"Der Kanzler und der Rebell" in der ARD:Machtkampf eines idealen Paars

Der Kanzler und der Rebell

Helmut Kohl (links) im Gespräch mit Heiner Geißler: Das Duo entzweite sich, als Geißler nicht mehr nur Erfüllungsgehilfe sein wollte.

(Foto: SWR/Bundesregierung/Harald Hoffmann)
  • Helmut Kohls Karriere war zu Beginn eng mit Heiner Geißler verknüpft. Daran erinnert die ARD-Doku "Der Kanzler und der Rebell".
  • Wie die Sendung zeigt, litt Geißler allerdings zusehends unter seiner Rolle als Erfüllungsgehilfe. Er emanzipierte sich.
  • Kohl ließ Geißler daraufhin fallen.
  • Der Film lässt die Frage offen, warum ein erfolgreicher Stratege wie Geißler persönlich als Politiker relativ erfolglos blieb.

Von Nico Fried

Lange her, das alles: eine Republik, in der sich Politiker noch ordentlich beleidigt haben. Es gab eine Partei wie die CDU, dominiert von Männern, was in der Dokumentation über Heiner Geißler und Helmut Kohl auch daran deutlich wird, dass Rita Süssmuth die einzige Frau ist, die als Zeitzeugin zu Wort kommt.

Und da war dieser Mann, der das Land 16 Jahre regiert hat, dem die Freude an der Macht an jeder aufgeplusterten Bewegung abzulesen und an jedem pampigen Wort anzuhören war - der nicht so soft war, wie seine Nachnachfolgerin ist, die auch Machtbewusstsein hat, es aber hinter menschlicher Freundlichkeit und politischer Kompromissbereitschaft versteckt.

Der Kanzler und der Rebell zeigt einen Machtkampf, den es mit solcher Wucht in der Republik Angela Merkels nicht mehr gibt. Es geht in dem recht gelungenen Beispiel politischer Archäologie um die Freundschaft zwischen Kohl und Geißler, die in Mainz begann, wohin der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kohl, der als moderner CDU-Politiker galt, Geißler als Sozialminister holte.

Ein Duo wuchs heran, das Wirtschafts- und Sozialpolitik in für eine Volkspartei idealer Weise abdeckte.

Es war aber auch ein Duo, in dem der eine immer Chef und der andere der Erfüllungsgehilfe blieb. Wenn es für Kohl schwierig wurde, erledigte Geißler die Drecksarbeit.

Geißler emanzipierte sich allmählich

Die Autoren Ina-Gabriele Barich und Thomas Schneider beschreiben sehr plausibel, wie Geißler sich allmählich emanzipierte und Kohl ihn allmählich als Konkurrenten empfand. Es war eine Rivalität, in der sich der Kanzler und Parteichef für die harte Tour entschied und seinen Generalsekretär fallen ließ.

Mit Kohl konnten die Autoren nicht sprechen, sie zitieren ihn aus seinen Erinnerungen. Geißler gewährte ein Gespräch, dessen Erkenntnisgewinn begrenzt ist. Auch in diesem Film bleiben die Fragen offen, die man immer mit Geißler in Verbindung bringen wird: wie ein so gebildeter Mensch zu politischen Provokationen am Rand der Demagogie fähig sein konnte wie mit dem Satz, der Pazifismus der dreißiger Jahre habe Auschwitz erst möglich gemacht.

Oder warum ein Mann, der die CDU strategisch so erfolgreich öffnete, persönlich als Politiker relativ erfolglos blieb. Am Rande ist der Film auch ein Lehrstück über den Bedeutungsverfall eines Amts, das man einem wie Geißler heute nicht mehr anbieten dürfte.

Der Kanzler und der Rebell, ARD, 23.30 Uhr.

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