Skandal beim "Rolling Stone":Nur eine einzige Quelle

Hartes Urteil: Das US-Magazin "Rolling Stone" hat eine Geschichte über eine angebliche Vergewaltigung einer Studentin zurückgezogen. Ein Bericht der Columbia School of Journalism zeigt nun, was alles falsch lief. Und warum.

Von Max Hägler

Da war der Wille, etwas Wichtiges aufzuschreiben in der Redaktion des US-Magazins Rolling Stone, da war irgendwann die Müdigkeit, noch weiter zu recherchieren. Und schließlich war da vielleicht der Widerstand, eine aufwendige Geschichte aufzugeben: Die von "Jackie" - so der Kurzname einer jungen Frau, die angeblich an der University of Virgina vergewaltigt worden war. Der Artikel hatte für Schlagzeilen gesorgt, als er erschien. Und er tut es noch mehr, seit klar ist, dass sich alles so nicht zugetragen haben kann. Wie selten im Journalismus ist nun eine Story, ihr Entstehen und ihr "Platzen" dokumentiert worden - auf Betreiben der Redaktion selbst.

Sie wollten im Rolling Stone einen aufrüttelnden Fall schildern, der zeigt, was immer wieder passiert an US-Universitäten: Studentinnen werden von ihren Kommilitonen vergewaltigt. Ein wichtiges Thema, ehrbar, dies zu recherchieren. Unter dem Titel "A Rape on Campus" erschien im vergangenen November in dem großen Musikmagazin Jackies Geschichte, die vielleicht keine war. Und die nicht hätte erscheinen dürfen, wenn sich die Redaktion an journalistische Standards gehalten hätte, urteilt die Columbia School of Journalism nun in einem aus Sicht des Magazins "schmerzhaften" Bericht (www.cjr.org).

Jackie hatte von einer mehrfachen Vergewaltigung im Haus einer Studentenverbindung erzählte. Der Rolling Stone hatte sich das angehört - die Geschichte dazu las sich weitgehend als belegter Report. Doch mittlerweile haben Polizeiermittlungen ergeben: So wie von Jackie geschildert, kann sich das Verbrechen nicht zugetragen haben. Die Polizei glaubt zwar, dass sie ein Gewaltopfer ist.

Aber nicht von dieser Tat. Die New Yorker Journalistenschule unter Leitung von Steve Coll, Pulitzer-Preisträger, hat sich die Entstehung angesehen und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis: Überall haben die Autorin und ihre Redaktion Fehler gemacht. Beim Recherchieren, beim Redigieren, beim Faktenchecken. Zwar war der Aufwand für die Geschichte groß, achtmal hat die Reporterin Jackie gesprochen, aber entscheidende Fragen ließen sie und ihre Kollegen der Untersuchung zufolge unbeantwortet: Was sagen und bestätigen die Freunde des Opfers? Es gab keinen Kontakt zu ihnen. Die Reporterin recherchierte zwar nach, gab aber irgendwann auf und wollte auch ihrer Quelle nicht weiter auf die Nerven fallen. Wer ist eigentlich der mutmaßliche Haupttäter, der "Drew" genannt wird und Rettungsschwimmer sein soll? Jackie wollte ihn nicht nennen. Er war also nicht identifiziert, aber die Leser blieben im Unklaren darüber. Wie schätzen Universität und die Phi Kappa Psi titulierte Verbindung die Vorwürfe ein? Die Institutionen wurden mit den Vorwürfen nicht detailliert konfrontiert, schreibt die Journalistenschule. Letztlich beruhte die ganze Geschichte auf einer einzigen Quelle. Ohne weitere Belege.

Und diese magere Quellenlage hätten verschiedene Instanzen sehen können - und sehen müssen, so der Report der Journalistenschule: Der Skandal sei "vermeidbar" gewesen. Zu dünne Belege, sagt man dazu in Redaktionen.

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