Frankreich:Dudelstreik

Radio France sendet auf seinen Info-, Kultur- und Lokalwellen seit Wochen nur Musik - und alle 15 Minuten die Durchsage, dass es wegen eines Streiks gerade nichts mehr zu senden gibt. Das ärgert den Eigentümer: die Regierung.

Von Christian Wernicke

Nun haben sie endlich miteinander geredet. Aber zu sagen hatten sie einander nichts. Nicht mehr. Zu verhärtet sind die Fronten im "Maison de la Radio", dem Stammsitz von Frankreichs öffentlich-rechtlichem Rundfunk: Als Mathieu Gallet, der Chef von Radio France, am Mittwoch dem Betriebsrat seiner 4900 Mitarbeiter einen Sanierungsplan vorlegte, da habe "die soziale Temperatur im Saal klar unter null Grad Celsius gelegen", erzählt eine Augenzeugin. 380 Frühverrentungen, das Aus für Mittel- und Langwelle - solche Ideen erwärmten niemanden im Saal. Was bedeutet: Die sieben redaktionellen Programme, die Radio France täglich ausstrahlt, bleiben vorerst eingefroren.

Drei Wochen währt inzwischen der Streik bei Radio France. Seit Mitte März bieten France Inter, France Info und France Culture sowie die 44 Lokalsender von France Bleu ihren normalerweise 14 Millionen Hörern nur Musik vom Band - plus alle Viertelstunde die Durchsage "Wir bitten Sie um Entschuldigung". Diese Litanei geht auch dem Eigentümer auf die Nerven: der französischen Regierung.

Die Konfliktparteien sollten gefälligst "schnell einen Ausweg finden", mahnte Kulturministerin Fleur Pellerin am Wochenende. Nur, Pellerin laviert. Einerseits lehnt sie die Forderung der linken Gewerkschaften ab, sie solle als Moderatorin den Streit zwischen Direktion und Belegschaft schlichten. Lieber schickt sie Gallet allein an die Front, um die über Jahre angehäuften Probleme zu lösen. Zudem weiß jeder, dass der 38 Jahre junge Medienmanager kein Vertrauter der Sozialistin ist: Gallet diente früher der konservativen Regierung von Nicolas Sarkozy als Berater.

Ein Defizit von 21 Millionen Euro droht dem Staatsfunk allein in diesem Jahr. Die Gebühren reichen nicht mehr, um das Budget - in nur zehn Jahren um 27 Prozent auf 685 Millionen gestiegen - zu decken. Der Rechnungshof schlug vorige Woche sogar vor, die Redaktionen mehrerer Sender zu fusionieren. Eine Idee, die auch Gallet prompt zurückwies.

Der Krach im Haus des Rundfunks gerät zum Lehrstück über Frankreichs Reform-(Un)Fähigkeit. Der Staat muss sparen und kürzt versprochene Subventionen. Eine Minderheit entschlossener Gewerkschafter verweigert derweil jede Veränderung. Maximal 500 der knapp 5000 Mitarbeiter - viele Techniker, kaum Journalisten - nehmen an den täglichen Versammlungen über die Fortsetzung der Sendepause teil. Die votieren dann einstimmig für Konfrontation. Dialog über Reformen? Mitnichten. Stattdessen: Schweigen im Äther.

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