TV-Reihe über Kunst:Wackelpudding

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Die Günstlingsgesellschaft frisst ihre Kritiker: Buchautorin Nicole Zepter mit dem Künstler Daniel Richter. (Foto: Lona media/Alexander Rott)

Nicole Zepter hat ein kluges Buch über den Kunstbetrieb geschrieben. In einer Arte-Reihe wird Kritikerin Zepter nun ungewollt zum Beweis für ihre Thesen.

Von EVELYN ROLL

Diese Fernsehkritik wird eine Buchempfehlung. Und ein Verriss. Leider. Aber auch interessanterweise. Nicole Zepter, die Chefredakteurin des deutschen Magazins The Germans, hat vor zwei Jahren ein herrliches Buch veröffentlicht, eine furiose, klug und witzig formulierte Polemik gegen den Kunstbetrieb. Ein Text, der auch noch in den Passagen, bei denen man als Leser und Kunstgernhaber möglicherweise vollkommen anderer Meinung ist, bewundernswert unabhängig gedacht und scharfsinnig formuliert ist. Das Buch heißt " Kunst hassen", im Untertitel "Eine enttäuschte Liebe" . Es entlarvt die Günstlingsgesellschaft Kunstbetrieb und zeigt, wie furchtbar langweilig Kunst wird, wenn sie zum Lifestyle verkommt, dessen Werturteile sich ausschließlich über den Markt-Wert eines Kunstwerks bilden.

Es ist ein Buch zum Lieben, vom Tropen-Verlag in schönes, grobes Leinen gebunden mit entschieden gestaltetem Titel selbst fast ein kleines, schlaues Kunstwerk. Und es funktioniert wie das Kind im Märchen " Des Kaisers neue Kleider", weil es laut ausruft, was alle sehen, sich aber nicht zu sagen trauen. Nicole Zepter macht das mit Sätzen wie diesen hier: "Wir schreiten andächtig um Martin Honderts öden wackelnden Wackelpudding herum. Wir sind das liebliche Publikum. Wir starren auf Gerhard Richters Malerei und versuchen angestrengt, etwas zu entdecken. (...) Wir werden zu einem Bestandteil in einem Schauspiel, das die Rollen klar definiert hat. Wer sich nicht daran hält, wird zurückgepfiffen."

Und dann ist etwas Furchtbares passiert. Nicole Zepter hat sich zurückpfeifen lassen vom Medium Fernsehen, von Arte, von der eigentlich sehr guten Idee, einen Vierteiler aus "Kunst hassen" zu machen und die Regie Nicole Graef zu geben. Am Ostersonntag war die erste Folge zu sehen. Das ist dann auch sehr gut gefilmt und geschnitten, Nicole Zepter ist in allen Einstellungen außerdem wirklich fashionabel angezogen. Und vielleicht liegt auch alles nur an der Fehlentscheidung, die Autorin selbst zum Hauptgegenstand des Filmes zu machen und nicht ihre Gedanken. So schreitet Nicole Zepter also andächtig durch Museen und Galerien mit einer etwas peinlich aufgeregten, das Fernsehsprechen nicht trainierten Mädchenknödelstimme, die früher für sehr junge Oberschicht-Amerikanerinnen reserviert war. Verrenkt beim Versuch, etwas zu entdecken, verlegen ihre Hände und liest ihren erstaunlich schwachen Kommentartext wie einen Schulaufsatz.

Die Thesen des Buches aber werden durch dieses Missverständnis von der Autorin selbst, unfreiwillig, auf das Wunderbarste belegt: Eine Frau, die geschrieben hat "Wer nicht mitläuft, ist raus", läuft jetzt - verfolgt von Kameras - aber so was von mit und macht sich zum Teil von dem, über das sie eigentlich erzählen und nachdenken will. Man kann ihr beim Verschwinden zusehen. Erst löst sich die Meinung auf, dann legt sie die Haltung ab und den kritischen Blick, schließlich übernimmt sie sogar die im Buch als verschnarcht und überheblich entlarvte Sprache des Kunstbetriebs, spricht von "Positionen" und vom "Flipping" und von neuen "Asset-Klassen" und wird so Teil der im Buch beschriebenen dummen Gläubigkeit. Die Günstlingsgesellschaft frisst ihre Kritikerin.

Schade. Und trotzdem. Diese Reihe funktioniert als ungewollter Beweis für alles das, was das Buch so herrlich bloßgestellt hat, auch für die Erkenntnis auf Seite 91: "Ich glaube, dass der Ruhm das Verlangen nach der Kunst abschwächt oder gänzlich auslöscht."

Ansehen also! Aber vor allem: das Buch lesen!

Kunst lieben - Kunst hassen , Arte, die erste Folge ist noch abrufbar über die Mediathek Arte + 7, weitere Folgen immer sonntags, 12 Uhr.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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