seiner 1998 gedruckten dreifarbigen Lithografie den Titel "Der potente Großvater" verliehen.

(Foto: Saric/VG Bild-Kunst, Bonn 2015)

Menschen und Bügeleisen: Eine Münchner Ausstellung und ein Buch widmen sich dem grafischen Werk von Konrad Klapheck.

Von Gottfried Knapp

Am Anfang war die Maschine. Sie war überaus nützlich und praktisch; und alle Menschen liebten und nutzten sie. Aber dann kam der Künstler und entdeckte, dass dieses nützliche Ding auch schön ist - oder zumindest interessant, merkwürdig, manchmal auch skurril oder grotesk. Und als er all diese Eigenschaften an dem Gerät entdeckt hatte, bekam er Lust, als Maler diese Eigenheiten zu betonen, ja das Ding nach seinen Vorstellungen umzuformen und weiter zu verschönern und zu vermenschlichen. Er änderte also die Größenverhältnisse, verlängerte die Sache in eine Richtung, verkürzte sie in eine andere, ließ Teile weg, setzte andere hinzu und übersteigerte auf diese Weise die Besonderheiten, bis aus der Konstruktion jeder praktische Sinn geschwunden war, die Kreation aber eine irritierende physische Lebendigkeit, eine Ausstrahlung gewonnen hatte, die all die nützlichen Gegenstände, aus denen das Monstrum hervorgewachsen war, blass und langweilig aussehen ließ.

Es war im Jahr 1955, als Konrad Klapheck - er war damals 20 Jahre alt - zum ersten Mal ein Bild mit einer Schreibmaschine malte. Er bildete das an sich recht ungewöhnliche Modell, das er irgendwo aufgetrieben hatte, in hyperrealistischer Überschärfe mit fast allen Hebeln und Tasten ab, ließ den Korpus aber so in die Höhe wachsen, dass das Ganze recht unproportioniert, ja geschwollen aussah und fast Mitleid erregte. Damit war die Spielregel gefunden für ein bildnerisches Lebenswerk, das sich über Jahrzehnte hinweg in schöner Behutsamkeit weiterentwickelte, immer neue Haushaltsgegenstände erfasste und ins Groteske übersteigerte. So hat Klapheck allein dem Typus Schreibmaschine im Lauf der Jahrzehnte eine ganze Serie primadonnenhaft sich in Szene setzender Kunstgebilde abgewonnen.

Doch da der als Sohn eines Kunstprofessors geborene Maler das Pech hatte, in einer Zeit sich zu profilieren, in der gegenständliche Malerei fast gänzlich verpönt war, wurde das Werk Klaphecks, das sich den Betrachtern so viel besser einprägte als das der frei malenden Kollegen, abseits der aktuellen Bewegungen des Kunstmarkts gehandelt. Mit 44 Jahren ist Klapheck dann dort, wo schon sein Vater bestallt war, sogar noch Professor geworden: an der Düsseldorfer Kunstakademie.

Einem Dampfbügeleisen gibt er den Titel "Schwiegermutter"

Heute sind die frühen Gemälde von Klapheck begehrte Sammlerstücke. Weil die Motive nicht beliebig vermehrt werden konnten, und auch weil ihn irgendwann die traditionellen druckgrafischen Techniken interessierten, hat der Maler 1976 damit begonnen, die einmal erfundenen und mit Namen versehenen Archetypen in Radierungen und Lithografien variierend nachzubilden und pointenhaft zuzuspitzen. Dabei machte er sich die Wirkungsmöglichkeiten der Zustandsdrucke, also der während der Arbeit hergestellten, zwischen Hell und Dunkel hin-und herpendelnden Zwischenstadien, ausgiebig zunutze. Von jedem Motiv existieren also atmosphärisch extrem unterschiedliche Varianten: Sie kommen den sarkastisch ironischen oder verspielt poetischen Titeln, die der Maler nachträglich für seine Maschinengeschöpfe gefunden hat, auf literarische Weise nahe.

So ist aus dem dampfschnaubenden Bügeleisen die böse "Schwiegermutter" geworden; der aufklaffende Reißverschluss wird zum "Schürzenjäger," und die prallrunden Formen von Schuhspannern erinnern unter dem dazuerfundenen Titel "Harem" plötzlich an die dekorativ angeordneten weiblichen Rundungen auf dem berühmtesten Gemälde von Ingres, dem "Türkischen Bad".

Eine Ausstellung ausschließlich mit Grafiken Klaphecks hat es bislang nicht gegeben. Anlässlich des 80. Geburtstags des Meisters im Februar ist das grafische Werk erstmals in einem Buch als Ganzes publiziert worden. Und in München, in der Bayerischen Versicherungskammer, sind diese Arbeiten erstmals in einer repräsentativen Auswahl zu sehen. All die von den Gemälden her bekannten Gerätschaften und ihre Einzelteile - die seltsam lebendigen und doch nutzlosen Hebel, Griffe, Tasten, Riemen, Schläuche, Rohre und Räder - haben sich von ihren Nützlichkeitspflichten befreit. Sie laden die Besucher zum Schmunzeln ein.

Am Ende der Ausstellung wird man in das thematisch so ganz andere Spätwerk entlassen. Seit 1997 lässt Klapheck in seinen Bildern und Grafiken Figuren - Akte, aber auch Jazzmusiker und Boxer - aufmarschieren. Deren exhibitionistisches Gehabe ist offensichtlich aus Magazinen abgeschaut. Die simplifizierenden Umrisslinien holen das dargestellte Geschehen auf eine fast schon kindliche Ebene herunter. Wie bei seinen Maschinen scheint sich der Maler auch bei diesen aufs Lineament reduzierten Bildzitaten von der Eindeutigkeit und Überdeutlichkeit dessen, was in der Welt heute abgebildet wird, ironisch distanzieren zu wollen.

Was Klapheck als Zeichner kann, war in den minimalistisch-spontanen Porträt- und Aktzeichnungen, die bis vor kurzem in München in der Galerie Fred Jahn ausgestellt waren, wohl am ehesten zu erleben. Mit unglaublich sicher gezogenen Umrisslinien - sie erinnern in ihrer körperschaffenden Kraft an den jungen Hockney - und mit ganz wenigen breit gesetzten Schraffuren lässt Klapheck die Gesichter und Körper der vor ihm sitzenden Bekannten, Freunde und Vertrauten sinnlich aus dem weißen Bildgrund hervortreten. Man spürt die Faszination, die der Maler für plastisch lebendige Gegenüber empfindet. Diese Lust ließ ihn anfangs die Maschine entdecken - und später den Menschen .

Konrad Klapheck: Das graphische Werk. Ausstellung im Kunstfoyer der Versicherungskammer München, Maximilianstraße 53, bis 17. Mai. Das Buch mit diesem Titel (128 Seiten), herausgegeben von Siegfried Gohr, ist im Deutschen Kunstverlag erschienen und kostet 24,90 Euro.

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