Egling:Totgesagte leben länger

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Erwin A. Bleymaier malt nur noch selten, da er glaubt, dass sein Stil längst nicht mehr gefragt sei. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Eglinger Kunstmaler Erwin A. Bleymaier verfügt neben Können auch über reichlich Humor: Er hat das vorgebliche Sterbedatum auf seiner eigenen Briefmarke überlebt.

Von Christa Gebhardt, Egling

Der Tod war für den Kunstmaler und Restaurator Erwin A. Bleymaier nach einem langen erfolgreichen Arbeitsleben eigentlich für 2013 vorgesehen. Häufig fragen ihn Freunde: "Ja, lebst du denn immer noch?" Der 82-jährige Künstler kann darüber herzlich lachen, denn was an seinem 50. Geburtstag mit einem witzigen Einfall begann, entwickelte sich zu einer außergewöhnlichen Serie. Ein Druckermeister schenkte dem Jubilar damals 500 Briefmarken mit Bleymaiers Selbstportrait darauf, in romantischer Malerpose mit Pinsel und Staffelei vor Bergkulisse sowie der Aufschrift "E.A. Bleymaier. 1933-2013", mit dem tatsächlichen Geburtsdatum und dem angenommenen Todesjahr mit 80 Jahren. Freunde und Verwandte, die in den folgenden 30 Jahren in alle Welt verreisten, erhielten von Bleymaier den Auftrag, ihm eine Postkarte aus dem Urlaub zu schicken, aus vielen europäischen Ländern, aber auch aus China, Amerika, Israel oder Australien und zwar mit seiner getürkten Briefmarke darauf. 90 Prozent der Postkarten mit der gefälschten Marke und den offiziellen Poststempeln der Länder erreichten den Künstler, der zum 80. einen neuen Briefmarkenbogen von seinem Freund erhielt mit der Aufschrift "Wegen großer Beliebtheit verlängert".

Seit Computer das Abstempeln von Postkarten erledigen und nicht mehr Postbeamte, wird das wohl nicht mehr klappen, wie sich so manches verändert hat in der langen Schaffensperiode des vielseitigen Mannes. An seinen unterschiedlichen Werken lässt sich eine Art Kunstgeschichte des bürgerlichen Einrichtungsgeschmacks nach dem Krieg bis in die 80er Jahre ablesen, als die Aufträge allmählich ausblieben, weil seine Werke nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen, wie er selbst feststellt. Allerdings ist er noch heute mächtig stolz darauf, dass er als Kunstmaler ein ganzes Arbeitsleben lang nicht nur seine Familie ernährt hat, sondern richtig gut verdiente. Welcher Künstler kann das schon von sich sagen.

Bleymaier weltweit: Die Postkarte mit den vorgeblichen Lebensdaten 1933-2013 wurde in vielen Ländern problemlos abgestempelt. (Foto: Pöstges)

Der kontaktfreudige und zupackende Bleymaier hatte aber auch immer Glück, wenn er mal wieder ein neues künstlerisches Geschäftsfeld ausprobierte. Geboren 1933 im Münchner Stadtteil Giesing, begann er als Lehrling eine Ausbildung an der Staatlichen Porzellanmanufaktur Nymphenburg zum Porzellanmaler. Mit 21 machte er sich selbständig. Im Wirtschaftsboom der 50er Jahre wurde Feiern und Essen wichtig, und viele Haushalte schafften sich blumige oder golden bemalte Tafelservice an. Von befreundeten Künstlern aus der Münchner Akademie hatte er auch andere Techniken erlernt. Er bildete sich als Glasmaler aus und studierte das Aquarellieren.

1954 bezog er ein eigenes Atelier in Ebenhausen und lebte gut von Aufträgen von Schweizer Firmen für Fliesen und Wandbildern. In den 60er Jahren schmückten die Leute ihr Heim gern mit traditionellen Werken, an vielen Wohnzimmerwänden hingen Bleymaiers idyllische bayerische Landschaften und blumige Stillleben. Viel Geld verdiente er auch mit der dekorativen Ausstattung ganzer Schwimmbadwände sowie seinen schwarzen Keramiktischplatten für Beistelltische, bemalt mit filigranen Pflanzen aus Blattgold, für eine vorwiegend chinesische Kundschaft. 1971 eröffnete er in Wolfratshausen eine florierende Kunstgalerie mit Gemälden, Grafiken, handbemaltem Porzellan und Glas und führte sie bis 1981. Auf Jahre hinaus war sein Auftragsbuch stets gut gefüllt. Zuweilen arbeitete er die ganze Nacht durch.

An den Wänden seines eigenen reich dekorierten, von A bis Z selbst entworfenen und selbst gebauten Hauses in Egling ist wohl kaum noch ein Quadratzentimeter Platz für weitere Studien nach der Natur gemalter Landschaften, Blumen, Pflanzen und Tiere. Daher malt er nur noch selten zur eigenen Freude, zumal, wie er lakonisch resümiert, sein Stil längst nicht mehr gefragt sei. Heute bevorzuge man kühlen Minimalismus und kahle Wände in Betongrau, Stillleben und bayerische Landschaften seien "out".

Heute genießt er das Pensionsalter mit seiner Ehefrau "Meisi", freut sich an seinen ergatterten Postkarten und schaut zufrieden auf ein selbstbestimmtes Leben zurück. Seit Jahren hat er sich aufs Imkern verlegt und geißelt die Vermaisung der Welt, da die mit Gift besprühten Maispflanzen zum Bienensterben in erheblichem Ausmaß beitrügen. Allerdings obsiegt bei Bleymaier auch hier wieder sein gesunder Optimismus: Nachdem ihm fünf Bienenvölker im letzten Jahr verendet seien, habe er nun neue widerstandsfähige Völker aus Sizilien gekauft. Der köstliche Biohonig, den er herstellt, wäre für ein neues Geschäftsfeld durchaus geeignet.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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