Ermittler im neuen Franken-"Tatort":Schillernd normal

Tatort Franken: Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel

Manchmal ist der Tatort Franken tatsächlich ganz provinziell: Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel als Kommissare Voss und Ringelhahn

(Foto: BR/Olaf Tiedje)

TV-Kommissare müssen kaputte Gestalten sein? Dagegen wehren sich Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs, die am Sonntag im neuen Franken-"Tatort" ermitteln. Ihre Alter Egos schreien sich nicht an und versuchen auch nicht, sich gegenseitig zu therapieren.

Von Verena Mayer

Der Ratskeller Charlottenburg zu Berlin. Ein hallenartiger Raum mit dunkler Holztäfelung, dazu Kunstblumen und eine Atmosphäre, die einen an den Leichenschmaus nach Omas Beerdigung denken lässt. Mit einem Wort: Das ist so, wie man sich in der Hauptstadt die Provinz ausmalt, und vielleicht wurde man deswegen von der PR-Agentur hierher bestellt, um die Hauptdarsteller des neuen Tatorts zu treffen, der in Franken spielt.

Da ist einmal Fabian Hinrichs, 40, ein jungenhafter Typ, der gerade aus dem angesagten Berliner Bezirk Kreuzberg angefahren kommt und an nicht weniger angesagten Berliner Theatern wie der Volksbühne spielt. Hinrichs stolpert nun also an einem Märznachmittag in den Ratskeller und sieht sich irritiert um. Also eigentlich ironisch irritiert, so wie man guckt, wenn man es irgendwo seltsam, aber dann schon wieder gut findet. Und dann passt alles zusammen, denn genau so stakst der Hamburger Kriminalhauptkommissar Felix Voss, den Hinrichs verkörpert, bei seinem ersten Einsatz durch die fränkische Provinz. Fremd, aber fasziniert.

Manchmal provinziell und ganz oft sehr urban

Dort ist er gelandet, weil ein Ermittler der Mordkommission in Nürnberg seinen Dienst quittieren musste, er hat auf seine Frau geschossen. Mehr erfährt man nicht, und auch Kommissar Voss bleibt nur kurz Zeit, sein neues Büro samt verkümmerter Orchidee zu begutachten, er muss sofort zur Arbeit. Im Wald wurde ein Uni-Professor ermordet, und Voss' Kollegin wartet schon in weißer Schutzkleidung am Tatort, der in der Folge gerne "Daddord" genannt wird. Das Lokale ist wichtig im Franken-Tatort, aber dazu später.

Erst eine Frage an Fabian Hinrichs: Wie findet ein Schauspieler, der vom coolen postdramatischen Theater kommt - Stücktitel: Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang! - zum Massenfernsehen?

Gerade dadurch, dass neuerdings viele Theaterleute Kommissare oder Mörder spielen, sagt Hinrichs. "Heute sagt keiner mehr, ach, der macht ja Tatort." Sechzig Minuten Tatort-Ruhm hatte Hinrichs schon, 2012 war er der Assistent Gisbert, der mit so feinnerviger wie nerviger Art der Mordkommission half, bis er selbst starb. Im München-Tatort "Der tiefe Schlaf" war das, und der Auftritt kam so gut an, dass ganze Facebook-Gruppen Fabian Hinrichs' Rückkehr forderten.

Starke Lobby für ein fränkisches Ermittlerteam

München ist das Stichwort. Denn dass es im BR nun einen eigenen Tatort aus Franken geben wird, hat unter anderem mit der Konkurrenz aus München zu tun. Beziehungsweise damit, dass die Franken sich im München-Tatort unzutreffend dargestellt fanden, genauer gesagt "als Deppen", wie die SPD-Landtagsabgeordnete Inge Aures aus Kulmbach einmal gesagt hat. Es gibt eine starke Lobby für ein fränkisches Ermittlerteam, so forderte der Heimatminister und Nürnberger Markus Söder einen "coolen Kommissar" aus Franken, und der Mörder dürfe dann gern ein Münchner sein.

Die Schauspielerin Dagmar Manzel ist davon weit weg. Manzel, 56, im Franken-Tatort die Ermittlerin Paula Ringelhahn, ist in Ostberlin aufgewachsen und kannte Franken nur aus dem Urlaub. "Die Franken sind eher zurückhaltend, sie gucken erst mal, wer du bist, aber wenn du ihr Herz gewinnst, machen sie alles für dich." Manzels Name ist verbunden mit dem Deutschen Theater in Berlin, wo sie für die Darstellung brüchiger Figuren bekannt ist, zuletzt spielte sie in Gift eine Mutter, die nach dem Tod ihres Kindes nicht mehr weiterleben will.

Der "Tatort" ist nicht mehr Endpunkt einer Karriere

Mit dem Tatort hatte Manzel nicht viel zu tun, als Ostberlinerin guckte sie Polizeiruf, in dem immer wieder ein Theaterkollege mitspielte, "mal war er der Gute, mal der Böse". Kommissarin wurde sie aus einem ähnlichen Grund wie Hinrichs: Weil der Tatort für Schauspieler kein Endpunkt einer Karriere mehr ist, sondern etwas, das man eine Zeit lang macht. So wie Manzel auch in Operetten singt.

Vater, Opa, Bruder - alles Polizisten

Und was ist das für ein Franken, das in der ersten Folge "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" am 12. April in der ARD gezeigt wird, inszeniert von Max Färberböck? Ein bisschen Provinz, man sieht gespenstisch leere Höfe, auf denen schrullige Menschen Holz hacken. Aber vor allem ist man in einem sehr urbanen Nürnberg, durch das sich die Kamera auf langen Autofahrten durchtastet, im Dunkel, das durchbrochen ist vom Gelb der Straßenlaternen.

Das Gerichtsgebäude kommt vor; die Nürnberger Prozesse waren es, die Dagmar Manzel als erstes zu der Stadt einfielen. Hinrichs kann sich noch gut an den Dreh im Gericht erinnern. Als Fernsehkommissar hatte er eine echte Waffe dabei, und die war immer ein Thema an der Sicherheitsschleuse. Hinrichs hat selbst kurz Jura studiert, und er kommt aus einer Polizistenfamilie. Sein Vater und der Opa waren bei der Polizei, der Bruder ist ebenfalls Polizist, "und jetzt bin ich auch irgendwie Polizist".

Hinrichs hat eine Art zu sprechen, bei der man nie weiß, wie ironisch etwas gemeint ist. Das macht auch seinen Kommissar aus, der die Leute gerne mit gerunzelter Stirn anguckt und wirkt, als habe er einen Satz zehnmal zu Ende gedacht, bevor er ihn sagt. Und immer wieder hält Hinrichs inne und sieht zu Dagmar Manzel, die neben ihm an der wuchtigen Ratskeller-Tafel mit der gestärkten Tischdecke sitzt. Sie hakt dann ein, ergänzt etwas, er spinnt den Gedanken weiter. Die beiden begegnen sich mit demselben zugewandten Respekt, den sie auch als Kommissars-Duo haben.

Und das ist das wirklich Neue an dem neuen Franken-Tatort. Ein Mann-Frau-Team, das weder miteinander verheiratet noch ineinander verliebt ist, das sich, anders als die meisten Tatort-Paare, nicht ständig anschreien oder gegenseitig therapieren muss. Sondern einfach zusammenarbeitet.

"Keine Krankheit, keine Macke, kein Kind im Heim, keine Mutter, die an Krebs stirbt"

Das sei auch ihre Voraussetzung gewesen, als Kommissarin einzusteigen, sagt Dagmar Manzel. "Ich sagte, ich möchte keine Krankheit, keine Macke, kein Kind im Heim, keine Mutter, die an Krebs stirbt." Ihre Paula Ringelhahn ermittelt ruhig vor sich hin, "in einem Team, das mit einem Neuzugang offen umgeht", sagt Manzel. Haben sie denn keine Angst, unterzugehen zwischen all den schillernden Kommissars-Pärchen? "Das ist wie bei Tätowierungen", sagt Hinrichs. "In Kreuzberg war ich der einzige Nicht-Tätowierte, und genau dadurch war ich schillernd. Wir als Kommissare sind alles und gar nichts, und dadurch können wir sublimer sein."

Und welchen Tatort mögen sie selbst am liebsten? Den Wiener, sagt Dagmar Manzel. Hinrichs findet den auch gut, und dann will er noch etwas sagen. Dass es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vom einen weniger und vom anderen mehr geben sollte, nämlich "weniger Volksmusik, Kochsendungen, Quiz und Sport, dafür mehr Autorenfilme, für die es mehr Drehtage gibt". Nach dreißig Jahren Fernseh-Fast-Food sei es an der Zeit, wieder am guten Geschmack zu arbeiten, "dann würde sich in Deutschland auch eine ganz andere Unterhaltungsindustrie entwickeln."

Und das klingt jetzt ganz und gar unironisch.

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