Nationalstürmer Harry Kane:Englands Hoffnung trägt Bartstoppeln

England v Lithuania - EURO 2016 Qualifier

Großer Schlaks mit unglaublicher Ballsicherheit: Harry Kane, Englands neue Hoffnung im Sturm.

(Foto: Ian Walton/Getty Images)

Bei seinem Debüt für die Nationalelf trifft er nach nur 79 Sekunden: Der junge Stürmer Harry Kane erlebt die beste Nacht seines Lebens - und lässt eine ganze Nation träumen.

Von Dominik Fürst

Die britischen Fußballfans sehnen sich nach einem neuen, hoffnungsvollen Gesicht, das sie daran glauben lässt, es könne irgendwann endlich wieder klappen mit einem Titel für die Nationalmannschaft. Roy Hogdson ist nicht dieses Gesicht - zu grau und zerfurcht wirkt der Nationaltrainer. Kapitän Wayne Rooney ist es auch nicht mehr, er war es einmal.

Englands neues Gesicht hat feine Züge und ein paar Bartstoppeln, ansonsten ist es glatt. Es gehört dem 21-jährigen Harry Kane, dem Stürmer der Tottenham Hotspurs. Der hat am Freitagabend die internationale Bühne betreten - und gehörig Eindruck hinterlassen.

Debüt-Treffer nach 79 Sekunden

England spielte gegen Litauen in der EM-Qualifikation, im Wembley-Stadion von London. Das Team mit den drei Löwen auf der Brust führte 3:0, da beorderte Nationaltrainer Hodgson den jungen Kane an die Seitenlinie, es war sein erstes Länderspiel. Nach der Einwechslung dauerte es gerade einmal 79 Sekunden, dann stand es 4:0. Kane hatte getroffen, England jubelte - auf der Auswechselbank grinste Wayne Rooney milde.

"Die beste Nacht meines Lebens! Von diesem Moment habe ich viele Jahre geträumt", twitterte Kane noch in derselben Nacht in die Welt. Er freute sich, doch noch viel mehr freute sich England. Die Times schrieb am Morgen danach: "Kane macht einen märchenhaften Start." The Daily Mail hat sich einen Spitznamen ausgedacht: "Prinz Harry".

In der Premier League war Kane in den vergangenen Wochen bereits aufgefallen. Der Stürmer begann die Saison als Ersatzspieler in Tottenham, inzwischen hat er 19 Mal getroffen, so oft wie sonst nur Diego Costa vom FC Chelsea, doch der brauchte im Schnitt noch fünf Minuten länger für jede Bude.

Schlaks mit unglaublicher Ballsicherheit

Harry Kane ist ein Phänomen. Die britischen Medien schreiben ihn oft ehrfurchtsvoll "HarryKane" - denn wie ein Hurrikan stürmt er über den Platz. Die Daily Mail nennt ihn den "ultimativen Premier-League-Torjäger", der Sportkolumnist des Daily Mirror schlägt ihn bereits als Fußballer des Jahres vor. Geoff Hurst, Englands Weltmeister von 1966, vergleicht ihn mit Deutschlands Nationalspieler Thomas Müller. Eine Menge Lob für einen 21-Jährigen, der sich in den vergangenen vier Jahren damit zufrieden geben musste, von Tottenham immer wieder an andere Klubs verliehen zu werden. Das wird den Spurs nun nicht mehr passieren.

Der schlaksige, 1,88 Meter große Kane erinnert tatsächlich ein bisschen an Bayern-Spieler Müller. Seine Bewegungen wirken nicht gerade elegant, manchmal eher unbeholfen, und trotzdem verliert Kane kaum einen Ball. Auch technisch spielt er stark. Meistens schießt er mit seinem rechten Fuß aufs Tor, er trifft den Ball dann an der Stelle zwischen Spann und Innenrist, die die gefährlichsten Schüsse möglich macht. Gegen Aston Villa zwirbelte er einen Freistoß so frech, angeschnitten und scharf über die Mauer, dass der gegnerische Torhüter Brad Guzan nur dabei zusehen konnte, wie der Ball über ihm einschlug.

Nun also die Nationalmannschaft. In ihrer EM-Qualifikations-Gruppe stehen die Engländer auf Platz eins, mit 15 Punkten aus fünf Spielen. Der Gruppensieg ist vorgezeichnet, einer Teilnahme an der Europameisterschaft 2016 in Frankreich steht im Grunde nichts mehr im Wege. Die Fans dürfen dann wieder träumen. Jetzt, da sie wissen, wie gut Harry Kane auf Anhieb im Nationalteam funktioniert, vielleicht sogar ein bisschen mehr.

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