Angebliche Vergewaltigung an US-Universität:"Rolling Stone" zieht Skandal-Artikel zurück

  • Zweifel gab es bereits; nun wirft eine unabhängige Untersuchung der Redaktion des Rolling Stone "vermeidbare" Fehler sowie die Verletzung journalistischer Standards vor.
  • Die Geschichte über eine angebliche Gruppenvergewaltigung einer Studentin lässt sich nicht eindeutig belegen. Die Redaktion hat den im November veröffentlichten Artikel zurückgezogen und sich entschuldigt.
  • Chefredakteur Dana befürchtet, wirkliche Opfer sexuellen Missbrauchs abgeschreckt zu haben.

"Vermeidbare" Fehler

Die Zweifel an der Geschichte waren also berechtigt: Ein halbes Jahr, nachdem der Rolling Stone über eine brutale Gruppenverwaltigung an der Universität von Virginia berichtet hatte, musste das US-Magazin nun Konsequenzen ziehen. In einer unabhängigen Untersuchung werden der Redaktion "vermeidbare" Fehler und die Verletzung grundlegender journalistischer Standards vorgeworfen. Das Magazin entschuldigte sich für die Berichterstattung und zog den Artikel zurück.

"'Eine Vergewaltigung auf dem Campus' - Was lief falsch?" ist der 8000 Wörter lange Untersuchungsbericht der School of Journalism der Columbia-Universität überschrieben, den das Magazin auf seine Homepage stellte. Die Lektüre des Berichts sei "schmerzhaft" gewesen, schrieb Rolling-Stone-Chefredakteur Will Dana. "Wir möchten uns bei allen entschuldigen, die durch die Geschichte Schaden nahmen."

Die Redaktion übernahm geschlossen die Verantwortung, niemand wurde gefeuert, wie Dana der New York Times sagte. Auch die Autorin des Artikels, Sabrina Rubin Erdely, entschuldigte sich laut US-Medien. Sie sei "nicht weit genug gegangen", um die Geschichte zu verifizieren.

Proteste, polizeiliche Ermittlungen und Suspendierung

In dem Artikel vom 19. November wurde das angebliche Martyrium einer "Jackie" genannten Studentin im September 2012 geschildert. Die junge Frau, die nicht näher identifiziert wurde, hatte Erdely gesagt, sie sei im Haus einer Studentenverbindung von sieben Studenten vergewaltigt worden. Mit der Reportage wollte der Rolling Stone auf weitverbreitete sexuelle Gewalt an US-Universitäten aufmerksam machen.

Der Artikel führte zu Protesten, zu polizeilichen Ermittlungen und sogar zu einer zeitweiligen Suspendierung der Verbindung an der Universität im US-Staat Virginia. Allerdings war die Glaubwürdigkeit von "Jackie" schnell in Frage gestellt worden. Bereits im Dezember entschuldigte sich das Magazin deswegen und distanzierte sich von dem Bericht. Die Polizei kam im März zu dem Schluss, dass sich die Schilderung "Jackies" nicht nachweisen lasse, und legte den Fall auf Eis.

In ihrer Prüfung stellte die School of Journalism ein Versagen der gesamten Redaktion fest. Beim Berichten, beim Redigieren, bei der redaktionellen Aufsicht und beim Faktencheck seien Fehler gemacht worden. Die Belegschaft sei so erpicht darauf gewesen, ein erschütterndes Beispiel für sexuelle Gewalt zu schildern, dass "grundlegende, routinemäßige" Regeln der Berichterstattung nicht befolgt worden seien - etwa, dass Beschuldigte oder vermeintliche Komplizen nicht befragt wurden.

Abschreckung für wirkliche Opfer sexuellen Missbrauchs

Chefredakteur Dana schrieb, die Redaktion sei besonders traurig darüber, dass durch ihr Versagen wirkliche Opfer sexuellen Missbrauchs an Universitäten davon abgeschreckt werden könnten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Universität verordnete bereits, dass bei künftigen Partys mindestens drei Teilnehmer nüchtern bleiben müssten.

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