Griechenland:Gefährlicher Flirt mit Moskau

Greek Prime Minister Alexis Tsipras Speaks At University Of Athens

Wie weit würde der griechische Ministerpräsident Tsipras gehen, um russische Unterstützung in der Schuldenkrise zu erhalten?

(Foto: Bloomberg)
  • In Athen erhofft man sich vom Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras in Moskau russische Hilfe in der Schuldenkrise. Vor allem eine Ausnahme im Embargo gegen EU-Obst und -Gemüse steht im Raum.
  • In Brüssel wird befürchtet, Moskau könne als Gegenleistung ein Veto Athens in der Entscheidung um EU-Sanktionen gegen Russland fordern.
  • Neben Griechenland gelten auch Ungarn, die Slowakei und Italien als Wackelkandidaten bei der geplanten Verlängerung der Sanktionen gegen Moskau.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Wie hoch die Erwartungen der griechischen Regierung an den Besuch von Ministerpräsident Alexis Tsipras in Moskau sind, hat Vize-Verteidigungsminister Kostas Isichos der russischen Zeitung Kommersant verraten. Der Besuch sei von "historischer Bedeutung", zitiert das Blatt den Syriza-Politiker, Griechenland strebe nach einem "neuen Frühling in den Beziehungen zwischen der EU und Russland".

Die Visite birgt, von Brüssel aus betrachtet, indes vor allem Gefahren für die bislang mühsam aufrechterhaltene gemeinsame EU-Linie gegenüber Russland und seiner Aggression gegen die Ukraine.

Hoffnungen Griechlands auf Ausnahme bei Gemüse- und Obst-Embargo

Auf gute Stimmung setzt die griechische Führung zunächst jedenfalls vor allem in eigener Sache. Wie Kommersant berichtete, erbittet Griechenland einen Nachlass beim Gaspreis. Überdies macht es sich Hoffnungen auf Ausnahmen vom Embargo auf Obst und Gemüse aus der EU, das Russland als Vergeltung für die Sanktionen verhängt hat. Auch über einen Kredit aus Moskau wäre man angesichts der drohenden Staatspleite in Athen nicht unglücklich.

Dabei ist klar, dass Russland, selbst aufgrund des niedrigen Ölpreises und der Wirtschaftssanktionen unter Druck, Griechenland nicht wird nachhaltig aus der Klemme helfen können.

In einem Punkt aber könnte Präsident Wladimir Putin, der Tsipras an diesem Mittwoch empfängt, den Griechen spürbar Erleichterung verschaffen: beim Obst. Griechenland hatte immer wieder geklagt, es leide besonders unter dem russischen Importstopp. Wenn Putin, wie von Tsipras erhofft, die Einfuhr von griechischen Pfirsichen, Apfelsinen und Erdbeeren erlaubt, wäre das schon ein Erfolg.

In der Europäischen Union würde allerdings nach dem Preis gefragt werden. Seit die EU mit Sanktionen auf die Annexion der Krim und die russische Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine reagiert hat, arbeitet Moskau auf eine Spaltung der Europäer hin. Wenn der Kreml Griechenland nun von russischen Strafmaßnahmen ausnehmen würde, stünde dahinter womöglich die Erwartung, dass Tsipras demnächst sein Veto gegen eine Verlängerung der Sanktionen einlegt.

Auch Ungarn und die Slowakei sehen die Sanktionen kritisch

Ohnehin ist bekannt, dass der Grieche die Sanktionen ausgesprochen kritisch sieht. Kürzlich sagte er, diese würden "nirgendwohin führen". Damit aber steht eine Einigung der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im März wieder infrage. Sie waren eigentlich übereingekommen, dass die Geltungsdauer der Sanktionen "eindeutig an die vollständige Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk geknüpft sein sollte". Demnach können sie bis Jahresende verlängert werden. Der formale Beschluss könnte noch verhindert werden.

Auf der Suche nach Verbündeten gegen die Sanktionen böten sich etwa der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der slowakische Regierungschef Robert Fico an. Beide haben Verständnis für Putin erkennen lassen und sich kritisch über die Sanktionen geäußert.

Komplizierter liegen die Dinge in Tschechien. Präsident Miloš Zeman reist zwar anders als die meisten EU-Staatschefs zu den Feierlichkeiten anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes nach Moskau, steht deswegen aber auch in seinem Land in der Kritik. So hat sich Außenminister Lubomír Zaorálek von Zeman distanziert.

Zu den Sanktionsskeptikern zählt auch Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, der im März zu Besuch bei Putin in Moskau war. Vermutlich schreckt er aber davor zurück, die von ihm ins Amt gebrachte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zu düpieren.

Auf die Spekulationen über mögliche russische Erleichterungen für griechische Obstexporteure hat die EU bereits irritiert reagiert. "Wir bestehen auf unserer grundsätzlichen Linie, dass das Prinzip der Gleichbehandlung aller EU-Staaten angewandt werden sollte", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Außerdem sollten "alle Mitgliedstaaten mit einer Stimme mit unseren Handelspartnern sprechen, auch mit Russland".

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