Italien:Nacht der Schande

Straßburg hat Rom wegen Folter verurteilt - zu Recht.

Von Oliver Meiler

Es waren surreale Tage, damals, im Juli 2001. In der Altstadt von Genua verschanzten sich die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten hinter einem Kordon aus Beton und Polizei vor den Globalisierungsgegnern, die laut und bunt demonstrierten. Hunderttausende waren gekommen. Alles war auf Konfrontation angelegt, die ganze Szenerie. Da Genua schon an normalen Tagen ein logistischer Albtraum ist, eingezwängt zwischen Hügeln und Meer, drohte das Chaos. Und so endete der Anlass: chaotisch und sogar tödlich - für Carlo Giuliani, einen jungen "No Global".

Bleiben wird auch die "Schande der Scuola Diaz". So heißt eine Schule der Stadt. Sie diente friedlichen Demonstranten als Unterkunft. Ein Kommando der Polizei stürmte die Schule in schierer Willkür und mit Brutalität, schlug wahllos auf wehrlose Menschen ein, verletzte Dutzende, erniedrigte sie. Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Italien für jene Polizeioperation an der Scuola Diaz verurteilt. Wegen Folter, mitten in Europa.

Vielleicht bewegt dieses Urteil die italienischen Parlamentarier endlich dazu, den Strafbestand der Folter ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Seit zwei Jahren schieben sie die Vorlage vor sich her, als gäbe es da zulässige Gründe fürs Zögern. Die Erinnerung an eine schwarze, schandvolle Sommernacht in Genua vor 14 Jahren müsste eigentlich reichen.

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