70. Hochzeitstag:Die rührende Geschichte von Frieda und Hans

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Hans und Frieda Dobler heute in ihrer Unterhachinger Wohnung. (Foto: Catherina Hess)

Für die Trauung erhielt Hans Dobler kurz vor Kriegsende einige Tage Heimaturlaub. Das könnte ihm das Leben gerettet haben.

Von Laura Borchardt, Unterhaching

Strahlender Sonnenschein und blauer Himmel - ein "wunderschöner Tag" soll es gewesen sein. Hans und Frieda Dobler aus Unterhaching erinnern sich noch gut an ihren Hochzeitstag vor genau 70 Jahren. Am 1. April 1945 gaben sich die beiden in der Wallfahrtskirche auf dem Bogenberg bei Straubing das Jawort. Um 7 Uhr morgens läuteten damals am Ostersonntag die Hochzeitsglocken. Der Pfarrer habe den Heiratstermin zunächst nicht gutgeheißen, weil Ostern ein hoher kirchlicher Feiertag sei. Erst nach einigem Zureden stimmte der Priester zu. Im Elternhaus der Braut, dem alten Mesnerhaus neben der Kirche, fand nach der Trauung eine "ganz einfache Feier" statt. Lebensmittel waren knapp und nur gegen Marken erhältlich. Trotzdem gab es zur Feier des Tages einen Schweinsbraten - "grad guad war's", erinnert sich Frieda Dobler.

Hier in den Sechziger- oder Siebzigerjahren. (Foto: Catherina Hess)

"Gnadenhochzeit" nennt man es, wenn ein Paar auf 70 Jahre Ehe zurückblicken kann. Im Fall der Doblers hat das Wort eine doppelte Bedeutung. Die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs waren angebrochen, die Tage des NS-Regimes gezählt, als Hans und Frieda Hochzeitspläne schmiedeten. Weil er als Soldat nur wenige Tage Heiratsurlaub bekam, habe es schnell gehen müssen. In Bad Tölz holte der Bräutigam seine Verlobte im Lazarett ab, die zum Dienst als Krankenschwester verpflichtet worden war. Nach der Heirat kehrte Hans zur Truppe der Gebirgsjäger in Miesbach zurück, von der er sich aber schon nach wenigen Tagen absetzen konnte. Die Zeit bis zur Kapitulation überstand er dank mehrerer glücklicher Zufälle. Die Fluchtmöglichkeit habe sich auch durch eine Arreststrafe geboten, die er wegen seiner verspäteten Rückkehr aus dem Heiratsurlaub absitzen musste, sagt Hans Dobler: "Die Hochzeit hat mir wohl das Leben gerettet."

Der Braut ging alles zu schnell

Zum ersten Mal hatten sich Hans und Frieda am 9. Februar 1941 getroffen. Neben dem Hochzeitstag ist auch die erste Begegnung bis heute ein besonderes Datum für das Paar. Bei einem Spaziergang am Kochelsee - Hans war mit einem Kollegen, Frieda mit einer Freundin unterwegs - machten sie Bekanntschaft und verliebten sich ineinander. Von da an standen die beiden in Verbindung. Doch der Kontakt war nicht immer leicht zu halten. Nicht lange nach ihrem ersten Treffen wurde Hans 1942 nach Russland in den Krieg geschickt. Er habe nie Soldat werden wollen, sagt er. Regelmäßig schrieben die beiden einander Briefe. Die wenigen Male, die Hans auf Heimaturlaub war, trafen sie sich. "Ich habe auf ihn gewartet", sagt Frieda Dobler. Als Hans dann Anfang 1945 nach Deutschland zurückkehrte, wurde baldmöglichst geheiratet. Für Frieda ging es beinahe schon zu schnell: "Wir haben uns vorher gar nicht viel kennengelernt."

Vor dem Krieg hatte Hans in seinem Heimatort Kolbermoor bei Rosenheim eine Lehre als Schriftsetzer begonnen. Nach Kriegsende fand er eine erste Stelle in einer kleinen Druckerei in Aschau im Chiemgau. 1946 kam Sohn Friedrich und zwei Jahre später Tochter Brigitta auf die Welt. Inzwischen lebte das Ehepaar mit den Kindern in Passau, Hans Dobler arbeitete wieder für eine Druckerei.

"In Württemberg bleiben wir nicht"

Wegen der schwierigen Wohnsituation zog die Familie 1952 um - nach Ellwangen, wo der Mann erneut einen Posten in einem Druckbetrieb bekam. Doch für den Familienvater war von Anfang an klar: "In Württemberg bleiben wir nicht." Es sollte wieder Richtung Bayern gehen. 14 Jahre später war es dann soweit: Hans erhielt eine Stelle beim Süddeutschen Verlag. Die Freude war groß. Mehr bei den Eltern als bei den Kindern, die ihre Schulfreunde hinter sich lassen mussten. Der Fasanenpark in Unterhaching war gerade fertig gebaut. Als Erstbezieher kamen die Doblers 1967 in die neue Siedlungsanlage. Seit bald 50 Jahren lebt das Ehepaar nun schon in dieser Wohnung.

Hans und Frieda Dobler sind seit 70 Jahren verheiratet. Auf dem Foto als junges Paar Anfang der Vierzigerjahre. (Foto: Catherina Hess)

Bis zur Rente war Hans Dobler Sachbearbeiter in der Druckerei des Süddeutschen Verlags. Vom Hoch- über den Tiefdruck bis zum Offsetverfahren machte er die verschiedenen Entwicklungsstufen der Drucktechnik mit. "Das war die freieste und beste Zeit in meinem ganzen beruflichen Leben", sagt der gelernte Schriftsetzer mit leuchtenden Augen. Auch für seine Frau, die als Kassiererin in Kaisers Kaffeegeschäft im Fasanenpark arbeitete, war es "eine schöne Zeit". Viele im Ort kannten Frieda Dobler. Noch heute werde sie manchmal auf der Straße gegrüßt - inzwischen von Kindern der ehemaligen Kunden.

In Unterhaching war immer etwas geboten

In Unterhaching sei "immer etwas geboten" gewesen. Wenn das Wetter am Wochenende mal nicht für eine Radltour taugte, gab es Brotzeit im Bräustüberl der Forschungsbrauerei. Ein anderes beliebtes Ausflugsziel der Familie: Der "Mugl" im Perlacher Forst. Im Ruhestand reiste das Paar unter anderem nach Russland, Norwegen, Südtirol und mehrmals an die Nordsee. "Wir haben die Zeit genutzt und sind dabei alt geworden" - Hans Dobler ist 94, seine Frau Frieda 92. Wegen einer Krebserkrankung musste Frieda Dobler 2003 operiert werden. Ihrem Mann hat sie aber soweit möglich immer den Rücken frei gehalten. Grund zu klagen sieht sie nicht, im Gegenteil: "Wir dürfen nicht jammern und müssen zufrieden sein - wir haben es doch auf jeden Fall gut gehabt."

Das Schönste in all den Jahren? Keine Frage, die eigenen Kinder und die Familie. Im September 2014 kam Maxi zur Welt. Stolz zeigt die Urgroßmutter ein Foto, auf dem der Kleine frech die Zunge herausstreckt. Drei Enkel und drei Urenkel hat das Ehepaar heute. Im kleinen Familienkreis feiern Hans und Frieda Dobler zu Hause den besonderen Hochzeitstag. Nur wenige Paare können auf 70 Ehejahre zurückblicken - ganz ohne Humor geht das nicht: "Dass wir so lange beinander bleiben, damit hat ja keiner gerechnet", sagt Frieda Dobler.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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