Hilfe bei der Steuerhinterziehung:Die Commerzbank und der Pinguin

File photo of workers making adjustments to a large Commerzbank logo in Frankfurt

Der Staat stützte die Commerzbank mit 18 Milliarden Euro. Dennoch half das Institut offenbar weiterhin vielen reichen Kunden, den Fiskus zu betrügen.

(Foto: Ralph Orlowski/Reuters)
  • Seit 2008 wollte die Commerzbank eigentlich keinen Steuerhinterziehern mehr helfen. Neue Unterlagen zeigen nun aber, wie Kunden mit Hilfe der Bank noch jahrelang Geld unter anderem in Panama versteckt haben.
  • In Hochzeiten betreute die Luxemburger Tochter des Geldhauses fast 20 000 Konten und mehr als 240 Briefkastenfirmen in Übersee, deren Zahl über die Jahre nur langsam sank.
  • Über Jahre hinweg betrieben Commerzbanker das Geschäft weiter - obwohl das Institut längst vom Staat gerettet werden musste und die Konzernchefs Besserung gelobt hatten.

Von Hans Leyendecker, Bastian Obermayer und Klaus Ott

Auch wer sein Geld in fernen Ländern verstecken will, kann für Launen und Marotten anfällig sein. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an. Wie soll man die neue Briefkastenfirma in Panama nennen, die niemand da draußen kennen darf?

Tigerente? Bärchen? Pinguin vielleicht?

"Ich möchte Sie bitten für mich abzuklären, ob die Gründung einer Panama-Gesellschaft mit dem Namen ,Pinguin SA' möglich ist", schreibt ein Berater der Commerzbank International SA Luxemburg (Cisal) im Januar 2008 im Auftrag eines deutschen Kunden an die Mossack Fonseca Group (MF Group), einen Großanbieter von Briefkastenfirmen.

Am Ende bekam die Briefkastenfirma den Namen "Pinguin Holding SA". Die Namensfindung hatte weniger mit Kinderbüchern zu tun, als damit, dass der Kunde zwar offenbar kein Faible für das Finanzamt, dafür aber eines für die Kriegsmarine hatte. Die "Pinguin" war im Zweiten Weltkrieg ein für den Handelskrieg umgerüstetes und bewaffnetes deutsches Frachtschiff, das sogar mal eine norwegische Walfangflotte gekapert hat. Später dann, im Mai 1941, wurde es bei den Seychellen von dem gegnerischen Kreuzer HMS Cornwall versenkt.

Erste deutsche Großbank im Fokus

Als vor fünf Wochen die MF Group aufflog, sind nicht nur Hunderte deutscher Steuerhinterzieher enttarnt worden. Mit der Commerzbank steht erstmals eine deutsche Großbank im Mittelpunkt eines großen Offshore-Falles. Interne, bislang unbekannte Unterlagen des zweitgrößten deutschen Geldinstituts dokumentieren nun, in welchem Umfang die Luxemburger Tochter das Schwarzgeld-Geschäft mit den geheimen Firmen betrieb. Sie zeigen zudem, wie die Bank sich über viele Jahre hinweg nur sehr langsam und zögerlich aus dem Geschäft verabschiedet hat.

Die neuen Unterlagen ermöglichen einen nahezu lückenlosen Einblick in Art und Umfang der Offshore-Geschäfte. Offenkundig steuerunehrliche Kunden wurden über Jahre hinweg sorgsam umhegt. Die Berater halfen, wo sie konnten - selbst wenn es nur um die Namenswahl der Offshore-Firma ging. Skeptisch waren die Berater nur, ob die Tarnung auch wirklich halten würde: Immer wieder finden sich Nachfragen der Commerzbank-Mitarbeiter, immer wieder lassen sie sich versichern, dass alle Informationen streng vertraulich behandelt würden. In einem Fall heißt es dezidiert, man habe wichtige Kunden, die mit der Steuerbehörde Schwierigkeiten hätten. Auf deutsch: Sie haben Schwarzgeld.

242 Panama-Gesellschaften mit 419 Millionen Euron Vermögen

Die Commerzbank International SA Luxemburg (Cisal) betreute den Unterlangen zufolge im Jahr 2008 insgesamt 242 Panama-Gesellschaften mit einem Vermögen von 419 Millionen Euro. Das sind im Schnitt mehr als 1,7 Millionen Euro pro Panama-Firma und Klient. Das meiste davon dürfte in der Steuerfluchtburg zwischen Atlantik und Pazifik vor dem Fiskus versteckt worden sein. Panama war wohl nur ein kleiner Teil dieses Geschäftszweigs der Commerzbank. Bei der Cisal und beim Luxemburger Ableger der Dresdner Bank, die in der Commerzbank aufging, waren 2008 immerhin 19 250 Kundenkonten gelistet. Darauf lagerten Einlagen in Milliardenhöhe. Ein Großteil davon vermutlich Schwarzgeld.

Publik geworden waren die Geschäfte der Commerzbank erstmals Ende Februar durch Recherchen von SZ, WDR und NDR. Gegen rund ein halbes Dutzend ehemalige und heutige Mitarbeiter der Commerzbank wird inzwischen wegen Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt. Gegen das Geldhaus läuft ein Bußgeld-Verfahren. Etliche Kunden und mehrere Banker sollen inzwischen zugegeben haben, den Fiskus betrogen oder dabei geholfen zu haben. Die Commerzbank sagt, von Geständnissen sei ihr nichts bekannt. Die in dem Fall agierenden Steuerfahnder sowie die Staatsanwaltschaft Köln werten noch immer Material aus, das sie von einem Informanten gekauft haben. Dieser Datensatz allerdings ist nur ein kleiner Teil einer weit größeren Datensammlung, die SZ, WDR und NDR vorliegt. Den Unterlagen zufolge müssen weitere deutsche Geldinstitute mit Besuch der Fahnder rechnen.

Unklare Rolle von Ex-Commerzbank-Chef Müller

Nun, fünf Wochen nach den ersten Berichten, lässt sich erstmals detailliert nachzeichnen, wie zögerlich die Commerzbank aus dem Panama-Geschäft ausgestiegen ist. Offiziell erfolgte der Ausstieg demnach im August 2008, tatsächlich war es ein quälend langer Prozess.

So wurde dem Kontrollorgan der Cisal, dem Verwaltungsrat, Ende 2007 ein Bericht über die "Bestandsverwaltung von deutschem Offshore Money" präsentiert. Vorsitzender des Verwaltungsrats und Präsident der Cisal war bis April 2008 Klaus-Peter Müller, damals Vorstands- und heute Aufsichtsratschef der Commerzbank. Müller war damals auch Präsident des deutschen Bankenverbandes. Wusste er nichts von Panama? Hat er sich nicht darum gekümmert? Oder hat er das laufen lassen? Müller schweigt. Und was ist mit Martin Blessing, der ihm im Mai 2008 als Bankchef folgte? Was hat Blessing wann von dieser Geschäften erfahren und wie hat er reagiert? Dazu macht die Commerzbank "öffentlich keine Angaben".

Wende erst nach 2008

Bereits 2003 wurde die Bank belangt, weil sie via Luxemburg und Schweiz systematisch Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hatte. Aber sie machte, so der Verdacht der Behörden, weiter. Erst fünf Jahre später gab der Verwaltungsrat der Luxemburger Tochter eine neue Linie vor. Das Geschäft sei "strikt im Rahmen der Gesetze" betreiben. Rechtsverstöße seien "nicht tolerabel". So steht es im Protokoll einer Verwaltungsratssitzung vom 6. August 2008.

Es war ein Wendejahr, denn von 2008 an bekam der deutsche Fiskus dank vieler CDs, die Aufschluss gaben über zigtausende geheime Konten in Liechtenstein und anderswo, immer mehr Steuerhinterzieher und deren Banken zu fassen. Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel wurde öffentlich abgeführt. Die Geldwäsche-Bestimmungen wurden verschärft. Es sieht so aus, als habe die Commerzbank darauf reagiert, notgedrungen und aufgeschreckt. Die Bank sagt dazu nur, "die Neuausrichtung" des Geschäfts sei von diesen Ereignissen "unabhängig" gewesen. Einen anderen, plausiblen Grund für ihre Kurskorrektur nennt die Commerzbank aber nicht.

Wie auch immer: Im August 2008 wird bei der Cisal intern ein "Vertriebsstopp" für Offshore-Gesellschaften verfügt. Die Berater sollen ihren Kunden keine Briefkastenfirmen mehr andienen, mit deren Hilfe reiche Deutsche und andere gut betuchte EU-Bürger ihr Vermögen dem Fiskus verheimlichen.

Zähe Abkehr vom Offshore-Geschäft

Fortan sinkt die Zahl der Panama-Firmen, die von der Cisal betreut werden; wenn auch langsam. Von den einst 242 Gesellschaften mit 419 Millionen Euro Kapital, Stand 2008, sind drei Jahre später immer noch 172 Firmen mit 200 Millionen Euro übrig. Aktueller Stand: Rund 50 Panama-Firmen mit erstmals weniger als 100 Millionen Euro Vermögen. Auch die Zahl der Kundenkonten in Luxemburg geht zurück. Von den 19 250 im Jahr 2008 auf 12 315 in 2011. Aktueller Stand: Etwas mehr als 4000. Ein Schwund von rund 15 000 Konten - da liegt der Verdacht nahe, dass der Bank-Ableger in Luxemburg zuvor vor allem ein williger Helfer für Steuerhinterzieher war. Ob dem so gewesen sei, "ist Bestandteil des Ermittlungsverfahrens", sagt die Commerzbank. Der Rückgang der Luxemburger Konten habe mehrere Gründe gehabt. Ein wesentlicher Teil dieser Gelder werde nicht mehr bei der Cisal, aber weiterhin innerhalb der Commerzbank verwaltet.

Viel bedarf noch der Aufklärung, aber eines ist jetzt schon klar. Auch nach der intern verkündeten Umkehr 2008 ging die Commerzbank nicht so richtig konsequent vor. Oder wie sonst ist zu erklären, dass den letzten problematischen Kunden erst Anfang 2015 gekündigt wurde? Und das bei einer Bank, die 2008/2009 in der großen Finanzmarktkrise vom deutschen Staat mit 18 Milliarden Euro gestützt worden war. Damals wurde der Staat beruhigt: Man verstehe das Anliegen der Politik, die Steuerflucht zu beenden, schrieb am 23. März 2009 das damalige Vorstandsmitglied Eric Strutz anlässlich einer Anhörung an den Bundestag. Strutz versicherte, dass "sich die Commerzbank von jedweden Fiskaldelikten ausdrücklich distanziert und etwaiges Fehlverhalten nicht toleriert".

Manche Mitarbeiter machten weiter wie gehabt

Gerade mal eine Woche vorher hatte die Commerzbank intern die "Counter Tax Fraud Policy, Version 1.0" erlassen, ein Regelwerk zur Verhinderung von Gesetzesverstößen. Und selbst damit war noch lange nicht alles in Ordnung. Der Aufräumprozess wurde, weil die Fusion mit der Dresdner Bank angeblich alle Kräfte forderte, erst mal gestoppt. Und kam von 2010 an nur mühsam wieder in Gang. Ende 2011 verfasste eine Kanzlei einen Ratgeber für Bank-Mitarbeiter, die ihre Klienten überzeugen sollten, eine Selbstanzeige zu machen. In der Handreichung wird auch beschrieben, wie Kunden häufig reagierten: "Früher haben Sie mir etwas ganz anderes empfohlen - war das falsch?"

Nein, überhaupt nicht, glaubten manche Mitarbeiter der Cisal, die nach dem Wendejahr 2008 weitermachten wie gehabt; oder das zumindest versuchten. Am 19. Februar 2009 schrieb der Banker D. einem Kunde, er müsse ihm "unglücklicherweise" mitteilen, dass die Cisal keine neuen Konten für Panama-Firmen eröffnen wolle. Leider habe er das Management nicht davon überzeugen können, "flexibler" zu agieren. Vertrauliche Mails belegen, dass Angestellte der Cisal die schon existierenden Offshore-Firmen weiterhin betreuten. Und auch neue Panama-Firmen wurden nach dem angeblichen Stopp 2008 noch jahrelang im Auftrag der Cisal gegründet, nach SZ-Informationen mindestens bis 2012. Wie passt das zur Aussage eines Commerzbank-Sprechers im Februar, es handele sich lediglich um "Altfälle", die "zehn Jahre oder länger" zurücklägen?

Legales Panama-Geschäft soll weiterlaufen

Als Bank-Chef Blessing vergangenen Freitag einem Ausschuss des Bundestags von dem Aufräumprozess berichtete, wirkte das auf manche Teilnehmer so, als sei die Bank sehr vorsichtig vorgegangen, um nur ja keine Kunden zu verprellen.

In einer der Panama-Notizen aus der Zeit nach 2008 ist vermerkt, wen man bei der Cisal kontaktieren dürfe. Bei Cisal-Chef Falk Fischer steht: "Do not contact." Warum nicht? Um heimlich weiterzumachen? Die Commerzbank erklärt, es gebe auch Panama-Firmen, die nicht der Steuerhinterziehung, sondern legalen Zwecken dienten. Dieses Geschäft werde weiter betrieben. Von Mitarbeitern, die den Aufräumprozess nicht unterstützt hätten, habe man sich getrennt. Cisal-Chef Fischer sei an dem Aufräum-Prozess "maßgeblich beteiligt".

Die "Pinguin Holding SA" übrigens ist laut panamaischem Firmenregister noch immer aktiv.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: