Debatte um Frauenquote im Cockpit:So verstört "Emma" das Netz

  • Die Zeitschrift Emma hat mit einem Artikel über den Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 eine Kontroverse im Netz ausgelöst.
  • In dem Text fordert die Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch eine Frauenquote fürs Cockpit, um das Fliegen wieder sicherer zu machen: "Amokflüge" seien Verbrechen, die nahezu ausschließlich von Männern begangen würden.
  • Auf Twitter kritisieren Nutzer, dass Emma die Trägodie in den französischen Alpen für eigene Zwecke missbraucht.

Von Melanie Staudinger

Fliegen Frauen sicherer?

Ekelhaft oder gar peinlich? Das feministische Magazin Emma hat mit einem Artikel über den Absturz der Germanwings-Maschine eine kontroverse Diskussion ausgelöst. In dem Gastbeitrag fordert die Linguistin Luise Pusch eine Frauenquote fürs Cockpit, um das Fliegen wieder sicherer zu machen. Amokläufe, so argumentiert Pusch, sind "Verbrechen, die nahezu ausschließlich von Männern begangen werden". Für Amokflüge gelte dasselbe.

Pusch zieht daraus einen Schluss: Nicht nur regelmäßige psychologische Tests der Piloten oder die "Vier-Augen-Regel" im Cockpit könnten helfen, solche Tragödien künftig zu verhindern, sondern auch eine veränderte Einstellungspolitik bei den Airlines. Mehr Frauen im Cockpit verringern aus ihrer Sicht das Risiko, dass Piloten oder eben Pilotinnen das Flugzeug für einen Suizid benutzen könnten. "Die Lufthansa mit ihren sechs Prozent Frauen ist ja fast so schlimm wie die katholische Kirche", schreibt Pusch.

"Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich"

Die Autorin selbst bezeichnet ihren Text als Glosse, Emma hingegen nennt ihn Kommentar und hat dem Werk gleich noch einen Vorspann darüber platziert: "Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich." Mit diesen Behauptungen hat das Magazin große Debatten im Netz ausgelöst.

Leser und Leserinnen stören sich daran, dass die Forderung nach einer Frauenquote in einen Zusammenhang mit dem Absturz von Gemanwings-Flug 4U9525 gestellt wird. Dass Copilot Andreas Lubitz am Dienstag das Flugzeug in den französischen Alpen zerschellen ließ und 149 Menschen mit sich in den Tod riss, sollte nicht als Anlass für feministische Debatten dienen, argumentieren Nutzer, die ihrem Ärger auf Twitter Luft machen. Es sei moralisch fragwürdig, ein so schreckliches Unglück für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Kritisiert wird im Netz, dass der Artikel feministischen Forderungen mehr schade als nutze. Dass Emma einen solchen Text weiterverbreitet, ist für einige Leser unverständlich. Ursprünglich war er auf Puschs Blog "Laut & Luise" veröffentlicht worden.

Was die Autorin dazu sagt

Pusch engagiert sich seit den Siebzigerjahren für eine geschlechtergerechte Sprache und forderte einst eine "kompensatorische Gerechtigkeit". In den kommenden 2000 Jahren sollten nur mehr weibliche Formen benutzt werden, um die jahrtausendelange Diskriminierung von Frauen auszugleichen, zumindest in der Sprache, fordert sie.

Die Autorin scheint die Debatte um ihre Forderung nach einer Frauenquote im Cockpit gelassen zu nehmen. Auf Twitter weist sie lediglich darauf hin, dass der polarisierende Vorspann nicht von ihr stamme, sondern von der Emma-Redaktion hinzugefügt wurde. Zum Vorwurf der Taktlosigkeit hat sie bisher öffentlich nicht Stellung bezogen. Pusch verlinkt aber zu einem Artikel mit der Überschrift "Mehr Pilotinnen könnten mehr Sicherheit bringen", der in der Wochenzeitung Schweiz am Sonntag erschienen ist.

Tatsächlich regt sich kaum jemand über die reinen Fakten in Puschs Text auf, problematisch sind lediglich die Schlussfolgerungen. Offizielle Statistiken geben der Linguistin sogar teilweise recht: Sie besagen, dass sich in Deutschland drei bis vier Mal so viele Männer umbringen als Frauen. Allerdings heißt das im Umkehrschluss nicht, dass sie generell psychisch instabiler sind. Denn Frauen begehen im Schnitt mehr Suizidversuche, was Pusch in ihrem Text unerwähnt lässt.

Richtig ist auch, dass der Pilotenberuf fast eine reine Männerdomäne ist. Von 100 Beschäftigten in den Cockpits der Lufthansa-Maschinen sind lediglich sechs weiblich. Dass Frauen aber nur eingestellt werden sollen, weil sie das Sicherheitsrisiko senken könnten, halten viele Leser von Puschs Text für absurd. Ausschlaggebend sollte doch die Qualifikation sein, nicht nur das Geschlecht.

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