Insolvenzantrag:Steuerforderung bringt Middelhoff in die Bredouille

Thomas Middelhoff

Thomas Middelhoff

(Foto: dpa)
  • Am Dienstagmittag stellte Middelhoff über seine Anwälte beim Amtsgericht in Bielefeld einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen.
  • Bis zu seiner Verhaftung im November bestritt Middelhoff energisch, pleite zu sein.
  • Mit seinem Antrag kam Middelhoff dem Finanzamt Bielefeld-Außenstadt zuvor. Es hatte ebenfalls einen Insolvenzantrag gegen Middelhoff gestellt, über den das Gericht aber noch nicht entschieden hatte.

Von Uwe Ritzer

Es wäre ein spektakulärer Showdown geworden, am Gründonnerstag um 11.30 Uhr im Saal 18 des Landgerichts Bielefeld. Thomas Middelhoff Auge in Auge mit Roland Berger. Der ehemalige Top-Manager, der seit viereinhalb Monaten im Gefängnis sitzt, und sein Gläubiger Berger, der Grandseigneur der Unternehmensberater hierzulande. Middelhoff bezeichnete Berger einmal als seinen "früheren väterlichen Freund". Inzwischen ist da nichts mehr an Sympathie. Berger und er streiten sich erbittert um Millionen Euro, die sie wechselseitig voneinander verlangen. Ob es jemals noch zu diesem Prozess kommen wird, ist jedoch fraglich geworden.

Das Verfahren mit dem Aktenzeichen 1 O 210/14 liegt auf unbestimmte Zeit auf Eis, denn die Dinge haben sich grundlegend verändert. Am Dienstagmittag stellte Middelhoff über seine Anwälte beim Amtsgericht in Bielefeld einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Privatvermögen. Als vorläufigen Insolvenzverwalter setzte das Gericht den Rechtsanwalt Thorsten Fuest ein. Der will sich erst einmal "ein Bild von den komplexen Vermögensverhältnissen" Middelhoffs machen und dann "im Dialog mit ihm und seinen Gläubigern" das Vorgehen klären.

Mit seinem Antrag kam Middelhoff dem Finanzamt Bielefeld-Außenstadt zuvor. Es hatte ebenfalls einen Insolvenzantrag gegen Middelhoff gestellt, über den das Gericht aber noch nicht entschieden hatte. Grund sind erhebliche Steuerschulden des 61-Jährigen, der einst als Vorstandschef des Medienriesen Bertelsmann und des Handelskonzerns Karstadt-Quelle (später: Arcandor) zu den mächtigsten und am besten bezahlten Managern Deutschlands zählte. Wie viel der Fiskus von ihm verlangt, sagen Finanzbehörden und Justiz nicht - Steuergeheimnis.

Thomas Middelhoff

Nur Stunden später wird er verhaftet: Thomas Middelhoff am 14. November 2014 im Landgericht Essen.

(Foto: Frank Augstein/AP)

Gläubiger wollen 90 Millionen Euro

Sein Mandant sei "zurzeit nicht in der Lage, eine fällige Einkommensteuerforderung der Finanzverwaltung zu erfüllen", erklärte Middelhoffs Anwalt Hartmut Fromm. Über eine Klage gegen diese Forderung habe das zuständige Finanzgericht noch nicht entschieden. Wohl aber wies es einen Antrag Middelhoffs ab, das Eintreiben der Steuerschuld auszusetzen. Damit gehört auch der Staat zu Middelhoffs Gläubigern. Die anderen Gläubiger, wie sein früherer Vermögensverwalter Josef Esch, Roland Berger, die Bank Sal. Oppenheim, die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gewobag oder der Arcandor-Insolvenzverwalter, verlangen etwa 90 Millionen Euro.

Mit dem Antrag auf ein Privatinsolvenz-Verfahren gewinnt der Absturz von Middelhoff noch einmal an Fahrt. Kein deutscher Topmanager hat Vergleichbares erlebt. Im Juli zwang ihn sein Gläubiger Berger zur Abgabe einer eidesstattlichen Vermögensauskunft, vulgo: Offenbarungseid. Anschließend floh Middelhoff durch einen spektakulären Sprung aus dem Fenster im ersten Stock vor den Fotografen, die am Gerichtseingang lauerten. Wenige Wochen später pfändete im Essener Gericht eine Gerichtsvollzieherin seine wertvolle Armbanduhr, die anschließend zwangsversteigert wurde. Seit dem 14. November 2014 sitzt Middelhoff wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Essen, nachdem ihn das Landgericht wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt hatte. Es ging um Flüge in Privatjets und andere Ausgaben, die das Gericht als privat wertete, die Middelhoff jedoch Arcandor hatte bezahlen lassen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; Middelhoffs Anwälte haben dagegen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Ihre Versuche, Middelhoff frei zu bekommen, scheiterten bislang allesamt. Vor wenigen Tagen lehnte das Oberlandesgericht Hamm einen entsprechenden Antrag wegen Fluchtgefahr ab, obwohl Familie und Freunde 900 000 Euro Kaution boten.

Unklare Vermögenssituation

Doch wie viel Geld haben Thomas Middelhoff und seine Familie überhaupt noch? Wie viel gehört ihnen überhaupt von der mondänen Villa hoch über Saint-Tropez und von dem ebenfalls großzügigen Anwesen mit Reit- und Tennisplätzen in Bielefeld? Von den Luxusautos und anderen Statussymbolen?

Aktuelles Lexikon: "Privatinsolvenz"

Thomas Middelhoff, der Ex-Chef des Kaufhauskonzerns Arcandor, hat beim Amtsgericht Bielefeld einen Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Diese Möglichkeit besteht für Privatleute seit 1999. Ziel des Gesetzes dazu ist es, Schuldnern einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit zu ermöglichen - nach sechs Jahren können sie von ihren Schulden befreit werden, auch wenn sie die nicht voll zurückbezahlt haben. Dafür müssen sie aber Hürden überwinden: Zunächst wird versucht, mit Hilfe eines Anwalts oder einer Beratungsstelle eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Es wird ein Treuhänder eingesetzt, der versucht, das Vermögen des Schuldners, zum Beispiel ein Auto, zu verwerten. Etwaiges Gehalt wird bis auf das Existenzminimum gepfändet. Scheitert die außergerichtliche Einigung, kann der Insolvenzantrag gestellt werden. Das Gericht versucht dann, mit den Gläubigern einen Plan zum Schuldenabbau durchzusetzen. Stimmen mehr als die Hälfte zu, tritt der Plan in Kraft. Der Schuldner ist während des Verfahrens vor Vollstreckung durch Gläubiger geschützt. Verhält er sich sechs Jahre lang gut, wird ihm die Restschuld erlassen. Seit Juli 2014 ist dies schon nach fünf Jahren möglich, wenn der Schuldner die Verfahrenskosten trägt - und sogar nach drei Jahren, wenn er 35 Prozent seiner Schulden bezahlt. Jedes Jahr beantragen etwa 100 000 Bundesbürger Privatinsolvenz. Harald Freiberger

Bis zu seiner Verhaftung im November bestritt Middelhoff energisch, pleite zu sein. Er habe genug Geld, sei aber gerade nicht flüssig. Schuld daran, so erklärte es am Dienstag sein Anwalt Fromm, sei das Bankhaus Sal. Oppenheim, das im Jahr 2009 insgesamt knapp 30 Millionen Euro hauptsächlich auf Festgeldkonten von Thomas Middelhoff und seiner Frau Cornelie eingefroren habe. Das Geldhaus und das Ehepaar beteiligten sich an sogenannten Oppenheim-Esch-Fonds. Die Middelhoffs fühlen sich dabei über den Tisch gezogen und fordern die Rückabwicklung. Die Bank weigert sich und verlangt, dass die Middelhoffs Kredite weiter bedienen, die sie für ihre Fondsbeteiligungen aufgenommen haben. Der Streit ist beim Landgericht Köln anhängig, wo der Vorsitzende Richter Middelhoffs Klage aber "recht ungünstige Aussichten nach jetzigem Stand" einräumte.

Die Villa hoch über Saint-Tropez, offizieller Hauptwohnsitz der Middelhoffs, steht mittlerweile zum Verkauf. Ihr Preis soll zwischen 30 und 35 Millionen Euro liegen, wobei unklar ist, ob und wie viel Middelhoff bei einem etwaigen Verkauf kassieren würde. Längst haben auch hier Gläubiger sprichwörtlich die Hand drauf.

Nach SZ-Informationen scheint auch das Bielefelder Domizil nicht gesichert zu sein. Offenbar gehört es einer Gesellschaft mit Familienangehörigen. Gläubiger lassen gerade die Eigentumsverhältnisse prüfen und sind entschlossen, ihre Ansprüche auch dort zu realisieren. Auch Roland Berger will nicht locker lassen. Sein Anwalt Claus Thiery sagte, man begrüße, dass "die Vermögenssituation von Herrn Middelhoff durch den Insolvenzverwalter nun vollumfänglich aufgeklärt wird".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: