Air Berlin:"Toxische Mischung"

Rekordverlust: Der Ertrag pro Sitz ist zu gering, die Auslastung abermals gesunken.

Von JENS FLOTTAU, Frankfurt

Wenn man die Geschicke Air Berlins seit längerem verfolgt, dann ist man an folgendes Prozedere gewöhnt: Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer erklärt nach Ablauf eines einmal wieder schrecklich schlechten Geschäftsjahres, warum es beim nächsten Mal eigentlich besser laufen müsste. Ein Jahr später müssen er und der gerade amtierende Vorstandsvorsitzende dann einräumen, dass es leider wieder nicht geklappt hat mit dem besseren Ergebnis.

Das Prozedere wird sich aus zwei Gründen dieses Jahr nicht mehr wiederholen. Denn zum einen verlässt Hüttmeyer das Unternehmen zum Monatsende, um seinen neuen Job bei Anteilseigner Etihad Airways in Abu Dhabi anzutreten. Und zum anderen sind die wirtschaftlichen Ergebnisse von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft mittlerweile so schwach, dass eine weitere Verschlechterung kaum mehr möglich zu sein scheint.

Im Geschäftsjahr 2014 hat Air Berlin einen Netto-Verlust von bis zu 387 Millionen Euro eingeflogen und ein operatives Minus von bis zu 303 Millionen. Damit wäre das auch schon desaströse Ergebnis aus dem Jahr 2013 noch einmal um 22 Prozent unterboten. Das Unternehmen hat am Freitag nur vorläufige Zahlen veröffentlicht, weil der neue Vorstandsvorsitzende Stefan Pichler darauf bestanden hat, das im vergangenen Jahr gestartete neueste Sanierungsprogramm noch einmal genau anzuschauen. Etwaige zusätzliche Einmalbelastungen würden dann noch für 2014 verbucht.

Erschreckend sind nicht nur die steigenden Verluste. Das Eigenkapital von Air Berlin ist schon seit längerem trotz Kapitalspritzen von Etihad und neuer Anleihen negativ und hätte laut Hüttmeyer Ende 2014 eigentlich bei minus 300 Millionen Euro gelegen. Weil aber leider die Sicherungsgeschäfte für Treibstoff wegen des gesunkenen Ölpreises das Eigenkapital weiter belasten, waren es eher minus 450 Millionen.

Air Berlin hat zwei Kernprobleme: Der durchschnittliche Ertrag pro Sitz ist sowieso schon zu gering und 2014 noch einmal um 0,8 Prozent gesunken. Auch die Auslastung ist mit 83,5 Prozent rückläufig, 2013 waren es noch 84,7 Prozent - laut Pichler eine "toxische Mischung." Das zweite Kernproblem sind die hohen Leasingkosten für Flugzeuge, die das Unternehmen mittlerweile tragen muss, weil es in den vergangenen Jahren einen Großteil der Flotte verkaufen und zu ungünstigen Konditionen zurückmieten musste, um liquide zu bleiben.

Pichler, der Anfang Februar die Nachfolge von Wolfgang Prock-Schauer angetreten hat, glaubt dennoch an "Licht am Ende des Tunnels". Denn sowohl Ende vergangenen Jahres als auch im ersten Quartal 2015 ist es offensichtlich gelungen, höhere Ticketpreise durchzusetzen. Und die Kosten pro Sitzplatz konnten 2014 um 4,1 Prozent gesenkt werden, sogar ein bisschen mehr, als die angestrebten vier Prozent. Auch die Kosten für Leasing und Abschreibungen sind offensichtlich fast 20 Prozent gesunken, nachdem die Airline etliche Verträge neu verhandelt hat und von einer gemischten Airbus/Boeing-Flotte auf einen reinen Airbus-Betrieb umstellt.

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