Georgien in der EM-Qualifikation:Die Ritter sind weg

Kachaber Zchadadse

Georgiens Fußball-Nationaltrainer Kachaber Zchadadse auf der Tribüne im Mikheil-Meskhi-Stadion in Tiflis.

(Foto: dpa)
  • Beim deutschen EM-Qualifikationsgegner Georgien fehlt es vor dem Spiel am Sonntag in Tiflis an Niveau und Geld.
  • Der größte Sieg einer georgischen Mannschaft liegt mehr als 30 Jahre zurück.
  • Für die großen Namen von einst gibt es keine Nachfolger.
  • Tabellen und Ergebnisse zur EM-Qualifikation finden Sie hier.

Von Johannes Aumüller

Vor ein paar Wochen bot sich Georgiens Fußballfans die beste Gelegenheit, um noch einmal an bessere Zeiten zurückzudenken. Da stand nämlich ein schöner runder Geburtstag des Mannes an, den sie mal zum besten georgischen Spieler der Geschichte gewählt haben - in einem Land, das diverse bemerkenswerte Fußballer hervorgebracht hat.

Etwa Kakha Kaladze, der fast ein Jahrzehnt lang zum Stamm des AC Mailand gehörte, oder Schota Arweladse, der für Ajax Amsterdam als Stürmer reüssierte, und es gab bekanntlich auch eine Phase, in der nahezu der halbe Kader des SC Freiburg aus Spielern bestand, deren Nachnamen auf die typisch georgische Buchstaben- folge "wili" endeten, von Levan Kobiaschwili bis Alexander Iaschwili.

Den größten georgischen Fußballer hat der Westen stets ignoriert

Den großartigsten georgischen Fußballer aber hat der westliche Profifußball stets beflissentlich ignoriert, was auch damit zu tun haben mag, dass es zur Zeit dieses Spielers weder den Profifußball noch den Westen in seinem heutigen Sinn gab. Im Februar wäre Boris Paitschadse 100 Jahre alt geworden, ein Mann, der als Aktiver bei Dynamo Tiflis in den 30er und 40er Jahren so torgefährlich, beweglich und ungewöhnlich auftrat, dass sie ihm die Beinamen "Ritter des Fußballs" und "irrlichternder Mittelstürmer" verpassten.

Und der danach als Funktionär in Verband und Klub zwar nie in vorderster Position, aber stets dabei war, wenn Georgiens Fußball mal etwas zu feiern hatten. Als Dynamo es zu Sowjetzeiten zweimal schaffte, vor den üblichen Verdächtigen aus Moskau und Kiew den Meistertitel zu gewinnen. Oder als es dem Klub 1981 mit einem 2:1 gegen Carl-Zeiss Jena gelang, den Europapokal der Pokalsieger zu holen.

Das Stadion, in dem die deutsche Nationalelf am Sonntag (Anstoß 18 Uhr/RTL) ihre fünfte Partie der EM-Qualifikationsgruppe D bestreitet, ist inzwischen nach Boris Paitschadse benannt - aber ansonsten erinnert in Georgiens Fußball nichts mehr an Tage, in denen Spieler mit ihrer Torgefahr beeindruckten oder Klubs gar einen Europapokal gewinnen konnten. Stattdessen liegt vieles brach.

Georgiens Trainer arbeitet offiziell umsonst

Das Niveau in der Liga ist extrem schwach und die finanzielle Situation vieler Klubs schwierig, und anders als in diversen anderen Ländern der früheren Sowjetunion halten sich in Georgien auch die reichen Geschäftsmänner weitgehend zurück. Die besten Spieler gehen deswegen ins Ausland, es ist nicht unwahrscheinlich, dass von den elf Akteuren aus der Startelf gegen Deutschland keiner in der georgischen Liga spielt.

Das war meistens so seit der Unabhängigkeit des Landes 1991. Aber der Unterschied ist, dass es inzwischen niemandem mehr vom Format eines Kaladze gibt, auch kein Arweladse, und aus der langen Liste der wili-Fraktion sind fürs Erste nur noch die Herren Amisulaschwili, Okriaschwili und Kasaischwili geblieben - doch die spielen nicht für ambitionierte Bundesligisten, sondern für Inter Baku, KRC Genk und Vitesse Arnheim.

Derzeit rangiert Georgien in der Weltrangliste zwischen Burundi und Aruba

In der Weltrangliste liegt die Nationalelf daher nur noch auf Rang 126, eingerahmt von Burundi und Aruba. Nachdem sie es ein paar Jahre lang mit ausländischen Spezialisten wie dem Franzosen Alain Giresse (2004/2005), dem Deutschen Klaus Toppmöller (2006 - 2008) oder dem Argentinier Hector Cuper (2008 - 2010) versucht hatten, setzt der Verband inzwischen auf georgische Trainer, seit Dezember auf den früheren Bundesliga-Profi Kachaber Zchadadse (73 Spiele für Eintracht Frankfurt).

Ein Gehalt bekommt er dafür nach offiziellen Angaben allerdings nicht, denn nebenbei hat er ja noch seinen Posten bei Inter Baku, einem führenden Klub im Nachbarland Aserbaidschan, wo die Verantwortlichen gerade etwas mehr Geld in den Profifußball stecken als in Georgien. Erst ab Sommer, so der Plan, soll sich das ändern und Zchadadse sich ausschließlich ums Nationalteam kümmern.

Aber niemand weiß genau, welche Abmachungen im Sommer noch gelten. Denn das Murren im georgischen Fußball ist groß, viele forcieren eine Ablösung von Domenti Sichinava an der Spitze des nationalen Verbandes. Schon diverse Personen haben kundgetan, zu kandidieren, darunter auch der langjährige Bundesliga-Profi Lewan Kobiaschwili, der noch bis zum Vorjahr für Hertha BSC spielte und Rekordspieler in Georgiens Nationalelf ist. Angeblich zählt auch Kaladze zu seinen Fürsprechern, der inzwischen in der georgischen Politik eine große Karriere gemacht hat: 2012 schaffte er den Sprung ins nationale Parlament und übernahm den Posten als Vize-Premier.

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