Artenschutz:Lurche in der Giftfalle

Krötenwanderung

Fressen oder gefressen werden - für Frösche und Kröten wie diese gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten im Leben.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Umweltschützer geben sich alle Mühe, Kröten bei ihren Wanderungen zu unterstützen. Das könnte fruchtlose Mühe sein. Denn am Ziel erwartet die Amphibien nicht selten die volle Dröhnung Pestizide.

Von Christian Gruber

Die Krötenwanderung hat begonnen, und wieder schlagen sich in ganz Deutschland Umweltschützer die Nächte um die Ohren, um einzelne Tiere über die Straße zu tragen. Doch nun zeigt eine aktuelle Studie: Womöglich bringt das Engagement für den Artenschutz gar nicht so viel. Selbst wenn die Tiere auf dem Weg zu ihren Laichtümpeln vor den Autos gerettet werden - im nächsten Feld sind sie dann doch den Pflanzenschutzmitteln aus der Landwirtschaft ausgesetzt.

Eine Untersuchung des Instituts für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau und des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg zeigt, dass sich die Wanderzeiten von Moorfrosch, Knoblauchkröte, Gelbbauchunke und Kammmolch mit den Perioden überschneiden, in denen Pestizide verspritzt werden.

Zwei Jahre hatten Patrick Lenhardt, Carsten Brühl und Gert Berger 100 Anbauflächen und 330 Pestizideinsätze 50 Kilometer östlich von Berlin in den Blick genommen. Die Forscher fingen und zählten die wandernden Amphibien und glichen deren Wandermonate von Februar bis Mai mit den Pestizid-Ausfahrten der Bauern ab. Um abzuschätzen, wie viel Spritzmittel der Boden und damit die wandernden Amphibien wegstecken müssen, griffen die Umweltwissenschaftler auf Datensätze zurück, die dokumentieren, wie durchlässig das Blätterdach verschiedener Feldfrüchte in ihrer jeweiligen Wachstumsphase ist.

Es zeigte sich, dass die Spritzmittel den Lurchen weniger ausmachen, wenn der Mais oder andere Nutzpflanzen schon hoch stehen, weil die Blätter der Feldfrüchte das meiste abfangen. Pestizide aber, die zuvor ausgebracht werden, treffen die Tiere mitunter voll, schreiben die Experten im Fachblatt Basic & Applied Ecology.

Der Studie zufolge geraten spät wandernde Arten wie Rotbauchunke und Knoblauchkröte häufiger in Pestizidwolken als Arten, die früher im Jahr zu ihrem Tümpel aufbrechen, wie der Moorfrosch. Die Spritzmittelmenge, die die Tiere trifft, hängt aber von vielen Faktoren ab. So bekamen im bereits groß gewachsenen Winterraps bis zu 86 Prozent der Knoblauchkröten nur ein Fünftel des verteilten Fungizids ab, während Rotbauchunken im jungen Mais oft voll getroffen wurden.

Die Wirkung der Spritzmittel auf Amphibien wird gar nicht erfasst

Ob die Spritzmittel für die Lurche gefährlich oder gar tödlich sind, hängt von der Dosis ab. Die giftige Wirkung auf Amphibien sei bislang nur für wenige Pestizide in Laborstudien untersucht, halten die Autoren fest. Erste Ergebnisse zeigten, dass manche Pestizide alle Amphibien töteten, wenn diese die volle Dosis abbekämen. "Aber auch wenn nur zehn Prozent dieser Menge aufgenommen werden, führte das bei anderen Pestiziden immer noch zu 40 Prozent Sterblichkeit", sagt Brühl.

Amphibien gehören zu den am stärksten gefährdeten Tiergruppen weltweit, auch wegen der Landwirtschaft. Etwa die Hälfte der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt, rund 70 Prozent davon sind Ackerflächen, auf denen Pestizide zum Einsatz kommen.

Die Landwirte können allerdings nicht frei entscheiden, wann sie die Pflanzenschutzmittel ausbringen. Die geeigneten Zeitfenster sind schmal, sie hängen von der jeweiligen Feldfrucht ab und vom Wetter: Die Bauern fahren in der Regel auf den Acker, wenn es relativ kühl und feucht ist oder wenn sie Regen erwarten, weil die Pflanzen dann die Pestizide am besten aufnehmen können. Bei Gluthitze schaden die Pestizide mehr, als sie nutzen. Gespritzt wird zudem meist, wenn die Pflanzen wachsen oder gut stehen, also im Frühjahr, wenn auch die Amphibien wandern.

Carsten Brühl glaubt dennoch an eine Lösung für Artenschutz und Pflanzenschutz gleichermaßen: "Wenn Naturschutzgruppen oder Landwirte einfach darauf achten, dass an Hauptwandertagen keine Spritzmittel ausgebracht werden, dann ist schon viel gewonnen. Diese Wanderungen finden tatsächlich an einzelnen Tagen statt. Man muss die Landwirte einfach nur dafür sensibilisieren: Nach der Wanderung sitzen die meisten Frösche im Teich, dann könnt ihr rausfahren."

Der Forscher sieht vordringlich ein anderes Problem: Im Moment werde bei den Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel zwar die Toxizität für Insekten und alle möglichen anderen Tiergruppen erfasst, nicht aber für Amphibien. "Das muss sich ändern. Es dürfen keine Pestizide mehr erlaubt werden, die Lurche töten können."

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