Dortmund vor dem Bayern-Spiel:Ein Verein ist verkatert

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Die Dortmund-Spieler nach dem Champions-League-Aus gegen Juventus Turin

(Foto: AFP)
  • Borussia Dortmund sucht vor der Partie gegen den FC Bayern den Stimmungsaufschwung und registriert die Verletzungsserie bei den Münchnern genau.
  • Das Wort "Gipfeltreffen" darf trotzdem keiner in den Mund nehmen - man würde sich lächerlich machen.
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Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Vergangenes Jahr im August war es warm in Dortmund. Am Phoenixsee schien die Sonne und Mats Hummels schwärmte davon, wie schön es sei, mit Freunden zusammen auf höchstem Niveau Fußball spielen zu können. Er verdiene genug Geld in Dortmund, nichts ziehe ihn zu Klubs wie Manchester United. Hummels war gerade Weltmeister geworden, Borussia Dortmund hatte im Supercup den FC Bayern geschlagen, die Fußball-Welt rechnete an einem Zweikampf um die Spitze der Bundesliga herum.

Monate später ist es kalt in Dortmund. Und auch sonst kam alles anders.

Irgendwo im Unterbewusstsein fühlt sich das Spiel gegen die Bayern an diesem Ostersamstag immer noch ein bisschen wie ein Spitzenspiel an. Dabei wissen sie in Dortmund, dass der Gipfel der Bundesliga so weit weg ist, dass man sich lächerlich macht, wenn einem versehentlich das Wort rausrutscht: Gipfeltreffen. Dortmund liegt 31 Punkte hinter den Bayern. Einunddreißig! BVB-Chef Hans-Joachim Watzke ist dieser Tage froh, wenn ihn niemand darauf anspricht, dass er Dortmund vor nicht langer Zeit zum "zweiten Leuchtturm" im deutschen Fußball erklärt hatte.

Nimbus von Klopp leidet

Und Mats Hummels? Ließ diese Woche im Fachblatt Kicker ziemlich unverblümt wissen, dass er sich "über seine Zukunft Gedanken" mache. Was heißen sollte, dass er zwar einen unkündbaren Vertrag bis 2017 hat, aber sich im Moment doch auch was anderes vorstellen könne. Und ihn das Ausland manchmal reize - und dann wieder nicht. Beim BVB nehmen sie das ziemlich unaufgeregt zur Kenntnis. Mit 26 darf man wankelmütig sein, erst recht, wenn man so clever wie Dortmunds Kapitän ist.

Die verpatzte Hinrunde hat nicht nur bei Mats Hummels die Dinge mehr aus dem Lot gebracht, als man es angesichts der stoischen Haltung der Führungs-Troika mit Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Jürgen Klopp vermuten konnte. Nach der Hinrunde stand der BVB mit 15 Punkten auf Platz 17, punktgleich mit Schlusslicht SC Freiburg. Nach einem holperigen Start in die Rückrunde kam Dortmund gar auf dem letzten Platz an. "Seitdem", sagt Watzke, haben wir aber 17 Punkte aus sieben Spielen geholt. Hätte es die Hinrunde nicht gegeben, wir wären klar auf Champions-League-Kurs."

Stimmt, aber die Stimmung in Dortmund ist weiterhin verkatert. So richtig mag keiner heute schon an die kommende Spielzeit denken, obwohl Watzke, Zorc und Klopp das berufsbedingt tun müssen. "Wir haben uns jetzt stabilisiert, nicht mehr und nicht weniger", sagt Watzke. Man müsse "immer noch nach unten blicken, aber gleichzeitig nach oben schielen". Hätte die Mannschaft von Trainer Klopp nicht zwischendurch wieder beängstigende Durchhänger in Hamburg (0:0) und zu Hause gegen Köln (0:0) gezeigt und noch schlimmer beim 0:3 gegen Juventus Turin, die schwarz-gelbe Fangemeinde wäre schon fast wieder versöhnt.

"Wir könnten die drei Punkte wirklich gut gebrauchen"

"Wenn wir mal öfter so spielen würden wie gegen Schalke", hat Jürgen Klopp jüngst geklagt. Schalke im Februar - das war bis jetzt das Spiel der Saison, eine Demonstration der offenbar immer noch schlummernden Qualitäten mit drei Toren binnen acht Minuten. Gemeint hat Klopp wohl, dass er selbst nicht recht weiß, warum seine Elf auch in der Rückrunde so erratisch zwischen Comeback und neuerlichem Absturz pendelt. Die Erkenntnis aus den Nullnummern gegen Hamburg und Köln ist, dass es in dieser Saison nicht mehr hinauf zu den Champions-League-Rängen reicht. Platz "7" aber genügt für die Qualifikation zur Europa League - die will der BVB wenigstens erreichen, auf Biegen und Brechen. Denn anders als bei vielen anderen Klubs kann Dortmund mit seinem riesigen Stadion und seinen Sponsoren in der Europa League viel Geld verdienen. Nicht dramatisch weniger als bei einer mäßigen Champions-League-Teilnahme.

Der Abstand zum Europa-League-Rang beträgt derzeit vier Punkte. "Gegen die Bayern geht es nur um drei Punkte", sagt Watzke, "aber wir könnten die drei Punkte wirklich gut gebrauchen." In einer Saison wie dieser kann der BVB als Außenseiter gegen die Münchner antreten. Es wird deshalb in Dortmund genau registriert, dass in Robben, Alaba und Ribéry drei sehr wichtige Stammspieler bei den Bayern ausfallen.

Die nächste Saison? Klappt es mit einem Europa-League-Platz, den der BVB alternativ auch über einen Finalsieg im DFB-Pokal erreichen könnte, wäre die Problemfront längst nicht verzogen. So hat der Nimbus des vor der Saison völlig unantastbaren, in aller Welt begehrten Jürgen Klopp natürlich gelitten. Nach wie vor aber gilt er als unkündbar. Doch auch in der Mannschaft sinkt der Vertrauensvorschuss in einen Trainer, der eine so hochkarätige Truppe auf Platz 18 zur Saisonhälfte führt.

Spieler wie Henrikh Mkhitaryan und Ciro Immobile, auch Shinji Kagawa, gelten als disponibel. Man will sie nicht loswerden - aber das ist schon das Beste, was man über sie derzeit in Dortmund hört. Ob Ilkay Gündogan bleiben will, ist immer noch höchst ungewiss. Mats Hummels dagegen steht nicht wirklich zur Disposition. Schon wegen der klaren Vertragslage. Fest steht beim BVB gerade nur: So viel Verunsicherung war selten auf dem Leuchtturm des Nordens.

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