Ausschreitungen in Montenegro:"Es ist eine Schande"

Nach 20 Sekunden eskaliert das EM-Quali-Spiel zwischen Montenegro und Russland. Schiedsrichter Deniz Aytekin bricht in der 66. Minute ab. Die Russen kritisieren den Wiederanpfiff.

Im EM-Qualifikationsspiel zwischen Montenegro und Russland lief gerade die erste Minute. In Montenegros Hauptstadt Podgorica stieg nach 20 Sekunden plötzlich eine Leuchtrakete hinter dem Tor der Russen in die Luft und schlug auf dem Kopf des russischen Torhüters Igor Akinfejew ein. Der 28-Jährige brach zusammen und wurde mehrere Minuten auf dem Feld behandelt. Dann wurde Akinfejew, der mit ZSKA Moskau in der Champions-League-Vorrunde zweimal gegen den FC Bayern auf dem Platz gestanden hatte, mit einem Golf-Car vom Platz und später in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht. Akinfejew erlitt eine Nackenblessur und kleinere Brandverletzungen. Die Bengalos hatten offenbar serbische Anhänger der russischen Mannschaft entzündet.

Der deutsche Schiedsrichter Deniz Aytekin unterbrach das Spiel und schickte beide Mannschaften in die Kabine. Erst nach 33 Minuten Unterbrechung wurde die Partie fortgesetzt. In der 66. Minute warfen montenegrinische Fans abermals Gegenstände aufs Spielfeld. Diesmal war Russlands Mittelfeldspieler Dimitri Kombarow getroffen worden und meldete dies Aytekin. Schließlich kam zu einem Handgemenge zwischen Spielern beider Mannschaften. Vorangegangen war ein Pfiff Aytekins, der den Russen beim Stand von 0:0 einen berechtigten Strafstoß zugesprochen hatte. Den Elfmeter verschoss Roman Schirokow allerdings.

Der russische Fußballverband (RFS) kündigte bereits an, Beschwerde bei der Uefa einlegen zu wollen. Das sagte RFS-Chef Nikolai Tolstych nach dem abgebrochenen Spiel am Freitagabend dem TV-Sender Rossija-2. "Das Spiel hätte nicht fortgesetzt werden dürfen, nachdem Akinfejew von dem Feuerwerkskörper getroffen wurde", kritisierte Russlands Nationaltrainer Fabio Capello. Die Uefa hätte das Spiel abbrechen müssen, meinte er, nahm Aytekin aber in Schutz. Die Entscheidung, das Spiel fortzusetzen, habe nicht der Referee getroffen. "Die Uefa-Verantwortlichen haben gesagt, dass wir weiterspielen sollen."

Es ist der bereits der zweite Fanskandal in der laufenden EM-Qualifikation

Die russischen Medien rechneten dies ihrem Team hoch an. "Unsere Spieler haben Edelmut bewiesen und einer Fortsetzung des Spiels zugestimmt. Russland hat ein reines Gewissen", schrieb der Sport-Express. Die Komsomolskaja Prawda fragte indes: "Kann man das überhaupt ein Spiel nennen?" "Es ist eine Schande", sagte Montenegros sichtlich erschütterter Trainer Branko Brnovic. "Die Frage ist, was jetzt mit dem Fußball in Montenegro passieren wird." Verbands-Generalsekretär Momir Djurdjevac klagte über die Hooligans: "Sie singen 'Ich liebe Montenegro', aber sie tun das Gegenteil." Die Zeitung Vijesti schrieb am Samstag: "Schmach und Schande." Das bedeute das Ende des Fußballs in Montenegro "als zivilisierter Sport; wenigstens auf absehbare Zeit", befürchtete das Blatt.

Die Attacke gegen Akinfejew ist der zweite Skandal in der laufenden EM-Qualifikation. Erst im Oktober war das Spiel zwischen Serbien und Albanien abgebrochen worden. Auslöser war eine ferngesteuerte Drohne im Stadion, an der eine Fahne mit einer Abbildung Großalbaniens befestigt war. Danach kam es zu Ausschreitungen. Die Uefa wertete die Partie nachträglich mit 3:0 für Serbien, zog den Gastgebern die drei Punkte aber postwendend ab. Beide Verbände wurden zudem mit einer Geldstrafe von jeweils 100 000 Euro belegt.

Auch für Montenegro dürften die Ausschreitungen vom Freitagabend ein Nachspiel haben. Beobachter erwarten, dass die Uefa das Spiel nachträglich zugunsten Russlands wertet. Die Uefa kündigte an, zunächst die Berichte ihrer Delegierten und von Aytekin abzuwarten, ehe ein Disziplinarverfahren eröffnet wird. Montenegro drohen unter anderem Sanktionen wie der Ausschluss der Zuschauer in den kommenden Spielen. Vor der Entscheidung der Uefa liegen Russland und Montenegro in der Gruppe G mit je fünf Punkten auf den Plätzen drei und vier hinter Österreich (13) und Schweden (9).

Russlands Torhüter Akinfejew hat mittlerweile Entwarnung gegeben. "Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich unterstützt haben. Ich fühle mich jetzt gut", erklärte der 28-Jährige am Samstag auf der RFS-Webseite.

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