Jerusalem-Tagebuch (3):13:0 für den Frieden

Ein Zeichen gegen die Ausgrenzung im Fussball: Beim FC Hapoel Katamon Jerusalem sind auch arabische Spieler immer willkommen. Nun sind sie sogar dem Aufstieg ganz nah.

Jerusalem, die Stadt des Friedens, ist umkämpft seit ewigen Zeiten. In der Woche vor dem Oster- und dem Pessachfest zeigen die Fotografin Alessandra Schellnegger und SZ-Korrespondent Peter Münch in einem Tagebuch, wie in dieser Stadt gelebt, gebetet, gefeiert wird. In der dritten Folge geht es um einen Fußballverein, in dem Araber und Juden zusammen spielen - und meistens gewinnen.

Es ist eine Stunde vor Anstoß, und Uri Scheradsky hat sich schon müde gelaufen. Er hat die Karten für die Ehrengäste am Ticket-Schalter hinterlegt, das versprochene Trikot für einen der Sponsoren noch schnell aus dem Kofferraum geholt und den Holztisch mit den Fan-Artikeln ebenso inspiziert wie die Sandwich- und Getränketheke. Unterwegs hat er so ungefähr jeden begrüßt, der ins Jerusalemer Teddy-Kollek-Stadion gekommen ist. "Ist wie eine Familie hier", sagt er, "aber ich bin froh, wenn ich mal einen nicht kenne. Dann weiß ich, dass er das Eintrittsgeld bezahlt hat."

Uri Scheradsky ist Chef des Fußballvereins FC Hapoel Katamon Jerusalem. Hapoel ist ein Traditionsklub, gegründet 1926. Doch als der Verein vor ein paar Jahren unterzugehen drohte, haben Scheradsky und ein paar Mitstreiter ihn einfach neu gegründet. Es ist nun der einzige Klub in Israel, der seinen Fans gehört - und er ist viel mehr als ein Verein, er ist eine Weltanschauung. "Wir sind der Club für alle, die immer noch glauben, dass Jerusalem noch zu retten ist", sagt Scheradsky.

Anders als beim offen rassistischen Rivalen Beitar Jerusalem sind bei Katamon arabische Spieler immer willkommen. Eine "Nachbarschaftsliga" wurde gegründet, in der 250 jüdische und arabische Schüler nicht nur gemeinsam Fußball spielen, sondern auch Hilfe bei den Hausaufgaben erhalten. Und neulich erst sind die Vereinsmitglieder in einem Armenviertel ausgerückt zum Großreinemachen. "Tonnenweise haben wir da den Müll eingesammelt", sagt Scheradsky.

Doch natürlich liegt beim Fußball die Wahrheit immer auf dem Platz, und deshalb sitzt der Vereinsboss nun zum Anstoß mitten unter den etwa 1000 Anhängern, die das viel zu große Stadion mit Gesängen zu füllen versuchen. Rot und Schwarz sind ihre Farben, sie sind die treuesten Fans des Planeten, so begeisterungs- wie leidensfähig. 2009 hatte Katamon ganz unten anfangen müssen - in der fünften Liga. Heute spielen sie in der dritten, sind Tabellenerster, dem Aufstieg ganz nah. Deshalb müssen nun drei Punkte her gegen Umm al-Fahm, den Tabellenletzten.

Als in der 7. Minute das 1:0 fällt, sagt Scheradsky: "Das gewinnen wir 8:0." Als es nach 25 Minuten 5:0 steht, ruft er den Manager an und fordert, einen Gang runterzuschalten, aus Rücksicht auf den Gegner. "Nicht mehr als 11:0", befiehlt er. Beim 10:0 erklärt er: "Ab jetzt halte ich zu den Gelben." Am Ende steht es 13:0. Die Fans jubeln, und es hat mal wieder keiner auf den Chef gehört.

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