DFB-Sieg gegen Georgien:Nur die Flitzer bereiten Probleme

  • Die deutsche Nationalmannschaft beweist, dass sie Auftritte unter Druck noch drauf hat: Der Sieg gegen Georgien in der EM-Qualifikation gelingt, weil Bundestrainer Löw diesmal von Experimenten absieht.
  • Torhüter Manuel Neuer ist dennoch unzufrieden, Jonas Hector sieht den Ausflug nach Tiflis viel entspannter.
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Von Maik Rosner, Tiflis

Wirklich kritisch wurde es erst hinterher, und auch diesen Part übernahmen die deutschen Nationalspieler. Das galt nicht nur für ihre Einschätzungen zum Auftritt am Sonntag in Georgien, sondern ebenso für dessen Begleiterscheinungen. Beinahe auf Mannschaftsstärke war ja die Zahl der Flitzer während des seriös erwirtschafteten 2:0-Sieges angewachsen. Was Thomas Müller durchaus launig, aber schon auch in jenem Tonfall kommentierte, mit dem er und die Kollegen den wichtigen Erfolg in der EM-Qualifikation bedachten. "Hinten raus ist es mir mit den Flitzern etwas zu oft passiert. Aber die waren ja gut drauf die Jungs", sagte Müller einigermaßen nachsichtig.

Eine angemessene Ernsthaftigkeit war am Sonntagabend insgesamt zu beobachten gewesen. Nach den bisher eher irritierenden Auftritten in der Gruppe D und dem zuletzt gleichfalls turbulenten 2:2 im Test gegen Australien zeigte die deutsche Elf nun bei ihrem kleinen Abenteuerausflug an den Kaukasus, dass sie konzentrierte Auftritte unter Druck weiterhin drauf hat. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw trat den Beweis an, dass sie wieder auf den Punkt in den Wettkampfmodus umschalten kann. Dass Löw dabei mit der Wahl des Personals und der Taktik eine Abkehr von den jüngsten Experimenten vollzog, fügte sich ins Bild. Eine Dreierkette gab es diesmal nicht.

Die Hauptbotschaft, die von dieser viertägigen Dienstreise des Weltmeisters ausging: Wenn es drauf ankommt, kann die deutsche Auswahl mit den vielen Feinfüßen sehr wohl noch in eine sachliche und zielorientierte Arbeitsweise wechseln. Und sie kann, das ließ sich hinterher vernehmen, ihre Darbietung ebenfalls selbstkritisch beleuchten. Auch das war eine nicht ganz unwichtige Erkenntnis für die noch ausstehenden fünf - teils sicher kniffligeren - Spiele bis zum Abschluss der Qualifikation, an deren Ende die Versetzung zur EM 2016 in Frankreich als Tabellenerster stehen soll.

Es sei "ein gewisser Ernst" zu erkennen gewesen, befand Löw nach der Partie: "Wir hatten das Spiel absolut im Griff. Mit der ersten Halbzeit war ich wirklich sehr zufrieden, weil die Mannschaft da sehr konsequent nach vorne agiert hat, sehr dynamisch gespielt hat mit viel Druck aufs Tor." Der zweite Durchgang geriet zwar verhaltener, aber der dritte Sieg aus fünf Gruppenspielen blieb völlig ungefährdet.

Laxer Umgang mit den Torchancen

Die Selbstkritik danach bezog sich deshalb vor allem auf den etwas laxen Umgang mit den Torchancen aus der ersten Halbzeit. Es hätten ja durchaus auch vier oder fünf Tore werden können am Sonntagabend, nicht nur jene durch Marco Reus (39.) und Müller (44.). Reus traf noch zweimal die Latte, viele weitere Abschlüsse waren vor allem vor dem Seitenwechsel zu besichtigen gewesen. "Fahrlässigkeit" konnte Müller zwar nicht erkennen, aber der beschäftigungslose Torwart Manuel Neuer setzte zurecht beim Manko in der Offensive an.

Es sei ja "grundsätzlich positiv, dass wir uns viele Torchancen gegen eine tiefstehende Mannschaft herausgespielt haben", sagte er, befand aber auch: "Es ist natürlich ärgerlich, wenn du die klaren Torchancen nicht nutzt." Gerade gegen eine defensive Mannschaft, die klar unterlegen, aber nicht angemessen deutlich distanziert worden war. Ein bisschen mehr Kühle im Abschluss mahnte Neuer deshalb an, "weil du dich dann richtig in Fahrt spielen könntest". Abgesehen davon sei die Leistung aber okay gewesen, trotz der weniger elanvollen zweiten Hälfte. Was Mario Götze ähnlich sah. Hätte man die Vielzahl an Chancen besser genutzt, sagte er, "könnten wir noch zufriedener sein, als wir es jetzt schon sind".

Vor allem für die Defensive nach der Rückkehr zur gewohnten Viererkette hat Neuer von seinem ruhigen Beobachtungsposten aus einige Komplimente aussprechen können. Nicht eine Torchance habe man zugelassen, hob er anerkennend hervor. In dieser Hinsicht hatte sich die deutsche Elf zuletzt ja nicht wirklich weltmeisterlich präsentiert. Selbst Gibraltar hatte es im Herbst in Nürnberg geschafft, Neuer zu beschäftigen.

Nun aber verlebte der Münchner einen sehr entspannten Abend. Beigetragen hatten dazu neben den aufmerksamen Innenverteidigern Jérôme Boateng und Mats Hummels auch die Außen Sebastian Rudy und Jonas Hector, die hinten sachlich und meist sicher agierten. Bei Ballbesitz rückten die beiden unerfahrensten Kollegen weit vor und beteiligten sich an den Kombinationen. Auch in dieser Hinsicht wünscht sich Hector eine Fortsetzung. "Jetzt will ich Leistung in der Bundesliga bringen, um regelmäßig dabei zu sein", sagte der Kölner, unabhängig von der künftigen Defensivformation, in der je nach Gegner weiterhin auch mal wieder mit einer Dreierkette zu rechnen ist.

Überhaupt kann Hector den bereichernden Dienstreisen mit der Nationalelf viel abgewinnen. Georgien sei nicht nur deshalb eine Reise wert gewesen, weil der Ertrag bei den Punkten stimmte. Zudem "sieht man ein bisschen was", sagte der 24-Jährige, "ich bin ja noch nicht so viel rumgekommen." Als einziger hauptamtlicher Linksverteidiger in Löws Kader darf er schon mal für den nächsten zumindest touristisch interessanten Trip der EM-Qualifikation planen. Im Juni steht die Partie gegen Gibraltar an. Gespielt wird im attraktiven Faro im Süden Portugals.

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