Germanwings-Absturz:Piloten warnen vor Lockerung der Schweigepflicht

  • Politiker diskutieren nach der Germanwings-Tragödie über eine mögliche Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht - Ärzte und Piloten widersprechen.
  • "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", heißt es von der Vereinigung Cockpit.
  • Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, warnt vor verfrühten Entscheidungen.

"Das kann nur jemand sagen, der von der Materie keine Ahnung hat"

Nach der Germanwings-Tragödie ist eine Debatte über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für sensible Berufe wie Piloten entbrannt. Die Vereinigung Cockpit (VC) ist klar gegen eine Lockerung der Schweigepflicht im Fall von Piloten: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", sagte der Präsident der Pilotengewerkschaft, Ilja Schulz, der Rheinischen Post. "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt", so Schulz. "Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."

Der 27 Jahre alte Copilot des Fluges 4U9525 soll den bisherigen Ermittlungen zufolge die Maschine mit 150 Menschen an Bord vor einer Woche absichtlich zum Absturz gebracht und seinem Arbeitgeber eine Erkrankung verheimlicht haben. Er war Jahre vor dem Absturz als suizidgefährdet eingestuft und in psychotherapeutischer Behandlung.

Auch Ärzte gegen eine Lockerung der Schweigepflicht

Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Rainer Richter, lehnt eine Lockerung ab. "Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem", sagte Richter. "Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet."

Eine Lockerung der Schweigepflicht für bestimmte Berufe mit hohem Berufsrisiko könnte nach Richters Ansicht derartige Katastrophen nicht verhindern. Das Problem sei "die grundsätzliche Schwierigkeit, bei einem Menschen die Absicht, sich und insbesondere Dritte zu schädigen, verlässlich zu erkennen und die Ernsthaftigkeit einzuschätzen".

Datenschutzbeauftragte warnt vor voreiligen Entscheidungen

Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, warnte vor verfrühten Entscheidungen. "Das Flugzeugunglück und die bislang bekannt gewordenen Hintergründe dürfen nicht in voreilige Forderungen zur Lockerung des Datenschutzes münden", sagte Voßhoff dem Tagesspiegel.

Solange nicht alle Informationen ausgewertet worden seien, "wäre es verfehlt, den hohen Schutz, welchen gerade Gesundheitsdaten zu Recht genießen, in Frage zu stellen". Voßhoff mahnte zu einer "sorgfältigen Abwägung". Dafür müssten zunächst alle Zusammenhänge bekannt sein.

Forderungen von Politikern

Der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer hatte eine Lockerung der Schweigepflicht für sensible Berufe gefordert. "Piloten müssen zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein", sagte Fischer der Rheinischen Post.

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) schlug eine Expertenkommission vor, die die Frage klären solle, wie mit ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten umzugehen sei.

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