DFB-Erfolg in der EM-Qualifikation:Seriös durch die Wand gebohrt

EM-Qualfikation Georgien - Deutschland

Mesut Özil und Marco Reus mussten sich diesmal auf seriöse Arbeit konzentrieren. Die Kunst kommt später wieder.

(Foto: dpa)
  • Mit einem konzentrierten 2:0 in Tiflis startet die Nationalmannschaft ins Jahr nach dem WM-Titel.
  • Auch von sehr defensiven Georgiern lässt sich Joachim Löws Elf nicht aus der Ruhe bringen - Reus und Müller treffen.
  • Hier geht's zu den aktuellen Ergebnissen der EM-Qualifikation.

Die Spieler des FC Bayern kennen das ja schon: Da steht also ein Gegner, er kann das Emblem von Borussia Mönchengladbach auf der Brust tragen oder das Nationalwappen von Georgien, und dieser Gegner steht in der eigenen Hälfte herum, baut dort Vierer-, Fünfer- oder sonstige Ketten, und er denkt einfach nicht daran, sich auf diese Sportart einzulassen, die Fußball heißt.

Der Gegner spielt ein eigenes Spiel, und die Regeln dieses Spiels sehen vor, in Räumen so herum zu stehen, dass es gar keine Räume sind. Wenn sich versehentlich doch mal ein Raum öffnet, läuft der Gegner in diesen Raum hinein, um ihn zu sofort wieder zu schließen, und den Raum, den das Laufen verursacht hat, den schließt dann gleich der Nächste.

In der ersten Hälfte gut

Gegen so einen Gegner muss der FC Bayern dann ein Tor schießen, oder eben - wie an diesem Sonntagabend - die aus diversen Bayern-Spielern bestehende deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Das Tagesgeschäft dieser Spieler besteht inzwischen darin, dicke, ganz dicke und ganz, ganz dicke Bretter zu bohren, und wie das idealerweise funktioniert, zeigte die DFB-Elf im EM-Qualifikationsspiel in Tiflis in der 39. Minute: Ein Pass von Mats Hummels erreicht Mesut Özil, eine Drehung, ein Pass, der Ball kommt zu Mario Götze, der sich an ein, zwei, drei Georgien vorbeischlängelt und den Ball Marco Reus überlässt, der ins Tor trifft.

Es war das sehr schön herausgespielte, sehr überfällige Führungstor in einer Partie, die Joachim Löws Elf am Ende sehr konzentriert mit 2:0 (2:0) für sich entschied. "Beim Blick auf die Tabelle war der Ernst der Lage ja nicht zu übersehen", sagte Löw später, "in der ersten Hälfte haben wir es über weite Strecken sehr gut gemacht, in der zweiten haben wir's dann ein bisschen verwaltet. Da hätte ich mehr Torgefahr gewünscht."

Mit zehn Punkten haben die Deutschen in der Qualifkationsgruppe D weiter Sichtkontakt zur Spitze, und schon nach der nächsten Pflichtaufgabe am 13. Juni gegen Gibraltar in Faro könnte die DFB-Auswahl wieder ganz oben stehen und als Spitzenreiter in den heißen Herbst mit den Duellen gegen die Konkurrenten Polen, Schottland und Irland ziehen. Zwei Mannschaften qualifizieren sich direkt für die EM in Frankreich; der Gruppendritte kann es noch über die Relegation schaffen.

Der weltmeisterliche Anspruch sei nicht, "in der Gruppe einfach mitzuschwimmen, sondern die Gruppe zu gewinnen", hatte Löw ja vor dem Spiel gefordert, und er darf nun zufrieden registrieren, dass er sich auf seine Elf verlassen kann. Nach dem munteren Durcheinander im Test gegen Australien (2:2) war es Löw gelungen, seinen Spielern wieder jene Ernsthaftigkeit zu vermitteln, die diese feinen Füße brauchen, um ihr Werk ins Ziel zu bringen.

Löw macht ernst

Auch mit der Aufstellung dokumentierte Löw, dass er diesmal keine Testreihen geplant hatte, sondern aufs Ergebnis abzielte. Keine Dreier-Abwehrkette, keine geometrischen Spitzfindigkeiten: Hinten verteidigte eine um die Weltmeister Boateng und Hummels herumgebaute Viererkette, das Zentrum organisierten Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger, den Angriff besetzte der variable Götze, der mit Hintermann Özil und dessen Nebenmann Reus immer wieder versuchte, die dicken Bretter nicht zu durchbohren, sondern zwischen ihnen hindurch zu dribbeln.

Das gelang anfangs gut, wie Reus' Lattentreffer belegte (4.); dann gelang es eine Weile nicht mehr so gut, weil bei aller Finesse etwas Tempo fehlte; dann gelang es wieder besser, und in der zweiten Halbzeit war dann "wieder Luft nach oben", wie Thomas Müller später sagte. Aber in den entscheidenden Momenten gelang es gut genug.

Rudy und Hector haben starke Szenen

Das 1:0 war ein Kleinod, aber beim 2:0 zeigte die DFB-Elf, dass sie es auch direkter kann. Özils straffen Pass aus dem Mittelfeld schnappte sich Müller, der den Ball ohne größere Schnörkel im Tor unterbrachte (44.). Die 55 000 Zuschauer, die den Weltmeister sehr laut empfangen und sehr leidenschaftlich ausgepfiffen hatten, wurden nun stiller - wie sollten die Georgier, deren Defizite trotz aller Bemühungen deutlich zu erkennen waren, das aufholen?

In der zweiten Hälfte zeigten die Georgier offensiv plötzlich mehr Temperament, ab und zu stießen sie in Bereiche vor, in denen sie sogar in entfernten Sichtkontakt mit dem Weltmeistertorwart Manuel Neuer gerieten. Vorher gerieten sie aber meist in Körperkontakt mit Boateng, und viel weiter kamen sie dann nicht. Boatengs einschüchternde Präsenz ermöglichte es der nun etwas fahriger werdenden DFB-Elf, das Spiel allmählich wieder zu beruhigen; und Boatengs Ausstrahlung war auch eine große Hilfe für die unerfahrenen Außenverteidiger Sebastian Rudy und Jonas Hector, die Löw mit einem klaren Auftrag versehen hatte.

Löw hatte auf defensiv stabilere Spielertypen wie Höwedes und Mustafi verzichtet, damit die offensiveren Rudy und Hector das Spiel über die Flügel mit anschieben. Beide hatten einige gute Szenen, vor allem Hector wirkte sicher und meist souverän; über ihre defensive Tauglichkeit ließen sich gegen diesen Gegner kaum belastbare Erkenntnisse gewinnen.

Es dürfte Löw gefallen haben, dass seine Weltmeister nach all den Feiern und roten Teppichen inzwischen wieder genügend Selbstkritik angesammelt haben. Die Spielanlage sei "ganz gut gewesen, vor allem in der ersten Halbzeit", meinte stellvertretend Thomas Müller, dessen Stürmerseele aber unter der fehlerhafteren zweiten Halbzeit litt. "Da hatten wir zu viele Ballverluste, auch ich", sagte Müller, "und wenn man kein Tor mehr schießt, ist das dann ein bisschen frustrierend." Dennoch blieb die Körperspannung auch bei Künstlerfraktion Özil/Götze/Reus hoch genug, um die Partie gefahrlos nach Hause zu spielen, und so konnte es sich der Bundestrainer erlauben, mittels Einwechslungen noch ein paar Sozialpunkte zu verteilen. Kurz vor Schluss durfte auch das Sorgenkind Lukas Podolski noch ein bisschen mit siegen.

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