Fremdenfeindlichkeit in Deutschland:Bedenklich braun

Bedenklich braun

Rechte Hetze gegen Flüchtlinge in Deutschland seit Jahresbeginn 2015.

(Foto: SZ-Grafik)

Tröglitz ein Einzelfall? Nein, überall in Deutschland werden Ausländer bedroht oder angegriffen. Doch es gibt regionale Unterschiede. Fremdenfeindliche Vorfälle des Jahres 2015 - ein Überblick.

Von Florian Gontek

Körperliche Gewalt, Drohungen, Brandstiftung in Asylbewerberheimen. 120 ausländerfeindliche Taten listet die die Website "Mut gegen rechte Gewalt", die das Magazin Stern gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung betreibt, für das vergangene Jahr auf. Deutschlandweit findet man xenophobe Übergriffe - und muss dafür nicht lange zurückschauen.

Sozialforscher der Universität Leipzig schlüsselten Fremdenfeindlichkeit genau auf und offenbaren erhebliche regionale Unterschiede: Während in Sachsen-Anhalt 42 Prozent der Menschen den vorgegebenen 18 Aussagen zustimmen (zum Beispiel: "Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken"), liegen auch die Zahlen in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern (je 33 Prozent), Thüringen (31 Prozent) oder Brandenburg (30 Prozent) über dem bundesweiten Durchschnitt von etwa 24 Prozent. In Berlin (22 Prozent) oder Nordrhein-Westfalen (20 Prozent) fiel die Zustimmung geringer aus.

Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte im vergangenen Jahr 150 Fälle von Kriminalität auf Asylunterkünfte, 2013 waren es 58, 2012 sogar nur 24. Die Zahlen von Pro Asyl bestätigen diesen erschreckenden Trend: Allein in diesem Jahr gab es demnach deutschlandweit bereits 25 Anschläge auf Asylunterkünfte, 22 tätliche Angriffe auf Flüchtlinge sowie 21 flüchtlingsfeindliche Demonstrationen. Bei Recherchen stößt man auf immer neue Fälle. Ein Überblick - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Baden-Württemberg

März 2015: In Malterdingen wird ein künftiges Asylbewerberheim unter Wasser gesetzt. Die Täter dringen über die Terrassentür in das Gebäude ein, drehen die Wasserhähne auf und demontieren die Abflussrohre. Die Polizei schätzt den entstandenen Sachschaden auf 10 000 Euro und geht von einer fremdenfeindlich motivierten Tat aus.

Bayern

März 2015: Unbekannte schmieren an die Garage des Bürgermeisters der oberfränkischen Gemeinde Hof vier Hakenkreuze. Der Politiker hatte sich zuvor gegen Fremdenfeindlichkeit in seiner Stadt eingesetzt.

März 2015: "Schwindler", "Lügner", "Betrüger" oder auch "Steuerhinterzieher". Drohbriefe mit diesem Inhalt bekamen griechische Wirtsleute aus der Markt Kirchseeon nicht nur einmal zugeschickt. Der Grund dafür: ihre Herkunft. Das Paar schaltet Polizei und Rechtsanwalt ein, Freunde der Restaurantbesitzer organisieren eine Solidaritätsveranstaltung.

Berlin

März 2015: Im Rahmen mehrerer Brandanschläge im Berliner Regierungsviertel hinterlässt der Täter bei fast allen seiner Taten Flugblätter der "Deutschen Widerstandsbewegung", in denen er unter anderem "die multikulturelle, multiethnische, multireligiöse und multigeschichtliche Bevölkerungskonstellation" kritisiert, die Deutschland zunehmend "zerrütten und balkanisieren" würde. Die Polizei vermutet den Täter im Milieu des "intellektuellen Rechtsextremismus".

April 2015: In der Berliner West-City wird ein dunkelhäutiger, französischstämmiger Mann rassistisch beleidigt und durch Faustschläge im Gesicht verletzt. Das 49-jährige Opfer wird zur Beobachtung stationär in ein Krankenhaus eingeliefert.

Brandenburg

März 2015: Mehrere Neonazis überfallen in Frankfurt (Oder) zwei Syrer. Zunächst beschimpften die drei jungen Männer ihre Opfer mit fremdenfeindlichen Parolen, später verletzen sie sie mit Schlägen und Tritten. Die Täter stammen überwiegend aus der rechten Szene, wie die Polizei anschließend bekanntgibt.

Hessen

März 2015: Im Landkreis Limburg-Weilburg wird eine künftige Asylunterkunft von Unbekannten mit Stahlkugeln beschossen. Das ehemalige Gasthaus sollte Ende April zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Ein Mann, der sich in der Nacht im Haus befand, bleibt unverletzt. Der Bürgermeister des Ortes hatte erst eine Woche zuvor in einer Bürgerversammlung über das Umbau-Vorhaben informiert und im Anschluss an die Veranstaltung Droh-E-Mails erhalten.

Mecklenburg-Vorpommern

April 2015: Drei Betrunkene rufen fremdenfeindliche Parolen vor einem jüdischen Gemeindehaus in Rostock. Die Polizei nimmt sie im Anschluss an die Tat fest. Sie waren auf dem Weg zu einer Obdachlosenunterkunft.

April 2015: Vier betrunkene Männer werfen Bierflaschen in den Eingangsbereich und versuchen die Tür einer Asylbewerberunterkunft in Wismar gewaltsam zu öffnen. Die Polizei kann die Gruppe kurz darauf in einem Auto fassen, eines der Mitglieder führt einen Schlagstock mit sich.

Nordrhein-Westfalen

März 2015: Duisburgs Bürgermeister Manfred Osenger sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, weil er in einer leerstehenden Schule 170 Asylbewerbern aus Kriegsgebieten einen Platz bieten will. Im klammen Duisburg fehlt den Bürgern hierfür das Verständnis, sie gehen auf die Barrikaden, bewerfen das Privathaus des Stadtoberhauptes mit Eiern. Bei einer Bürgerversammlung erlebt Osenger Gegenwind, spürt aber auch Solidarität.

März 2015: Nachdem ein Dortmunder Fotojournalist eine Kundgebung der nationalsozialistischen Kleinpartei "Die Rechte" dokumentiert, wird er durch Steinwürfe militanter Demonstranten verletzt und mit einer Schreckschusspistole bedroht. Rechtsradikale veröffentlichten im Vorfeld bereits dreimal eine Todesanzeige und schalteten eine Internetseite mit Bildern des Fotojournalisten.

Zweifamilienhaus angezündet

Rheinland-Pfalz

Januar 2015: Am 70. Jahrestag der Ausschwitz-Befreiung demonstrieren NPD-Mitglieder in Worms gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Stadt. Ein Wormser Bündnis organisiert zeitgleich eine Gegendemonstration. Der Aufmarsch wird von Hunderten Polizisten begleitet.

Sachsen

April 2015: Im ostsächsischen Bautzen lauern sieben Personen 15 sorbischstämmigen Jugendlichen auf, beschimpfen sie als "Sorbenschweine" und verfolgen sie anschließend bis zu ihren Autos. Wenige der Betroffenen erstatteten Anzeige - aus Angst vor Racheakten. Auf eine Haftstrafe für ihre Peiniger dürfen die Jugendlichen nicht hoffen, da die Schwere der Tat zu gering sei, ließ die Sprecherin des Operativen Abwehrzentrums der Polizeidirektion Leipzig verlauten.

Sachsen-Anhalt

April 2015: In Tröglitz brennt in der Nacht der Dachstuhl eines für 40 Asylbewerber vorgesehenen Wohnheimes. Zwei Mieter des Hauses, die sich im Gebäude befanden, können sich unverletzt vor dem Feuer retten. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, auch der Staatsschutz ermittelt. Bereits im Vorfeld der Tat hatte es in der Gemeinde mehrere Protestzüge gegeben, in Folge dessen auch Bürgermeister Markus Nierth sein Amt zur Verfügung stellte.

Schleswig-Holstein

Januar 2015: Sechs Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft in Grabau müssen wegen starker Rauchentwicklung das Haus verlassen. Unbekannte zündeten vor der Flüchtlingsunterkunft einen Nebeltopf. Die Asylbewerber retten sich ins Freie, verletzt wurde niemand.

Februar 2015: Im schleswig-holsteinischen Escheburg werfen bislang unbekannte Täter einen brennenden Benzinkanister in ein Zweifamilienhaus, in das wenig später sechs irakische Flüchtlinge einziehen sollten. Verletzt wurde niemand, das Haus jedoch ist unbewohnbar. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Anschlag mit "fremdenfeindlichen und politischen Hintergrund" aus.

Thüringen

März 2015: In Gera protestieren 2000 Bürger gegen die Ansiedlung eines Erstaufnahmelagers für Flüchtlinge in ihrer Stadt. 2600 Unterschriften wurden seit Bekanntwerden der Ansiedlungspläne gegen die neue Unterkunft gesammelt.

Anmerkung der Redaktion

In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass der Tod eines 20-jährigen Eritreers in Sachsen als fremdenfeindlich einzustufen sei. Das ist nicht korrekt. Ermittlungen der Polizei ergaben einige Tage nach der Tat, dass der Mann von einem Mitbewohner erstochen wurde. Es handelt sich nicht um einen ausländerfeindlichen Übergriff, da der Beschuldigte wie auch das Opfer aus Eritrea stammt. Gegen den Mann wurde durch das Amtsgericht Dresden Haftbefehl wegen Totschlags erlassen. Er sitzt in Untersuchungshaft.

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