Gottesdienst für Absturzopfer in Haltern:"Begreifen kann das kein Mensch"

  • Hunderte Menschen haben bei einem ökumenischen Gottesdienst in Haltern am See der Opfer des Flugzeugabsturzes in Frankreich gedacht.
  • Bürgermeister Bodo Klimpel lobt die Solidarität der Halterner.

Von Jannis Brühl, Haltern am See

Die Fernsehteams sind weg, die flüsternden Gruppen der Trauernden haben sich aufgelöst, die Kirchenglocke hat aufgehört zu schlagen. Zurück bleibt ein handbeschriebenes Schild, an eine einsame Laterne auf dem Markplatz gelehnt: "Die Liebe bleibt."

Das Schild steht im Schatten eines neugotischen Baus aus roten Backsteinen im Münsterland. Hier, in der St.-Sixtus-Kirche, haben die Bürger von Haltern eben mit einem ökumenischen Gottesdienst Abschied genommen. Abschied von den 16 Schülern und den beiden Lehrerinnen, die beim Absturz des Germanwings-Flugzeugs in Frankreich gestorben sind. Die Schulklasse des hiesigen Joseph-König-Gymnasiums war auf dem Rückflug von einer Sprachreise nach Katalonien.

Bürgermeister Bodo Klimpel lobt die Solidarität der Halterner untereinander, die Anteilnahme im Land und der Welt. Den Angehörigen der Toten sagt er: "Ihr seid nicht allein!" Dann verliest er die Namen aller Opfer.

Hunderte Menschen sind gekommen. In der Kirche sind alle Sitzplätze belegt, im hinteren Teil sammeln sich Menschen in der Stille. Zwischen den Reihen stehen Sanitäter in roter Kleidung und Notfallseelsorger in lila Westen bereit. Der Andrang ist so groß, dass zwei Polizisten mit tief in die Augen gezogenen Wollmützen an den schweren Holztüren den Einlass regeln. Auch Carsten Spohr, Chef der Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa, hat sein Kommen zugesagt.

"Hier kennt jeder jemanden, der betroffen ist"

Wer nicht reinkommt, drängt sich an den Rändern des Marktplatzes, um sich vor dem Wind zu schützen. Eine Böe wirft einen der Lautsprecher vor der Kirche um, mit denen die Reden der Trauerfeier für jene übertragen werden, die in der Kälte stehen müssen. Sie hören auch die Worte des katholischen Pfarrers: "Begreifen kann das kein Mensch. Aber stützen, einander halten und zusammen weinen - das können wir."

Der Tod der Schüler und Lehrerinnen hat die ganze Stadt getroffen. Der evangelische Pfarrer sagt: "Hier kennt nicht jeder jeden. Aber jeder kennt jemanden, der betroffen ist." Teils unter Tränen lesen Mitschüler der Opfer Kondolenzbriefe vor.

Schilder erinnern an das strikte Fotografier- und Drehverbot in der Kirche. In den vergangenen Tagen hatte es in Haltern Unverständnis über das Verhalten einzelner Journalisten gegeben, die Trauernde gestört haben sollen. Auch einer der Pfarrer greift die Kritik auf, spricht über die "Neugier der Medien" und die "Spekulationen über Ursachen und Motive". Letzteres bezieht sich vermutlich auf die möglichen psychischen Probleme des Germanwings-Piloten Andreas Lubitz. Er soll das Flugzeug den Ermittlern zufolge vorsätzlich zum Absturz gebracht haben.

Erst sind es nur 18 Kerzen, die zu Füßen des Holzkruzifixes vor dem Altar stehen, eine für jeden Toten. Nach der Feier zünden die Halterner dort Teelicht um Teelicht an, ein Meer von Kerzen entsteht. Ganz im Sinne der Worte aus dem Kondolenzbuch der Stadt, aus dem Bürgermeister Klimpel zitiert hat: "Erst wenn wir euch vergessen haben, seid ihr wirklich tot."

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