HSV-Spieler Rafael van der Vaart:Fußtritt zum Abschied

Rafael van der Vaart, Dutch team captain of HSV Hamburg reacts during their German first division Bundesliga soccer match against FSV Mainz 05 in Mainz

Spielt bald nicht mehr für den HSV: Rafael van der Vaart

(Foto: REUTERS)

Das Kapitel Rafael van der Vaart endet beim Hamburger SV zum Saisonende. Der 32-Jährige erhält keinen neuen Vertrag. Über ein gewaltiges Missverständnis in der Transferpolitik.

Von Frank Hellmann

Noch immer ist die bronzene Fußskulptur das beliebteste Fotomotiv für alle Nostalgiker unter den HSV-Fans. Sie steht am Seitengang der Hamburger Arena, die bald wieder Volksparkstadion heißen wird. Es ist ein gewaltiges Monument von fast vier Metern Höhe und mehr als fünf Metern Breite. Die Künstlerin Brigitte Schmitges hat den Fuß von Uwe Seeler nachgeformt. Im Sommer wird es zehn Jahre her sein, dass die Skulptur enthüllt wurde.

Unter den aktuellen Protagonisten ist weit und breit niemand aufzutreiben, der in die Fußstapfen von "Uns Uwe" treten könnte. Am ehesten wurde in der jüngeren Vergangenheit mal daran gedacht, irgendwann könnte vielleicht auch eine kleine Replik von Rafael van der Vaart gut dazu passen. Schließlich hatte der Niederländer mit seinem feinen linken Füßchen eine sagenhafte erste Ära an der Elbe geprägt. Zwischen Juli 2005 und August 2008 schoss er in 74 Bundesligaspielen 29 Tore und bereitete 19 vor. In seine Zeit fielen begeisternde Auftritte und vor allem regelmäßige Europapokalspiele, die dem Selbstverständnis dieses Klubs entsprachen.

Nur der erste Teil ist Legende

Als der verlorene Sohn dann tatsächlich am 31. August 2012 wieder heimkehrte, dachte alle, das würde wohl so weitergehen. Inzwischen weiß man: Nur der erste Teil seiner Anstellung taugt zur Legende, die zweite Amtszeit geht eher als Missverständnis in die HSV-Annalen ein.

Bevor David Jarolim am Samstagnachmittag sein Abschiedsspiel mit einem "HSV Dreamteam" gegen das überwiegend mit tschechischen Landsleuten besetzte "Jaro Dreamteam" bestritt (und gegen das Jaro-Team 5:7 verlor), vermeldete der Verein auf seiner Homepage eher beiläufig das, was ohnehin jeder geahnt hat: Der Vertrag des 109-fachen niederländischen Nationalspielers wird nicht mehr verlängert. Dasselbe gilt für die auslaufenden Arbeitspapiere von Marcell Jansen, Gojko Kacar und Ivo Ilicevic. Ihre opulenten Gehälter standen zuletzt in keinem Verhältnis zur Gegenleistung. Bei van der Vaart war die Rede von 3,5 Millionen Euro Jahressalär.

Nach der Karriere soll er zurückkehren - aber als was?

Dass sich der zunehmend langsamer gewordene Spielmacher noch im Alter von 32 Jahren zu einem Endspurt aufrafft, der alle Kritiker verstummen lassen würde, war nicht mehr zu erwarten. "Rafael und Marcell wissen, dass wir mit ihnen keine Gespräche über eine Vertragsverlängerung führen werden", ließ sich der Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer zitieren. Erstaunlich allerdings: Dem einstigen Publikumsliebling wird ein späterer Job in Aussicht gestellt. "Rafael ist einer der besten und bedeutendsten Spieler der jüngeren HSV-Vergangenheit. Wir wollen ihm die Möglichkeit geben, nach seiner aktiven Karriere hierher zurückzukehren", teilte Beiersdorfer mit.

Ferner deutete der 51-Jährige an, dass sich Heiko Westermann, 31, und Slobodan Rajkovic, 26, Hoffnungen auf neue Verträge machen dürfen. "Bei Heiko und Slobodan ist das aktuell noch offen, da haben wir die Entscheidung vertagt und es den Spielern genauso mitgeteilt." Die Spieler hätten versichert, dass der Klassenerhalt des HSV für sie oberste Priorität habe.

Interesse von Sporting Kansas City

Interesse von Sporting Kansas City

Ob nun van der Vaart auf der Zielgeraden dieser Saison den auf den Relegationsrang abgesackten Liga-Dino noch unterstützt, ist nicht sicher. Hamburgs Nummer 23 wird seit längerem mit der prosperierenden US-Profiliga MLS in Verbindung gebracht: Das Interesse von Sporting Kansas City ist verbürgt und angeblich locken sogar mehr als vier Millionen Euro Jahresverdienst. Ein Wechsel in den nächsten Wochen wäre sicherlich für alle Beteiligten die beste Lösung. Und van der Vaart hat ohnehin keinen Stammplatz mehr. Kaum vorstellbar, dass der zum Interimstrainer aufgestiegene Sportdirektor Peter Knäbel auf ihn setzt.

18 Saisoneinsätze sind zwar gelistet, aber nur drei über die volle Distanz. Vier Tore hat der Niederländer erzielt, aber keines vorbereitet. Und wer in 1142 Bundesligaminuten nur noch jeden dritten Zweikampf gewinnt, der ist keine Hilfe. Das Auslaufmodell hat sich nie darüber beklagt, dass er unter dem inzwischen entlassenen Joe Zinnbauer ständig zwischen offensivem und defensivem Mittelfeld, zwischen Bank und Startelf hin- und hergeschoben wurde. Doch vermutlich hat er selbst gemerkt, dass sich seine Spielweise überholt hat. Vor allem der Körper scheint dem Tempo auf Bundesliga-Niveau nicht mehr gewachsen.

Kühne holte den sinkenden Stern zurück

Schon bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine, als die Niederlande sang- und klanglos in der Vorrunde ausschied, hat jeder sehen können, dass sein Stern am Sinken ist, aber trotzdem wollte ihn der HSV-Gönner Klaus-Michael Kühne als glühender Verehrer der Marke "VdV" unbedingt zurück. Erst Kühnes Darlehen machte den 13 Millionen Euro teuren Deal mit den Tottenham Hotspurs möglich, und wer sich hernach an die Worte van der Vaarts erinnert, der könnte rückblickend an einen schlechten Scherz glauben: "Der HSV ist ein Verein, der immer oben mitspielen muss: Ich will mit dem HSV zurück in die Spitze", sagte er damals.

Es ist müßig, was van der Vaart wirklich gehindert hat, eine zweite Epoche an der Elbe zu prägen. Fest steht nur: Von einer Fußskulptur spricht längst keiner mehr. Der formlose Abschied an diesem Samstag kommt einem Fußtritt gleich.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: